Wiens heiliger Valentin
Auf Spurensuche im StephansdomWir begeben uns auf die Nordseite des Westwerks von Sankt Stephan, wo links und rechts der romanischen Heidentürme unter Herzog Rudolf IV. (1339–1365), auch der Stifter genannt, jeweils doppelstöckige Kapellen angebaut wurden. Die unteren sind vom Kirchenraum zugänglich, die oberen ausschließlich von der Westempore aus. Nach unzähligen Stufen zweier Wendeltreppen gelangen wir in die nördliche obere Kapelle, die jüngste dieser Kapellen, wie Reinhard Gruber erklärt.
„Vor zehn Jahren, 2012, hat man im Rahmen von Renovierungsarbeiten die Putzschichten freigelegt, um zu sehen, wie die ursprüngliche Färbelung der Kapelle ausgesehen hat. Auf der untersten Schicht befinden sich Weihekreuze und auf derselben Putzschicht Graffitis links und rechts des Kapelleneingangs. Und dort findet sich eine Datierung ‚profestum nicolai‘ und die Jahreszahl 1479. Diese Kritzeleien, die ein studentisches Initialritual für die Aufnahme in eine Studentenburse zeigen, wurden an einem der Vortage des Nikolaustages, 6. Dezember 1479, angebracht.“
„Ludwig Ebmer, Bischof von Chiemsee, hat den Valentinsaltar – im Gedenken an Valentin von Rätien, den ersten Bischof von Passau, gestiftet. Der gotische geschnitzte Altar befindet sich allerdings seit 1903 nicht mehr in dieser Kapelle, sondern in der Eligius-Kapelle, in der Anbetungskapelle des Domes auf der Südseite.
Nicht zu übersehen steht in der Mitte dieser Kapelle ein Sarkophag. Welche Reliquien befinden sich darin?
Reinhard Gruber: Seit 1903 birgt die alte Valentinskapelle den Reliquienschatz des Domes und fungiert als Reliquienkapelle.In dem schönen barocken Holzsarg befinden sich die sterblichen Überreste eines heiligen Valentin. In den Inventarien heißt es eindeutig: „unus Sanctus Valentinus – ein heiliger Valentin.“ Diese Gebeine wurden ursprünglich in der Kirche des Himmelspforte-Klosters eines Schwesternkonvents in der Nähe des Domes aufbewahrt. Nach Aufhebung des Klosters und der Kirche durch Kaiser Joseph II. kamen diese Reliquien des Katakombenheiligen 1783 hierher in den Stephansdom.
Das Besondere an diesen Gebeinen ist, dass sie vollständig mit einem Fantasiegewand bekleidet sind. So stellte man sich einen römischen Christen zur Zeit der Christenverfolgung und der Belegung der Katakomben vor. Die Kleidung dieses Heiligen stellt ein schönes Beispiel für die barocke Sinnesfreude und den barocken Festcharakter dar.
Dieser Sarkophag weist aber auch eine interessante Innenausstattung aus ...
Wir sehen eine schöne Bemalung im Inneren des Sarges, und zwar mit Pflanzenmotiven als Sinnbild für den Garten Eden, für das Paradies, für das ewige Leben. Man nahm an, dass die Katakombenheiligen großteils Märtyrer sind, und das ist ein Hinweis dafür, dass sie den Lohn für ihr Martyrium im Himmel erhalten haben.
Was noch eine kleine Besonderheit an diesem barocken Sarkophag ist: An der linken Stirnseite gibt es eine kleine Öffnung, die mit einem alten Vorhängeschloss verschlossen ist, um in den Sarkophag hineinzugreifen, um einen Rosenkranz, ein Andachtsbild, ein Tuch, was auch immer an den heiligen Gebeinen zu berühren und dadurch eine Berührungsreliquie zu bekommen.