Pilgerscharen in Rom: So reagierte der Papst

Heiliges Jahr
Ausgabe Nr. 1
  • Weltkirche
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Ein tiefes religiöses Verlangen der Menschen traf das Heilige Jahr immer, sagt Thomas Prügl. Auch heuer werden viele Pilger in Rom erwartet.
Ein tiefes religiöses Verlangen der Menschen traf das Heilige Jahr immer, sagt Thomas Prügl. Auch heuer werden viele Pilger in Rom erwartet. ©Kronthaler

An die 40 Millionen Pilgerinnen und Pilger werden 2025 beim Heiligen Jahr in Rom erwartet. Im SONNTAG-Gespräch entführt der Wiener Kirchenhistoriker Thomas Prügl in die spannenden Anfänge der Heiligen Jahre, die erst im Mittelalter geschaffen wurden. Denn ab Jänner 1300 kamen Massen von Pilgerinnen und Pilgern nach Rom. Erst im Februar 1300 rief Papst Bonifaz VIII. daraufhin das erste Heilige Jahr aus.

Wer weiß, dass es sogenannte Heilige Jahre in der katholischen Kirche erst seit dem Jahr 1300 gibt? Im Gespräch mit dem SONNTAG erzählt der Kirchenhistoriker Thomas Prügl (er lehrt an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien) von der Freude der Katholikinnen und Katholiken über die Heiligen Jahre. Und von der Begeisterung der Römerinnen und Römer über die Pilgerscharen, die anlässlich dieser Jahre bis heute gerne in die Ewige Stadt kommen.

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Viele Pilger und das erste Heilige Jahr

Warum hat Papst Bonifaz VIII. im Jahr 1300 ein Heiliges Jahr ausgerufen? Was waren seine Motive?

THOMAS PRÜGL: Das erste Heilige Jahr, das Bonifaz VIII. ausgerufen hat, war mehr eine Reaktion denn eine geplante Aktion. Der Papst war erstaunt, dass zum Beginn des Jahres 1300 eine enorme Schar von Pilgern nach Rom geströmt ist. Wie eine zeitgenössische Quelle sagt, sind sie in der freudigen Erwartung gekommen, dass sich zum Beginn dieses neuen Jahrhunderts etwas Außergewöhnliches ereignet, vielleicht ein besonderer Gnadenerweis. Zudem machte das Gerücht die Runde, dass es bereits früher solche Jubeljahre gab, etwa zur Jahreswende 1000. Nachdem er sich mit den Kardinälen beraten hatte, erließ der Papst schließlich erst im Februar 1300 eine Bulle, worin er all jenen, die zu den Gräbern der Apostel in Rom pilgern, „nicht nur volle und ganze, sondern übergroße Verzeihung ihrer Sünden“ gewährte. Der Ablass galt das gesamte Jahr über und sollte fortan alle hundert Jahre erneut gewährt werden. Das erste Heilige Jahr war also nicht vorweg von Papst oder Kurie geplant, um etwa Geld einzusammeln, sondern es war gleichsam eine Bewegung von unten. Der Papst ist dann mit der Ausrufung des Gnadenjahres den Pilgern entgegengekommen, die damit einen tiefen geistlichen Gewinn aus ihrer Pilgerschaft ziehen wollten.
 

Was waren dann die Höhepunkte dieses ersten Heiligen Jahres?

Die Feierlichkeiten, die wir heute mit dem Heiligen Jahr verbinden – Öffnung der Heiligen Pforten, große Gottesdienste, kulturelles Beiprogramm – haben sich erst später herausgebildet. Der Höhepunkt des ersten Heiligen Jahres war schlicht die lange und mühselige Wallfahrt nach Rom, das erhebende Gefühl, mit zahlreichen anderen Pilgern zum geistlichen Zentrum der Kirche zu kommen und dort die alten Kirchen und Märtyrergräber zu besuchen. Der erste Jubiläumsablass verpflichtete zu mehrmaligem Besuch dieser Kirchen: Die Römer selbst mussten an 30 verschiedenen Tagen die Apostelgräber besuchen, die auswärtigen Pilger mussten dies nur an 15 unterschiedlichen Tagen leisten. Nach der Publikation der Bulle setzte eine noch stärkere Wallfahrtsbewegung ein. Diese wurde nun auch aktiv beworben, etwa mit einem Merkvers, den man mit der Ablassbulle verbreitete: „Annus centenus – Romae semper est iubilenus“ („Das hundertste Jahr ist in Rom immer ein Jubeljahr“). Der in Aussicht gestellte vollkommene Ablass stand im Mittelpunkt, er war gleichsam die Belohnung für die Mühe der Pilgerfahrt und vermittelte letztlich eine tiefe Erfahrung von Vergebung und Heil.
 

„Das zweite Heilige Jahr war so unvorhergesehen wie das erste.“

Thomas Prügl

Eigentlich sollte erst 1400 wieder ein Heiliges Jahr gefeiert werden, tatsächlich wurde es aber schon 1350 begangen ...

Das zweite Heilige Jahr war so unvorher- gesehen wie das erste, denn im Jahr 1350 gab es in Rom gar kein Papsttum, das den Brauch hätte fördern wollen. Nach dem Tod Papst Bonifaz’ VIII. residierten die Päpste für etwa 70 Jahre in Avignon, also außerhalb Italiens. Der damalige Papst Clemens VI. (1342–1352) hat überhaupt nicht daran gedacht, in Rom ein Heiliges Jahr zu verkünden. Hatte nicht Bonifaz VIII. nur jedes 100. Jahr dafür vorgesehen? Aber es waren die Römer, die auf den Papst zugekommen sind und ihn gebeten haben, er möge doch die lange Zeitspanne von 100 Jahren verkürzen und damit viel mehr Menschen die Möglichkeit geben, ein solches Jubeljahr zu feiern und den damit verbundenen Ablass zu gewinnen. Der Papst hat dann dem Drängen der Römer stattgegeben, eher widerwillig, wie wir wissen. Denn für das Papsttum selbst sah er darin keinen großen Gewinn. Er selbst begab sich für den Anlass nicht einmal an den Tiber, sondern schickte zur Verkündigung der Bulle nur einen Kardinal, der bei der Gelegenheit mit den Römern in Streit geriet. Dennoch hat auch dieses zweite Heilige Jahr eine Unmenge von Pilgern angezogen, wie man aus zeitgenössischen Chroniken weiß. Dort ist von Millionen die Rede, eine Zahl, die wir nicht wörtlich nehmen dürfen. Sie sollte aber ausdrücken, dass die Scharen weit über das erwartbare und normale Maß hinausgingen, das Rom an Pilgern auch in anderen Jahren sah.
 

Ab 1475 war gar jedes 25. Jahr ein Heiliges Jahr. Warum diese immer kürzeren Abstände? 

Die immer kürzeren Abstände zeigen, dass die Päpste mit dem Ausruf des Jubeljahres ein tiefes religiöses Verlangen der Menschen getroffen haben. Die Aussicht auf „überreiche Vergebung“, auf Nachlass der Sündenstrafen, vor allem  auf eine Minderung der Qualen im Fegefeuer, hat die Menschen bewegt. Das späte Mittelalter war eine sehr fromme Zeit, und in dieser Frömmigkeit spielten Ablässe eine wichtige Rolle. Nicht, weil man sich damit das Heil erkaufen wollte, sondern weil die Menschen wussten, dass die Verzeihung von Sünde und Schuld das Innerste im Menschen ansprach. Es war auch eine Epoche der großen Wallfahrten. Jeder fromme Mensch wollte einmal in seinem Leben eine große Wallfahrt unternehmen, die ihn für mehrere Monate aus der Heimat wegführte. Nicht aus touristischem Interesse, sondern aus religiöser Sehnsucht. In der Wallfahrt sah man ein Abbild der eigenen Lebenswanderung, die einem Ziel entgegengeht, an dem Vergebung und Erlösung warten. Daher investierte man auch, um dieses Ziel zu erreichen. 

„Jeder sollte in seinem Leben ein Heiliges Jahr feiern können.“

Thomas Prügl

Irgendwann spielte auch plötzlich die Zahl „33“ eine Rolle beim Heiligen Jahr ...

Bonifaz VIII. wollte mit den periodisch alle 100 Jahre gefeierten Jubeljahren an das Erlösungsgeschehen der Geburt Christi erinnern. Die Begrenzung auf 50 Jahre behielt die Vorstellung der 100 Jahre bei, halbierte diese nur. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts kam der Gedanke auf, dass nicht nur die Geburt, sondern auch das Leiden und Sterben Jesu als Heilsereignis mit besonderen Heiligen Jahren gefeiert werden sollte. Also begann man parallel mit einem Zyklus von 33 Jahren – der mutmaßlichen Lebenszeit Jesu Christ – Heilige Jahre anzukündigen. 1390 und 1423 hat man aus diesem Anlass heilige Jahre gefeiert. Aber der Brauch setzte sich nicht durch. Stattdessen unterteilte man die 50-Jahr-Periode noch einmal und führte 1475 den nun üblichen Rhythmus von 25 Jahren ein. Als Begründung diente einmal mehr der Wunsch, dass damit jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, in seinem Lebens mindesten ein Heiliges Jahr feiern zu können. 

Ein Heiliges Jahr kennt das Motiv der Wallfahrt, zugleich verdient auch Rom an den Pilgerinnen und Pilgern ...

Mit den immer kürzeren Abständen wollten die Päpste also einerseits der religiösen Praxis der Menschen entgegenkommen, andererseits hatten sich die großen Wallfahrten der Jubeljahre auch als lukrative Einnahmequelle für das Papsttum und die Stadt Rom erwiesen. Der Ablass war zwar „gratis“, aber man rechnete mit der Dankbarkeit der Pilger, die die Gnadengabe mit einer Spende quittierten. Diese Verbindung von Ablass und Geld ist aber viel älter als die Heiligen Jahre und ihre Jubelablässe. Schon vor dem Jahr 1300 wurden Ablässe ausgeschrieben, um Kirchen bauen oder nach Zerstörungen wieder herstellen zu können. Auch für die Finanzierung von kirchlichen Großereignissen wie Kreuzzügen oder Konzilien wurden Ablässe in Aussicht gestellt. Den Gläubigen, die diese Ablässe erwarben, war der Zusammenhang durchaus bewusst. Er war Teil einer kirchlichen Solidarität, die über den Tod hinausreicht. 
 

Schuldenerlass für die Pilger im Heiligen Jahr

Sie haben das Stichwort „Jubeljahr“ angesprochen. Das Heilige Jahr erinnert an das biblische Erlassjahr, den alle 50 Jahre gebotenen Schuldenerlass. Spielt dieses alttestamentliche Thema bei den Heiligen Jahren überhaupt eine Rolle, bis heute?

Ich denke, es spielt nach wie vor eine Rolle, und die Vorstellung eignet sich gut, den Sinn des Heiligen Jahres mit genau diesen biblischen Motiven zu vertiefen. Das jüdische Jobeljahr im biblischen Buch Levitikus (Kapitel 25) sieht ja vor, dass alle 50 Jahre die Schulden erlassen, die Sklaverei beendet und andere schuldhafte Abhängigkeiten getilgt werden sollen, damit das Zusammenleben im Volk wieder auf einen idealen Urzustand zurückgeführt werden kann. Hieraus lässt sich leicht auf die Wirklichkeit der Sündenvergebung durch Gott schließen, auf das Erlösungsgeschehen in Jesus Christus, das wiederum zur Aufforderung an die Gläubigen wird, selbst barmherzig zu sein und zu vergeben, wozu wir uns im „Vater unser“ unmissverständlich verpflichten. Das hebräische Wort „jobel“, das das Widderhorn, also ein Blasinstrument, meint, mit dem das Vergebungsjahr angekündigt wird, wurde in der lateinischen Bibel mit „iubileus“ übersetzt. Daraus würde dann das „Jubiläum“ oder „Jubeljahr“. 

Sie haben die Vergebung angesprochen. Laut Bonifaz VIII. konnten 1300 die Gläubigen einen vollkommenen Ablass in Rom gewinnen. Was gehört zu einem vollkommenen Ablass?

Im Ablass werden nicht die Sünden per se vergeben. Das gewährt Gott im Sakrament der Beichte. Allerdings wusste man schon früh, dass eine Sünde Folgen nach sich zieht, die bestehen bleiben, auch wenn die Schuld vergeben ist. In der Theologie hat man daher zwischen der Sündenschuld und den Sündenstrafen bzw. Sündenfolgen unterschieden. Für Letztere musste der Sünder Widergutmachung leisten, oder aber man wurde mit einer Strafe bedacht, die es zu ertragen gilt. Der Ablass verspricht nun eine Reduzierung bzw. einen Erlass dieser zeitlichen Sündenstrafen. Er wollte damit die Angst vor dem Sterben und dem Endgericht mindern, indem man sich ganz der Barmherzigkeit Gottes anvertraut. Das häufige Erwerben eines Ablasses darf daher als eine wiederholte Bitte an Gott verstanden werden, den Sündern gnädig zu sein. Die Kirche, die den Ablass gewährt, tritt dabei als Vermittlerin und Fürsprecherin auf; sie versichert dem Sünder, dass er vor Gott nicht alleine steht, sondern dass er auf die Solidarität aller Heiligen, aller Getauften und damit der ganzen Kirche hoffen darf. Der Ablass ist so gesehen keine private Frömmigkeitsübung, sondern er nimmt den Menschen in die Gemeinschaft des gesamten Volkes Gottes auf.

Um also einen vollkommenen Ablass im Heiligen Jahr zu erwerben, muss man zuvor seine Sünden beichten und die hl. Kommunion empfangen. Danach (oder auch davor) unternimmt man die Wallfahrt, betet in den römischen Hauptkirchen, indem man sich die Gebetsanliegen der Kirche bzw. des Papstes zu eigen macht, und bittet die Apostel und Heiligen um ihre Fürsprache. Ein Obolus, also eine Spende, wird heute nicht mehr erwartet. Das Konzil von Trient hat sogar ausdrücklich verboten, einen Zusammenhang von Geld und Gnadengewährung herzustellen.

Eröffnung des Heiligen Jahres

Wie wird ein solches Heiliges Jahr eröffnet? Wie sieht solch ein Ritus aus?

Die zentrale Feier bei der Eröffnung des Heiligen Jahres ist die die Öffnung der Heiligen Pforte, oder besser gesagt der Heiligen Pforten, denn jede der vier Hauptbasiliken in Rom (St. Peter, St. Paul, St. Johann im Lateran und St. Maria Maggiore) besitzt eine solche heilige Pforte. Die heilige Pforte in der Peterskirche – es ist jene unter den fünf Haupttüren, die ganz rechts in den Dom führt -- wird vom Papst selbst geöffnet. Traditionell schlägt der Papst mit einem geschmückten Zeremonienhammer gegen die Tür, die daraufhin von innen geöffnet wird. Seit dem Heiligen Jahr 1975 wird die Tür nach Abschluss des Heiligen Jahres nur mehr von innen vermauert. Diese gemauerte Wand muss also zur Öffnung der Pforte ebenfalls aufgebrochen werden.

Diesen Ritus der Öffnung hat es beim ersten Heiligen Jahr noch nicht gegeben hat. Er wurde feierlich erst durch Papst Alexander VI. im Jahr 1500 eingeführt.  Wir wissen darüber gut Bescheid, weil der damalige päpstliche Zeremonienmeister, Johannes Burckhard aus Straßburg, genau beschrieben hat, wie er das Zeremoniell mit dem Papst ausgehandelt hat. Allerdings spielten gewisse Pforten, v.a. in der Peterskirche und im Lateran, auch im 15. Jahrhundert bereits eine Rolle und wurden in Pilgerberichten erwähnt. Demzufolge habe Kaiser Vespasian jene Pforte im Palast des Herodes, durch welche Jesus bei seiner Verurteilung gegangen sei, nach Rom bringen lassen, wo man sie im Lateran vermutete. Die Pilger setzten viel daran, ebenfalls durch diese Pforten zu gehen. Diese Erzählungen beruhen aber auf Legenden. In der Peterskirche führte jene Pforte direkt zum Altar, der die Reliquie des Schweißtuches der hl. Veronika enthielt, eine der berühmtesten und populärsten Reliquien für Rompilger. Auch aus diesem Grund maß man der Pforte in der Nähe des Altars eine hohe Bedeutung bei den Pilgerpraktiken bei.

Wie biblisch sind die Vorstellungen vom Öffnen der Pforten heute?

Mit der Tür oder Pforte sind zahlreiche biblische Vorstellungen verbunden, die der Pilger beim Durchschreiten bedenken und auf sich beziehen kann. So fordert etwa Jesus die Jünger auf, durch die enge Pforte zu gehen, um ins Himmelreich zu gelangen. Daher ist die Heilige Pforte auch nicht das Hauptportal in der Mitte, wo für gewöhnlich alle Pilger und alle Touristen in den Petersdom reingehen, sondern es ist die kleinere Tür ganz rechts, die eigens geöffnet wird und heute zur berühmten Pietà von Michelangelo führt. Bei der heiligen Pforte mag man auch an Ps 118 denken:  „Öffnet mir die Tore zur Gerechtigkeit, damit ich eintrete, um dem Herrn zu danken. Das ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte treten hier ein.“ Der vielleicht wichtigste Text findet sich aber im Johannesevangelium, wo Christus selbst von sich sagt: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden zum Leben“ (Joh 10,6). Weiterhin spielt in diesem Bildrepertoire Petrus, und damit das Papsttum, eine Rolle. Er hat ja die Schlüssel zum Himmelreich übertragen bekommen, und daher symbolisiert er mit dem Öffnen und Schließen der heiligen Pforte die Binde- und Lösegewalt in der Kirche. Gerade diese letzte Vorstellung machte das Heilige Jahr für die Pilger so attraktiv: Nur der Papst als Türöffner konnte den vollkommenen Ablass gewähren, konnte das Jahr des Heils ausrufen, und damit dem ganzen Geschehen eine Heilsdramatik geben. „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“ dichtete Nikolaus Hermann um 1500 in dem bekannten Weihnachtslied.

Gleichzeitig mit der Pforte in der Peterskirche werden auch die heiligen Pforten in den anderen päpstlichen Basiliken geöffnet, im Lateran, in Santa Maria Maggiore und in Sankt Paul vor den Mauern. Als Rompilger besucht man nicht nur das Grab des hl. Petrus, sondern man besucht alle vier größeren Basiliken, und wer länger Zeit hat, sogar die sieben Hauptkirchen Roms auf. Ich hatte schon erwähnt, dass Bonifaz VIII. den vollkommenen Ablass an die Bedingung knüpfte, dass man an mehreren Tagen die römischen Kirchen besuchen musste. Spätere Päpste haben diese hohe Besuchspflicht von 15 Tagen für die Pilger reduziert, so dass am Ende auch nur ein einziger Tag und ein einziger Kirchenbesuch für die Gewähr des Ablasses genügte. Während der Papst die Hürden für den Ablass möglichst niedrig halten wollte, waren die Römer darüber allerdings weniger erfreut. Sie lebten gut von den Pilgern und jeder Tag mehr brachte ein wenig mehr Einkommen für die Wirte. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
 

Erinnerungen an das Heilige Jahr 2000

Das bislang letzte ordentliche Heilige Jahr fand 2000 statt. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Heilige Jahr?

Das Heilige Jahr 2000 ist stark von Johannes Paul II. geprägt gewesen. Wenn man sein ganzes Pontifikat mit allen Höhepunkten und dem, was er bewirkt hat, berücksichtigt, verstehe man gut, warum er dem Jahr 2000 ein solche Bedeutung beimaß. Er war beseelt von der Vorstellung einer besonderen Heilszeit, in der Christus die Welt umgestaltet, nicht zuletzt durch den Dienst des Papstes. Der wichtigste Aspekt war die Überwindung des sowjetischen Kommunismus und die Öffnung des Eisernen Vorhanges. Aber darüber hinaus hat Johannes Paul II. gespürt, dass die Weltkirche mit dem neuen Jahrtausend in eine neue Epoche schreitet, in der auch das Christentum seine Gestalt verändert, um effektiv an der Gestaltung der Welt mitzuwirken. Heute sprechen wir davon, dass die Kirche den Eurozentrismus überwindet und sich deutlicher den globalen Herausforderungen stellen muss. Johannes Paul II. hat sich selbst, sein ganzes Pontifikat, als Pilger in dieser Welt verstanden hat. Daher war ihm das Heilige Jahr 2000 wirklich wichtig, um Christsein als Pilgersein in Erinnerung zu rufen, aber auch um der Welt ein Gnadenjahr des Herrn zu verkünden.

Unabhängig davon, ob man eine Romwallfahrt antritt oder nicht – es soll das Heilige Jahr ja in jeder Diözese entsprechend gefeiert werden –, sind heilige Jahre für einen selbst immer auch ein Anlass, über den eigenen Lebensweg nachzudenken, und dabei nicht zu vergessen, dass einem vergeben wird, und man daher selbst auch immer großzügig vergeben soll.

 

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Die Geschichte der Heiligen Jahre

Den Wiener Kirchenhistoriker Thomas Prügl hören Sie in der Reihe „Perspektiven“ am 8. Jänner um 17:30 Uhr. 
radioklassik.at

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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