Vatikan lockert Regeln für übernatürliche Phänomene
HirtenhundMaria dürfte in den nächsten Jahren wieder viel zu tun bekommen. Wenn man dem Urteil nüchterner Historiker glaubt, sind nämlich gerade Krisenjahre besonders „produktive“ Jahre im Blick auf Marienerscheinungen. Der Vatikan hat nun vorgebaut und seine Regeln für die Beurteilung übernatürlicher Phänomene „vereinfacht und flexibler geregelt“, lese ich. Der zuständige Ortsbischof muss nun nicht mehr entscheiden, ob es sich bei behaupteten Erscheinungen tatsächlich um übernatürliche Phänomene handelt – es genügt, „pragmatisch“ zu entscheiden, ob er für die Wallfahrten und Gottesdienste an einem angeblichen Erscheinungsort ein „nihil obstat“, also eine kirchliche Erlaubnis, erteilt.
„Pragmatisch“ – ein seltenes Wort aus kirchlichem Mund. Ich stelle mir vor, einem der entrückten „Swifties“, also einem Fan der göttinnengleich verehrten Sängerin Taylor Swift, erscheint „die Taylor“ plötzlich im Traum und erteilt dem halluzinogen Erhellten verschiedene Botschaften. Etwa jene, monatlich einen „Taylor-Swift-Gottesdienst“ zu feiern. Innerhalb kürzester Zeit werden hunderte Fans aus der Region diesem Ruf folgen. Es entsteht ein Holy-Swift-Kult; Konzerttickets und USB-Sticks mit Swift-Bootlegs werden wie Reliquien gehandelt – und ein Konzertbesucher bestätigt die Heilung vom Gabalier-Virus!
Bislang konnte sich ein Anerkennungsverfahren über Jahrzehnte hinziehen. Mit den neuen Vatikan-Regeln genügt der „pragmatische“ bischöfliche Entscheid. Und wer ist er, sich pragmatischen Gründen entgegenzustellen? Die Taylor in der Kirche singt, der Taler in der Kasse klingt. Wer im Übrigen glaubt, das ist alles meinem kranken Hundehirn entsprungen, der irrt: Es gab zuletzt in Heidelberg einen „Taylor-Swift-Gottesdienst“ – und der Gruppe der „Swifties“ wird wirtschaftlicher und politischer Einfluss attestiert.
Natürlich unterlaufe ich damit jeglichen Stand der Theologie – die nämlich völlig zurecht zwischen Privatoffenbarungen und Offenbarung trennt – und auch jeglichen Sensus für den Sensus fidelium, also jedes Gespür für die Bedürfnisse einer sich nach Zeichen des Heils sehnenden Volksfrömmigkeit. Daher stelle ich mich gern als alternatives Holy-Role-Model zur Verfügung. Ich garantiere regelmäßige seriöse Erscheinungsformen – wöchentlich auf Papier; und ich gelobe, auf jegliche wohlwollende Zuwendung entsprechend wohlwollend zu reagieren und mich für das Wohl der Herde einzusetzen. Welcher Bischof würde mir da aus pragmatischen Gründen wohl die Anerkennung versagen …?