Schienenwallfahrt: Pilgern mal anders

Schöpfungszeit
Ausgabe Nr. 36
  • Wien und Niederösterreich
Autor:
Semmeringbahn - Kalte-Rinne-Viadukt. ©C.Stadler/Bwag
Pfarrkirche Spital am Semmering. ©C.Stadler/Bwag
Die Schienenwallfahrt nach Kärnten war für Karl und Marlene Hödl sowie für viele anderen Teilnehmenden ein Highlight in ihrer Pilgerkarriere. ©privat

Entdecken Sie die einzigartige Schienenwallfahrt: Dieses Jahr führt die spirituelle Reise nach Spital am Semmering. Beten im Zug während der Schöpfungszeit.

Seit nun fast zehn Jahren findet jedes Jahr zur Schöpfungszeit eine Schienenwallfahrt statt, wo der Zug das Hauptverkehrsmittel darstellt. Karl Hödl ist begeisterter „Schienenwallfahrer der ersten Stunde“. Wir haben ihn im Vorfeld der nächsten Schienenwallfahrt besucht und mit ihm unter anderem über seine Pilgerleidenschaft gesprochen.

Warten Sie, ich komm’ vors Haus“, sagt Karl Hödl am Telefon. „Wir waren noch Radfahren, deswegen bin ich gerade erst heimgekommen.“ Mit seinen 73 Jahren ist der Weinviertler noch ziemlich sportlich unterwegs. Neben dem Radfahren macht vor allem das Pilgern einen großen Teil seiner Freizeit aus. Doch nicht nur klassisch zu Fuß: Die Schienenwallfahrt der Erzdiözese Wien zählt seit ihrer Premiere 2015 zu seinen jährlichen Fixterminen.

„Ich hab damals davon gelesen, dass es eine Schienenwallfahrt gibt und weil ich  sowieso gerne Zug fahre, war das für mich klar, da mitzumachen“, erzählt Karl Hödl. In seinem Heimatort Unterstinkenbrunn hat er herumgefragt, wer sonst noch Interesse daran habe, und so ging es schließlich für eine kleine Gruppe aus fünf Personen mit dem Zug in den Süden zum Wallfahrtsort Maria- hilfberg bei Gutenstein (siehe Ausgabe 35/2023). Der Trip ein voller Erfolg – die Gruppe an Schienenwallfahrbegeisterten wuchs über die Jahre hinweg stetig an. Mittlerweile sind die Unterstinkenbrunner mit etwa 20 Teilnehmenden meist die größte Gruppe im Wallfahrtszug, was auch Karl Hödls Engagement zu verdanken ist.

Werbung

Jedes Jahr zur Schöpfungszeit

Von 1. September bis 4. Oktober feiert die Kirche die sogenannte Schöpfungszeit. In diesem Zeitraum soll vermehrt auf die Bewahrung der Schöpfung, also unsere Umwelt, aufmerksam gemacht werden. Die fünf Wochen Schöpfungszeit enden mit dem Fest des Heiligen Franz von Assisi. Bis dahin finden österreichweit themenbezogene Veranstaltungen und Gottesdienste statt.
Zu ebendiesen Veranstaltungen gehört auch die Schienenwallfahrt. Seit 2015 wird sie jedes Jahr vom Umweltbüro der Erzdiözese Wien organisiert und verbindet so klimafreundliche Mobilität mit Geselligkeit und der Nähe zu Gott.

Ein eigener Sonderzug startet in Laa an der Thaya und hält an einigen Stationen der Diözese, bis der jeweilige Bahnhof nahe des Zielortes erreicht ist. Die letzten Kilometer werden zu Fuß zurückgelegt, oftmals gibt es auch einen Begleitbus für jene Menschen, die zu Fuß nicht ganz so gut unterwegs sind. Vor Ort findet schließlich ein Festgottesdienst sowie ein gemeinsames Essen statt. Mit dabei ist stets mindestens eine geistliche Begleitung, in den letzten ‑Jahren waren das etwa Kräuterpfarrer Benedikt Felsinger oder Weihbischof Stephan Turnovszky.

Immer etwas Neues zu erleben

Pilgern hat im Leben von Karl Hödl und auch in dem seiner Frau Marlene schon immer einen besonderen Platz. Beide haben in ihrer Kindheit und Jugend bereits an der Oberleiser Wallfahrt teilgenommen – das Highlight war der „Wildschweinbraten“ zum Abschluss, eine gebratene Knackwurst, die der damalige Pfarrer gerne scherzhaft so bezeichnete. Diese und viele andere kleine Anekdoten werden den beiden ihr ganzes Leben im Gedächntis bleiben und sie an die schönen Pilger-Erfahrungen erinnern.

Auch gemeinsam haben sie schon viele Pilgerreisen an die verschiedensten Wallfahrtsorte unternommen, zum Teil auch schon Orte mehrmals besucht. 25 Jahre lang hat Karl Hödl die Mariazell- Wallfahrt in seiner Pfarre organisiert, so manches Mal waren sogar über 100 Leute mit von der Partie. Auch fast alle bisherigen Zielorte der Schienenwallfahrt kannten die beiden erfahrenen Pilger bereits – Maria Taferl, Hafnerberg und Sonntagberg sind nur einige davon. „Wir fahren trotzdem jedes Jahr mit. Beim Wallfahren gibt es nämlich immer wieder etwas Neues zu erleben“, erzählt das Paar. „Manche Wallfahrtsorte ziehen einen einfach an. Nach Mariazell gehen wir jedes Jahr, aber mitunter fahren wir zwischendurch auch zusätzlich eine Nacht hin. Weil es einfach schön ist.“ So schön, dass Karl Hödl dieses Jahr bereits zum vierzigsten Mal Mariazell besuchen wird.

Aber auch ins Ausland zieht es die beiden: Berühmte Wallfahrtsorte wie Santiago de Compostela, Lourdes, Rom, Assisi und Fatima haben sie schon bereist, besonders angetan ist Karl Hödl allerdings von Medjugorje. „Das muss man einfach erleben!“, antwortet er auf die Frage, was diesen Ort denn so besonders mache. „Man kann nicht einfach so erzählen, wie‘s dort so ist, da muss man sich wirklich selbst ein Bild davon machen.“ Als er Ende der 1980er das erste Mal die Kirche dort betrat, war ihm klar, dass er wiederkommen würde. Gesagt, getan: Seitdem besucht er jedes Jahr diesen für ihn ganz besonderen Ort.

Beim Wallfahren spielt für Karl Hödl der Glauben die mit Abstand größte Rolle. „Für mich bedeutet Pilgern zu beten, mich auf mein Ziel vorzubereiten und eventuell sogar unterwegs Aussprache mit einem der Geistlichen zu halten. Ich pilgere nicht nur, weil ich gern zu Fuß unterwegs bin.“ Das Pilgern als reine körperliche Betätigung zu sehen kann er zwar nicht ganz nachvollziehen, verurteilt es allerdings nicht. „Wenn bei solchen Leuten dann zumindest ein kleines bisschen Spiritualität in Erinnerung bleibt, dann ist das doch auch schon was, worüber man sich freuen kann“, so der Pensionist. Den Kontakt zu Gott kann man bereits während der Zugfahrt im Kapellen-Waggon suchen. Dort hat man die Möglichkeit, ganz in Stille zu beten oder zu meditieren.

Aber welche Vorteile hat die Schienenwallfahrt denn nun im Vergleich zur „normalen“ Wallfahrt zu Fuß? „Man muss sich um nichts kümmern!“, antwortet Marlene Hödl wie aus der Pistole geschossen. „Alles ist fix fertig organisiert und man muss sozusagen gar nicht denken.“ Das genießen die beiden sehr – bei jenen Pilgerreisen nach Mariazell, die Karl Hödl selbst organisiert hat, war schließlich das komplette Gegenteil der Fall. Wegetappen, Unterkunft und vieles mehr lagen im Verantwortungsbereich der Hödls. Hinzu kommt, dass die Schienenwallfahrt das Pilgern und Wallfahren für viele Menschen einfach greifbarer mache. „Eine lange Strecke über mehrere Tage hinweg zu Fuß zurückzulegen ist für viele doch eher abwegig und, vielleicht auch aus gesundheitlichen Gründen, nicht einfach umsetzbar. Aber in den Zug setzen und anschließend ein paar Kilometer gehen kann eigentlich fast jeder“, betont Herr Hödl. „Ja, man braucht halt viel Zeit zum Pilgern“, wirft seine Frau ein. „Man muss bedenken, allein schon Unterstinkenbrunn nach Mariazell ist ein einwöchiger ‚Hatscher‘, bei der Schienenwallfahrt erledigt man sowas in einem Tag.“ Die Schienenwallfahrt im Jahr 2019 war da allerdings eine Ausnahme: Diese dauerte nämlich vier Tage und führte die 230 Reisenden nach Kärnten. Verschiedene Stationen wie Enns, Klagenfurt, Maria Saal und Admont, ein musikalischer Empfang sowie die Marien-Schiffsprozession am Wörthersee machten diese Reise unvergesslich.

Seine eigenen Grenzen kennen

Die Gesellschaft beim Reisen genießen die beiden sehr. Pilgerreisen, Urlaube und die Radausflüge zwischendurch unternehmen sie am liebsten in der Gruppe. „Wir treten immer im Rudel auf“, fasst Marlene Hödl lachend die Reisekonstellation zusammen. Doch für Karl Hödl darf es beim Pilgern schon auch mal ruhiger zugehen. „Man will schon öfter auch für sich allein sein. Es ist vor allem wichtig, auf sich selbst und seine eigenen Grenzen zu schauen.“ Aufgrund seiner Erfahrung ist er mit vielen Strecken bereits vertraut und kann so selbst einschätzen, was er sich zu Fuß noch zutraut oder wo er lieber den Begleitbus nimmt. „Oft gehe ich auch schon früher los als die anderen, dann kann ich mein Tempo selbst bestimmen. Das Schlechteste, was man beim Pilgern machen kann, ist, sich antreiben zu lassen.“ Falschen Ehrgeiz abzulegen sei Übungssache, sagt er. Das werde er auch dieses Jahr bei der Schienenwallfahrt nach Spital am Semmering wieder im Hinterkopf behalten. Er hofft auf zahlreiche Teilnehmer, einige Anmeldungen sind bereits bei ihm eingegangen.

Autor:
  • Rebecca Marchhart
Werbung

Neueste Beiträge

| Österreich
Glaubenszeugnis

Stefanie Wiklicky-Leitner, 29, hat nicht nur ihren Glauben neu entdeckt, sondern auch ihren Platz in der Kirche gefunden. Durch Verantwortung im Pfarrverband wurde aus Tradition ein lebendiger, gelebter Glaube.

| Chronik
Sehenswert

Was war los in Wien und Niederösterreich?

| Spiritualität
Adventserie – Teil 3

„Leichtfüßig den Himmel entdecken“ – dazu laden wir mit der Adventserie von Petra Unterberger ein. Alltagserfahrungen und Gedanken verknüpft die erfahrene Seelsorgerin mit biblischen Geschichten. Gedichte, Gebete und Bilder für eine kleine Auszeit!