Wahrhaft auferstanden
Meinung
Abt Gregor war ein „Reichsgraf“. Manche Menschen werden sonderbar und erstarren, wenn sie Adeligen begegnen, aus Respekt, Ehrfurcht oder Eifersucht… Ich nicht. Weil ich bis zu meinem Ordenseintritt gar nicht wusste, dass es noch Adelige gibt. Freilich, als ich Pater Gregor bei meinem ersten Klosteraufenthalt mit 18 kennenlernte, fiel mir nicht nur sein wuchtiger Bart auf, sondern auch seine Ausstrahlung war wuchtig! Irgendwie fühlte man sich ein „gehoben“, wenn er einen in eine Konversation verstrickte. Er saß damals im barocken Speisesaal neben mir und erklärte mir die Deckenfresken. Dann schmunzelte er und sagte: „Schauen Sie ruhig hinauf, - wenn Sie eintreten sollten, werden sie sehr bald nur mehr auf den Teller schauen, was es zu essen gibt!“
Pater Gregor hat durch seinen Eintritt kosmopolitische Weite in das verborgene Wienerwaldkloster gebracht, in dem seit josephinischen Zeiten die Seelsorge in den kleinen Stiftspfarren die Hauptaufgabe war. Im Kloster lebten nur die Jungen in Ausbildung und die Oberen und waren sehr „monastisch“. Die Oberen konnten den „Grafen“ nicht so richtig einordnen und gaben ihm nach der Priesterweihe nur kleine Aufgaben, etwas Firmhelfer in Gaaden... Als das Stift Rein durch die Eskapaden eines Abtes in eine Existenzkrise geriet, wurde Pater Gregor von Rom als Prior eingesetzt. Seine Aufgabe war weniger die Sanierung der Finanzen, sondern die Heilung der Gemeinschaft. Man hat ihn als Boxsack gebraucht. Und er konnte tatsächlich auf noble Weise jede Belastung, jede Intrige, jede Beleidigung schlucken. Als 1994 Weihbischof Florian Kuntner nach einer Afrikareise im Amt als Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke starb, musste Abt Gregor übernehmen. Heikel. Der charismatische Kuntner hatte Begeisterung für die Weltkirche ausgelöst, Missio boomte mit 230 Millionen Schilling an Spendeneinnahmen, 8.600 Priesterpatenschaften usw. Abt Gregor hat mir einmal nur dezent angedeutet, dass diese 5 Jahre für ihn ein Martyrium waren. Er habe von hoher Stelle der österreichischen Kirche den Auftrag erhalten, „Missio wieder runterzufahren“. Das hat er Gott-sei-Dank nicht getan. 1998 ernannte ihn Rom zum Generalsekretär der Päpstlichen Missionswerke und wollte ihn in den Vatikan holen. Wir konnten ihn Gott-sei-Dank davor bewahren und wählten ihn am 11. Februar 1999 zum Abt. In Rom wäre er zwar ziemlich sicher Erzbischof und Kardinal geworden, - doch dann wäre Heiligenkreuz nicht Heiligenkreuz geworden!
Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck
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Starke Persönlichkeit
Als Abt setzte er sofort den alten Plan von Bischof Kuntner um, auf Sri Lanka ein Zisterzienserkloster zu initiieren. Es war zäh, aber es gelang. „Dort ist unsere Zukunft“, hat er immer gesagt. Heute boom „Stella Maris“ bei Negombo mit vielen Novizen und Kandidaten. Endlich hat das Land mit seiner großen Wertschätzung für buddhistisches Mönchtum auch christliche Mönche! Abt Gregor war starke Persönlichkeit und deshalb völlig eifersuchtsfrei. Darum hat er andere Starke nicht niedergehalten, sondern gefördert. Und wie! Er verteilte Verantwortungen, nicht Aufgaben. So setzte er unseren heutigen Abt Maximilian Heim zum Prior eingesetzt, gab ihm dann im Priorat Bochum-Stiepel freie Hand und baute ihn so zum Nachfolger auf. Was mich selbst betrifft, der ich wohl für jeden Oberen mit meiner Kreativität schwer zu verdauen bin, so hat er mich mit Ämtern überhäuft. Was für mich reine Freude und Ehre war! Er gab sich nicht der Optativsucht hin, die heutigen Kirchenfrust auszeichnet: „Man müsste, man könnte, man sollte…“ Als ich ihm etwa vorwurfsvoll sagte: „Heiligenkreuz stirbt aus, weil wir hier keine Angebote für Jugendliche haben!“, legte er mir einfach die Hand auf die Schulter und sagte sonor: „Gut, dann ernenne ich dich hiermit zum Jugendseelsorger des Klosters.“ „Jugendseelsorger“ ist kein Amt, das die Benediktsregel vorsieht. Doch gerade die Jugendpastoral im Kloster - samt „Geistlicher Kraftsportwochen“ im klösterlichen Sportraum – hat viele Berufungen gebracht.
Österlicher Witz
Ab 2007 ging es dann Schlag auf Schlag: jedes Jahr im Schnitt 5 Eintritte, die 1802 gegründete kleine Ordenshochschule wird päpstlich mit über 300 Studenten, der Papst kommt 2007 auf Besuch, eine Choral CD macht Heiligenkreuz weltberühmt… Er erlaubte mir und Pater Philipp-Neri, in die „Wetten dass“ Show zu gehen. Doch als ich ihm atemlos die Nachricht brachte, dass unsere CD „Chant – Music for Paradise“ nach nur 2 Wochen in England „Gold“ erreicht hatte und wir in den Top den Pop-Charts gelandet sind, antwortete er: „Pater Karl, bitte belästige mir auf keinen Fall unsere Gemeinschaft mit solchen Oberflächlichkeiten.“ Ach hätten wir in der Kirche doch viele solcher Führungspersönlichkeiten! Oft sagte er: „Pater Karl, bitte mache das so, dass ich es dir erlauben kann.“
Abt Gregor ist am Ostersonntag gestorben, sein Wahlspruch war: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden.“ Sein Wappen zeigt einen Löwen, der aus dem Grab kommt. Welche Fügung! Durch ihn habe ich verstanden, dass „Adel“ von „edel“ kommt. Ruhe in Frieden!
Zu Gregor Henckel-Donnersmarck
Gregor Henckel-Donnersmarck stammte aus der schlesischen Familie Henckel von Donnersmarck und war der jüngste Sohn von Friedrich-Carl Graf Henckel von Donnersmarck (1905–1989) und dessen Frau Anna-Ilse von Zitzewitz (1910–1996). Seine Familie flüchtete mit ihm aus Schlesien, bedroht vom Vormarsch der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg, zunächst nach Bayern, wo sie sich für fünf Jahre niederließen. Anschließend übersiedelten sie endgültig nach Kärnten in Österreich. Er war der einzige Bruder des Rechts- und Staatswissenschaftlers Leo-Ferdinand Graf Henckel von Donnersmarck.
Am 22. April 2021 gab das Stift Klosterneuburg bekannt, dass die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens auf Antrag des Päpstlichen Delegaten, Bischof Josef Clemens mit Dekret vom 19. April 2021 Gregor Henckel Donnersmarck zu seinem Administrator ernannt habe. Unmittelbar vor dem Amtsantritt am 2. Mai 2021, mit dem er alle Funktionen des Stiftsdechanten übernommen hätte, zog Donnersmarck seine Zusage jedoch aus gesundheitlichen Gründen zurück. Am 20. April 2025 verstarb Henckel-Donnersmarck nach Angaben des Stiftes Heiligenkreuz an einer Krebserkrankung.
Zur Person:
Pater Doktor Karl Wallner wurde von Abt Gregor 1999 zum Dekan der Hochschule berufen und damit beauftragt, die Erhebung zur Hochschule päpstlichen Rechtes zu beantragen und dann als Gründungsrektor umzusetzen. Unter Abt Gregor war er für die Jugendseelsorge, für die Öffentlichkeitsarbeit, für die Organisation des Papstbesuches und als Zeremoniär für die Klosterliturgie zuständig. 2016 wurde er zum Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke ernannt.
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