Verwurzelt sein, Frucht bringen
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8. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C – 30. Februar 2025
Die Wahrnehmungspsychologie zeigt es: Wir brauchen ungefähr eine Zehntelsekunde, um uns einen ersten Eindruck von einer Person zu verschaffen und sie einzuordnen. Wir beurteilen also sehr schnell. Aus Sicht der Evolution ist diese Fähigkeit überlebenswichtig, mussten sich unsere Vorfahren doch rasch orientieren, wenn sie neuen Menschen begegneten. In der Welt von Social Media ist die Tendenz extrem ausgeprägt: Ein Blick – gefällt mir nicht – wischʼ ich weg. Das Gegenüber hat keine Chance.
In diese Situation hinein spricht das Evangelium eine klare Sprache. Das „Richtet nicht!“ und „Verurteilt nicht!“ vom letzten Sonntag wird diese Woche verfeinert. Die Bilder, die Jesus dafür wählt, waren damals eingängig und sind heute noch für jeden verständlich. Splitter und Balken, morsche und gesunde Bäume, Dornen und Früchte.
Zwei Gedanken dazu möchte ich in die Mitte stellen: Jesus nimmt uns mit diesen Beispielen das Instrument, uns besser zu fühlen als die anderen. Wir haben kein Recht, uns über Menschen zu stellen und Macht auszuüben. Wir haben selber Balken in den Augen. Das heißt Machtverlust – und der kann ärgerlich machen, die Pharisäer damals und Machthabende heute. Die Forderung ist freilich unmissverständlich. Zugleich legt Jesus eine neue Messlatte an: die der Barmherzigkeit. Man darf von Disteln nicht erwarten, dass sie Feigen tragen, aber sehr wohl, dass sie ihrer Art entsprechend gedeihen. Jesus verlangt nicht, dass ich etwas erfülle, was ich sowieso nicht schaffe. Er bietet mir an, mich der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen. Dann wird mein Herz von Gott erfüllt sein und mein Mund vor Freude übergehen.
1. Lesung Jesus Sirach 27,4–7
Prüfe, bevor du lobst!
Im Sieb bleibt, wenn man es schüttelt, der Abfall zurück; so entdeckt man den Unrat eines Menschen in seinem Denken. Der Brennofen prüft Töpferware und die Erprobung des Menschen geschieht in der Auseinandersetzung mit ihm. Den guten Boden eines Baumes bringt seine Frucht zum Vorschein; so das Wort die Gedanken des Herzens. Lobe keinen Menschen, ehe du nachgedacht hast; denn das ist die Prüfung für jeden!
2. Lesung 1 Korínther 15,54–58
Im Herrn ist eure Mühe nicht vergeblich.
Schwestern und Brüder!
Wenn sich dieses Verwesliche mit Unverweslichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch unseren Herrn Jesus Christus. Daher, meine geliebten Brüder und Schwestern, seid standhaft und unerschütterlich, seid stets voll Eifer im Werk des Herrn und denkt daran, dass im Herrn eure Mühe nicht vergeblich ist!
Aus Psalm 92
Gut ist es, dem Herrn zu danken,
deinem Namen, du Höchster,
zu singen und zu spielen,
am Morgen deine Huld zu verkünden
und in den Nächten deine Treue.
Der Gerechte sprießt wie die Palme,
er wächst wie die Zeder des Libanon.
Gepflanzt im Hause des Herrn,
sprießen sie in den Höfen unseres Gottes.
Sie tragen Frucht noch im Alter
und bleiben voll Saft und Frische;
sie verkünden: Der Herr ist redlich,
mein Fels! An ihm ist kein Unrecht.
Evangelium Lukas 6,39–45
Schau zuerst auf deine Grenzen.
In jener Zeit sprach Jesus in Gleichnissen zu seinen Jüngern: Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen? Ein Jünger steht nicht über dem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen!, während du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen. Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte bringt. Denn jeden Baum erkennt man an seinen Früchten: Von den Disteln pflückt man keine Feigen und vom Dornstrauch erntet man keine Trauben. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor. Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund.
Quelle: Lektionar für die Bistümer des deutschen Sprachgebiets. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Band I: Die Sonntage und Festtage im Lesejahr C, Freiburg u. a. 2018. © staeko.net