Wie Menschen mit Behinderung inspirieren
Renate TraunerNach ihrem Studium und einem Auslandsaufenthalt in Paraguay beginnt Renate Trauner als Seelsorgerin in einer Behinderteneinrichtung der Caritas in Retz. Später wird sie Ansprechperson für Menschen mit Behinderung in der Erzdiözese Wien.
Frau Trauner, Sie sagen, Menschen mit Behinderung würden Sie mit ihrer Art, ihren Glauben zu leben, sehr berühren. Inwiefern?
Menschen mit Behinderung sind sehr authentisch, was ihren Glauben an Gott betrifft. Wie sie ihn mit einfachen Worten und Gesten ausdrücken, bewegt mich immer wieder sehr. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Frau, deren Tochter eine Lernschwierigkeit hat. Die Mutter ist selbst nicht religiös, gibt ihrer Tochter aber die Möglichkeit, ihren Glauben auszuüben. Sie hat mir erzählt, wie wunderbar ihre Tochter sie getröstet hat, als ihre eigene Mutter gestorben ist – mit der Überzeugung: Der Oma geht’s jetzt gut im Himmel.
Sie sagen, Sie lernen viel von Menschen mit Behinderung.
Diese Menschen müssen sich häufig sehr stark mit ihrem Leben und ihren Einschränkungen auseinandersetzen. Dadurch schaffen sie es, viel in ihr Leben zu integrieren und letztlich zu sagen: Gott liebt mich so wie ich bin. Was ich noch gelernt habe, ist, mehr im Hier und Jetzt zu leben. Viele Menschen haben sich im Berufsleben und manchmal auch im privaten Umfeld angewöhnt, das, was sie brauchen und spüren, zu unterdrücken. Menschen mit Behinderung tun das nicht. Sie zeigen ihre Gefühle, manchmal anders, als ich es gewohnt bin. Beim genaueren Hinschauen, Hinhören und Nachfragen merke ich, wie verwundet diese Menschen manchmal sind. Mir mehr Zeit zu nehmen und manches langsamer und behutsamer zu machen, auch das habe ich von Menschen mit Behinderung gelernt.
Paraguay, der Weltladen in Retz, der inklusive Chor ‚RhythMix‘, den Sie 1997 gegründet haben, die inklusive Glaubensgruppe Faith4U&Me, Ihre Arbeit als Seelsorgerin: Sie sind sehr engagiert. Wie nehmen Sie die Führung Gottes wahr?
Oft habe ich erlebt, dass Zufälle ein Fingerzeig Gottes sind. Alles in meinem Leben ist mir auf irgendeine Weise ‚zugefallen‘. Bei meinem Pfarrpraktikum während des Studiums habe ich die Freude bei dieser Arbeit gespürt. Als Pastoralassistentin in Retz mit einer großen Einrichtung für Menschen mit Behinderung ist die Beziehung zu diesen Menschen gewachsen. Viele Menschen mit Behinderung hadern manchmal damit, dass sie keine eigene Familie haben oder keine Eltern, die für sie da sind. Ich selbst lebe allein und habe keine Kinder. So versuche ich ihnen zu zeigen, dass man auf verschiedenen Wegen immer auch für andere da sein kann. Und dass es nicht darum geht, was man alles hätte machen können, sondern wo man von Gott hingeführt wird und dass man diese Aufgabe gewissenhaft tut.
„Es geht im Leben
darum, wo man von Gott hingeführt wird.“
Renate Trauner
Sie haben in Retz den Weltladen mitbegründet, ein Fachgeschäft, in dem Produkte aus dem fairen Handel verkauft werden. Auch durch einen Fingerzeig Gottes?
Ja! In Paraguay habe ich als Missionarin auf Zeit in einem Projekt für Straßenkinder mitgelebt und gesehen, dass die Menschen dort genau wissen, was sie brauchen und was sie tun könnten und auch, dass die Kinder lieber lernen statt arbeiten möchten. Wenn wir im Norden faire Preise für die Produkte aus dem Süden bezahlen, dann können die Menschen von ihrer Arbeit leben und ihre Kinder zur Schule gehen. Den Weltladen in Retz haben wir deshalb vor über 30 Jahren gegründet, damit wir über den fairen Handel informieren und fair gehandelte Produkte anbieten können.