Was uns Tiere schenken können
Täglich kleine WunderÜber 24 Stunden stand das Therapiepferd Felicita am Krankenbett eines Kindes im Wachkoma. Ruhig und beharrlich übernahm das Tier den Atem des Kindes. Bis irgendwann das Kind den Atem des Pferdes übernahm und die Augen öffnete. Das ist nur eine der vielen wunderbaren Geschichten, die die Pferdetherapeutin Roswitha Zink zu erzählen weiß. Passiert ist dieses Wunder am Lichtblickhof am Areal des Otto-Wagner-Spitals im 14. Bezirk.
„Ich war immer daran interessiert, wie Tiere für Menschen heilsam sein können“, erzählt Zink. Mit 21 Jahren traf sie eine wichtige Entscheidung. „Ich habe einen Bauernhof gekauft und ihn mit viel harter Arbeit aufgebaut. Wir wollten einen Ort schaffen, wo der nonverbale Kontakt zwischen Menschen und Tieren passieren kann.“ Heute ist Zink 42 Jahre alt und leitet mit einem Team zwei Therapiehöfe, mehr als 5.000 Familien konnte bis heute geholfen werden.
Getragen werden
19 speziell für Therapie ausgebildete Pferde leben am Wiener Lichtblickhof. Und Hunde, Katzen, Kaninchen und Schafe. Der Verein richtet sich an schwer kranke Kinder und Jugendliche, an Unfallopfer oder an Kinder, die aus anderen Gründen traumatisiert sind. „Unsere zwölf Therapeutinnen sind mit ganzer Seele bei der Arbeit. Unser Hof ist wie ein Rastplatz zwischen den sehr kraftraubenden Krankenhausaufenthalten“, sagt Zink. Wenn Kinder gehen müssen, haben sie eine bittere Angst vor dem Ungewissen. Auf dem Rücken eines Pferdes können sie sich kurz sicher fühlen und werden getragen.
Kinder und Jugendliche, die schwer krank sind, haben ein großes Bedürfnis, sich ihren Ängsten zu stellen. Im Zusammensein mit Pferden, diesen mächtigen Tieren, die auch unberechenbar sein können, stellen sie sich ihren Ängsten. Im Zeitalter der digitalen Medien braucht dieser Direktkontakt zum Tier, dieses analoge Zusammensein manchmal auch eine Überwindung, sagt Roswitha Zink, Gründerin des Lichtblickhofs. „In der Beziehung zu den Tieren geht es um Grundlegendes. Es geht um Emotionen und Begegnung“, sagt Zink.
Abtauchen in eine Welt der Phantasie
In ihrer Therapie, in der Zusammenarbeit mit den schwer kranken Kindern und den Tieren, verwendet die Therapeutin Roswitha Zink, Gründerin des Lichtblickhofs, gern und oft Literatur als Bindeglied. Sie nimmt Bücher zur Hand, liest mit den Kindern und Jugendlichen Geschichten. Existentielle Ängste, Trauer, Wut und Zorn, die ohnmächtig machen, werden anhand von Büchern behandelt.
Eine von Roswitha Zinks Lieblingsautorinnen von Kindheit an ist Astrid Lindgren. Sie ist es, die Pferde immer wieder in ihren Geschichten vorkommen lässt. Sie greift auch das Sterben und den Tod auf. In „Mio mein Mio“ und „Die Gebrüder Löwenherz“ müssen die jungen Protagonisten sterben und kommen in ein anderes Land. Mio muss über die Brücke des Morgenlichts schreiten. „Gerade in der Trauerarbeit oder in der Abschiedsarbeit finde ich Literatur zum Anhalten und zum Darin-Versinken eine große Hilfe“, sagt Zink.