Werden wir die Wasserkrise überleben?
Industrieviertel-Akademie 2024Die diesjährige Industrieviertel-Akademie in Wiener Neustadt stand unter dem Thema „Engagiert trotz Krise – Beispiele, wie es gehen kann“. Die Theologin Anna Kontriner sowie der Hydrologe Günter Blöschl hielten die Impulsreferate. Der SONNTAG hat bei beiden nachgefragt, wie wir die Auswirkungen der Klimakrise abmildern können.
Als Hydrologe sprechen Sie von einer Wasserkrise, nicht nur weltweit, sondern auch regional. Was ist darunter zu verstehen?
Günter Blöschl: Das heißt, die Hochwasser werden größer und die Trockenheiten werden stärker. Diese Wasserkrise betrifft uns alle. Das bedeutet aber nicht, dass die Hochwasser überall zunehmen und die Dürren überall größer werden. Da gibt es regionale Unterschiede.
Was können wir gegen diese Wasserkrise tun?
Da gibt es verschiedene Instrumente in der Wasserwirtschaft. Wir können lokal Wasser sparen, weniger Wasser im Bad, im Garten, im Pool verwenden. Eine wichtige Maßnahme ist, Regenwasser für das Gießen zu sammeln und Regenwasser auf dem eigenen Grundstück versickern zu lassen. Wir können, wenn unser Haus durch das Hochwasser bedroht ist, lokale Schutzmaßnahmen ergreifen, etwa die Kellerfenster abdichten. Im Falle eines Hochwassers müssen wir vorsichtig sein und dürfen nicht in die Garage hinuntergehen, um das Auto herauszuholen, weil das sehr gefährlich ist.
Hier in Wiener Neustadt stehen wir vor einer besonderen Situation, was das Grundwasser betrifft.
In der Umgebung von Wiener Neustadt ist in den vergangenen Jahren das Grundwasser zurückgegangen. Einerseits, weil es weniger regnet, und andererseits auch, weil die Verdunstung sehr stark zugenommen hat. Die Verdunstung ist jetzt um 17 % größer, als sie noch vor 30 Jahren war, weil es wärmer geworden ist.
Mit welcher Entwicklung müssen wir in Zukunft in dieser Region rechnen?
Die Verdunstung wird weiter ansteigen, weil es auch in den nächsten Jahrzehnten wärmer werden wird. Beim Niederschlag ist es nicht so klar, ob es mehr oder weniger regnet. Man muss sich jedoch darauf einstellen, dass es häufiger zu Knappheiten von Wasser kommen wird.
Was bedeutet das für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung?
In der Landwirtschaft muss man künftig öfter bewässern. Oder man stellt auf andere Feldfrüchte um, die weniger Wasser benötigen. Bei der Trinkwasserversorgung muss man Vorsorge für Trockenwettersituationen treffen, beispielsweise durch Vernetzung mit der Wasserversorgung von benachbarten Gemeinden. Wenn bei einer Gemeinde das Wasser ausgeht, kann noch das Wasser von der Nachbargemeinde verwendet werden, wo die Situation vielleicht nicht so tragisch ist.
Wir sollten mutig sein und uns nicht fürchten
Politiker auf der ganzen Welt sprechen heute von „Grünem Wachstum“ als Königsweg aus der Klimakrise. Was bedeutet diese Botschaft?
Anna Kontriner (Theologin und Umweltaktivistin): Das heißt, wir fahren jetzt nicht mehr mit einem Benzinauto, sondern wir fahren mit einem Elektro- oder Wasserstoffauto. Propagiert wird ein ökologischer Umbau der Wirtschaft, ansonsten soll weitergemacht werden wie bisher. Die Menschen, die gerade politisch an der Macht sind – Kanzler und Minister in Europa, Chefs von großen Konzernen – wollen gerade nichts verändern. Auch wir, die wir keine politischen Ämter bekleiden, haben Macht. Diese gilt es zu nutzen. Wir müssen eine Brücke schlagen zwischen dem, was gerade politisch möglich scheint, und dem, was tatsächlich ökologisch nötig ist.
Was würde Jesus zu dieser Sache sagen?
Das weiß niemand. Aber ich denke, Jesus würde nicht einfach zuschauen, warten und den Kopf in den Sand stecken. Vor allem würde Jesus auch nicht zynisch werden. Er würde eine Brücke schlagen, damit es ein gutes Leben auch morgen noch geben kann. Eine der großen Gefahren, die wir gerade erleben, ist, dass einfach diese Herausforderung so groß ist, dass wir leichter verzweifeln. Wenn man etwas tatsächlich politisch nicht ändern kann, dann versucht man es psychologisch zu ändern, indem man es verdrängt und zynisch wird. Das machen gerade sehr viele Menschen: „Eigentlich kann man gar nichts mehr machen, es ist schon viel zu spät.“ Gegen diesen Zynismus, der um sich greift, sollten wir uns Christinnen und Christen stellen.
Was können wir als Christinnen und Christen noch tun?
Wir sollten solidarisch sein mit den Menschen, die jetzt schon sehr stark unter dieser globalen Krise leiden. Gerade diejenigen, die vorher schon arm waren, spüren diese schneller und stärker. Vor allem: Wir sollten uns nicht fürchten und mutig sein. Und wir sollten uns die Handlungsspielräume nicht nehmen lassen. Es gibt so viele unterstützenswerte Projekte. Im Nachbarort von Wiener Neustadt, in Lichtenwörth, stellen sich Menschen aktiv dagegen, dass Bauern enteignet werden für eine Umfahrungsstraße, deren Konzept aus den 1970er-Jahren stammt und die nur dazu führt, dass noch mehr zubetoniert wird.