Was glaubt Österreich?
Herrchen und Frauchen Österreicher soll also mal wieder auf den religiösen Zahn gefühlt werden. „Was glaubt Österreich?“ lautet der Titel der zu Pfingsten gestarteten Sendereihe mit der sich der ORF sein religiöses Feigenblättlein zurechtrückt. Über alle Kanäle – also von Radio über Fernsehen bis ins Netz hinein – wird der ORF in den kommenden Monaten in regelmäßigen Abständen Menschen zu Wort kommen lassen und mit ihnen über die Fragen sprechen, die uns unbedingt angehen, an die wir unser Herz hängen. Glaube, Liebe, Hoffnung. Im Idealfall. Eventuell zwischendurch auch das Alleine oder das Fliegende Spaghettimonster. Wobei diese Dinge durch den Fokus auf die 16 in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften halbwegs unter Kontrolle bleiben sollten. Synkretistische Spinnereien gibt es schließlich auch in diesen 16 Gemeinschaften genug.
Das ist alles medial löblich und nett. Was mich irritiert, ist die wissenschaftliche Begleitmusik, für die der ORF offenbar die Uni Wien und dort das Forschungszentrum „Religion and Transformation in Contemporary Society“ gewinnen konnte. Die journalistischen Befragungen – und eine möglichst breite Bürgerbeteiligung – sollen Grundlage für eine Mitte 2024 zu veröffentlichende repräsentative Studie über Wert- und Glaubensvorstellungen der Bevölkerung angesichts Herausforderungen wie Digitalisierung, Säkularisierung und Pluralisierung sein. Im Akademiker-Sprech ist von einem „interdisziplinären Mixed-Methods-Projekt, das Forschung und Medienarbeit verschränkt“ die Rede. Die Befragten sollen nach ihren ORF-Interviews zusätzlich Tiefeninterviews zu Glaubens- und Wertefragen unterzogen werden.
Hört sich nach großem Besteck an. Allerdings ist das Einzige, was bislang vorliegt, ein Fragebogen der Uni Wien, den jeder und jede ausfüllen kann. Darin finden sich nicht etwa gefinkelte religionssoziologische Fragestellungen, sondern letztlich fünf Wald- und Wiesenfragen derart: „Wenn Sie über den Sinn Ihres Lebens nachdenken: Welche Ideen, Gedanken und Vorstellungen haben Sie dazu?“ Oder auch: „Bitte beschreiben Sie drei Rituale, die für Sie eine tiefere Bedeutung haben. Worin besteht diese Bedeutung?“ Da ist wohl noch Luft nach oben.
Im Übrigen: Am Freitag, dem 2. Juni können Sie das erleben – bei der „Langen Nacht der Kirchen“. Da sehen Sie vor Ort, was Menschen glauben, lieben und hoffen. Bei jeder Kirchenführung, bei jedem Orgelkonzert, bei jedem Podiumsgespräch mit einem Zusatzbonus: live und in Farbe.