Warum Josef der Held der Arbeiter ist
HirtenhundDer 1. Mai steht vor der Tür. Und damit nicht nur die Rückkehr des Sommers, sondern auch der Tag der Arbeit mit Maiaufmärschen, dem traditionsreichen Umzug über die Ringstraße und Festreden. Seit 1890 eine Tradition in Wien – wenngleich mit schwankenden Erfolgsangaben: Von 120.000 Teilnehmern sprachen vor wenigen Jahren noch die Sozialdemokraten, von 2.000 zuletzt die Polizei. Mir tut dieser Niedergang weh und leid. Nicht, weil ich einem sozialromantisch verklärten Arbeiterbild anhänge, sondern weil der Arbeiter das eigentliche Urbild des Christen ist. Jesus war ein solcher. Ein Bauhandwerker wie sein Vater Josef, der als Heiliger der Handwerker, Zimmerleute, Schreiner, aber auch der Ingenieure, Erzieher, Pioniere, Reisenden, Sterbenden und Verbannten gilt. Außerdem soll er bei Augenleiden, bei Verzweiflung und Wohnungsnot helfen. Also ein Heiliger für „eh ois“. Übrigens soll er auch als „Kämpfer gegen den Kommunismus“ gute himmlische Dienste geleistet haben. Was ihn wiederum ein wenig dem 1. Mai entfremdet.
Worauf ich aber hinaus möchte: Josef ist ein Heiliger, ohne den nix geht, aber der damit nicht hausieren geht. „Der heilige Josef erinnert uns daran, dass all jene, die scheinbar im Verborgenen oder in der ‚zweiten Reihe‘ stehen, in der Heilsgeschichte eine unvergleichliche Hauptrolle spielen“, so Papst Franziskus in seinem Schreiben „Patris corde“. Ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn. Und es sind diese Arbeiter, die – am besten mit einem Hirtenhund an ihrer Seite – dort nicht nur Wein lesen, sondern für das stehen, was „gute Arbeit“ meint: eine Arbeit, die nicht nur dem Lebenserwerb dient, sondern die als sinnstiftend erlebt wird, die Partizipation und Anerkennung ermöglicht. Es sind Menschen wie Josef, auf denen meine Hoffnung ruht. Die Hoffnung auf eine neue Authentizität „meiner“ Kirche ebenso wie die Hoffnung auf eine Revolution auf leisen Sohlen, Pardon, Pfoten. Die Revolution des Guten und Gerechten, für die der einfache Mann aus Nazaret steht. Der heilige Josef also als biblischer linker Spinner, der am Ende noch für Grundeinkommen und Gratis-Öffis eintritt? Das überspannt den Bogen wohl etwas …
Übrigens brauchen wir die Josefs nicht nur am 1. Mai, sondern dringend auch wieder im Herbst. Denn dann steht die nächste Weinlese an. Und wann merkt es der Wiener mehr als beim Wein, wenn die einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn fehlen? Wer also am 1. Mai nicht mitmarschiert, kann alternativ mit einem Heurigenbesuch ein Zeichen christlich-sozialer Wertschätzung der einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn setzen.