Wer will denn noch Priester werden?
WEIHBISCHOF STEPHAN TURNOVSZKYFrage an den Brückenbauer: „Bei der Priesterweihe fragte ich einen jungen Nachbarn in der Kirche: ‚Wäre das nicht ein Lebensweg auch für dich?‘ Die prompte Antwort: ‚Der Priesterberuf ist nicht mehr attraktiv.‘ Warum?“
Mit der Attraktivität ist das so eine Sache: Die einen finden dieses, andere jenes anziehend. Tatsache ist, dass der Priesterberuf heute nicht mehr genau dasselbe zu bieten hat wie vor 50 Jahren. Das könnte aber auch eine Chance sein …
Der Priesterberuf bietet heute nicht mehr im selben Ausmaß wie früher materielle Absicherung, einen gehobenen Sozialstatus und verfügbare Ressourcen (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Finanzen). Das schränkt seine Attraktivität gewiss ein. Gerade das hat aber auch seine guten Seiten, weil es beim Priestersein doch um etwas anderes geht, oder etwa nicht?
Attraktiv ist der Beruf heute womöglich sogar mehr als früher für (junge) Männer, die Folgendes suchen und leben wollen: Ein Leben aus leidenschaftlicher Hingabe an Jesus Christus und die Menschen. Eine risikoreiche Hingabe an die Kirche im Vertrauen darauf, dass der Herr in der Kraft des Heiligen Geistes menschliche Gemeinschaft für sein Werk will und in Anspruch nimmt. Ein Leben im Dienst an den Getauften und Gefirmten, denen der Priester hilft, ihr christliches Leben zu leben als beständiges Wachsen in Glaube, Hoffnung und Liebe. Ein Leben voller Gestaltungsfreiräume, Phantasie, Lust am Wagnis und neuen Wegen. Ein Wachsen in geistlicher Vaterschaft und Weisheit. Ehelos, aber beziehungsreich. Sich selbst als Getauften und Gefirmten ernst nehmen und heilig (im besten Sinn des Wortes) werden wollen. – Klingt doch nicht unattraktiv, oder?
In Wahrheit ist diese Aufzählung für den Priesterberuf zeitlos gültig. Der Vorteil unserer Tage besteht darin, dass der Kern des Priesterseins immer mehr freigelegt und von Beiwerk befreit wird. Ich halte das für eine Chance und freue mich über jeden, der den Priesterberuf mit der skizzierten Einstellung anstrebt.
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