Unterwegs in der Pfarre Maria Rotunda
Pralles Leben an jeder EckePater Markus Langer wartet am Eck des beeindruckenden Klosterkomplexes der Dominikaner in der Postgasse. Der jugendlich wirkende Pfarrprovisor ist ein Zugereister, er stammt aus der nordischen Hansestadt Bremen, wo er in einer katholischen Familie aufgewachsen ist. P. Markus war der Oberministrant in seiner Pfarre, die wenig gemein hat mit der Stadtpfarre Maria Rotunda. Hier in Wien will er weiter hineinwachsen. Zu viele Lockdowns gab es in den eineinhalb Jahren, zu wenig Kontakte, die der 55-Jährige hätte aufbauen können.. Im Dominikanerkonvent leben derzeit zehn Mitbrüder. Für die Pfarre ist P. Markus aber praktisch alleine zuständig. Dafür kennt er schon viele interessante Orte, die er beim rund einstündigen Rundgang zeigt.
Ort der Stille abseits des Trubels
Ein erster echter Geheimtipp befindet sich neben dem hochbarocken Ensemble auf dem Ignaz-Seipel-Platz mit der Fassade der Akademie der Wissenschaften und der Jesuitenkirche. Im öffentlich zugänglichen Hof hinter dem Provinzialat ist eine Grünoase versteckt. Ein Moment der Stille, denn „Ruhe gibt es überhaupt wenig“, sagt P. Markus. Dazu sind hier viel zu viele Hotspots für Touristengruppen wie das belebte Lugeck, zahlreiche Boutiquen und Baustellen.
Rosenkranzgebet im Mittelpunkt
„In der Nachbarschaft der Pfarrkirche gibt es ein richtiges Zentrum der Orthodoxie“, bemerkt P. Markus und weist auf die Kuppel der Kathedrale zur Heiligsten Dreifaltigkeit am Fleischmarkt. Aber auch die Buddhisten haben ihre Zentrale in der historischen Gasse. Was P. Markus schmerzt, ist die bekannte Abtreibungsklinik in seinem Pfarrgebiet: „Das ist ein trauriger Ort.“ Die Gegner der Abtreibung, die immer wieder für Aufsehen und negative Kommentare sorgen, empfindet er als gar nicht störend: „Ein Mann betet immer sehr ruhig vor der Klinik“, sagt der Dominikaner. Sein Orden hat maßgeblich zur Verbreitung des Rosenkranzgebets beigetragen, auch das Altarbild in Maria Rotunda zeigt die Szene, als Maria Ordensgründer Dominikus den Rosenkranz überreicht. Die Szene entstammt freilich einer Legende des 15. Jahrhunderts. „Zu Dominikus‘ Zeiten gab es den Rosenkranz in der Form noch gar nicht“, so Pater Markus, „und doch drückt das Bild aus, dass dem Dominikanerorden die Verbreitung dieser Gebetsform anvertraut ist.“ Das Patrozinium wird am Rosenkranzfest, dem 7. Oktober, gefeiert. P. Markus geht heute im weißen Habit mit Kapuze durch die Stadt, sein langer Rosenkranz hat große Holzperlen: „Ich bemühe mich, täglich den Rosenkranz zu beten.“
Danke für die Predigt
Was die Pfarrseelsorge betrifft, setzt P. Markus auf ein Repertoire verschiedener Glaubenskurse, zu denen Interessierte sogar von außerhalb von Wien kommen. Überhaupt stammen die Gläubigen in seiner Kirche zum größten Teil nicht aus dem kleinen Grätzel. Die Mitfeiernden schätzen die Dominikaner, die nicht nur ein Bettel-, sondern auch ein Predigerorden sind. „Immer wieder danken mir Leute nach der Messe für die Predigt“, freut sich der Pfarrprovisor. In seiner Arbeit hat er zwar einen Pfarrgemeinderat zur Seite, die Alltagspflichten aber muss er so manches Mal alleine stemmen.
Maria Rotunda
Auf Initiative von Kaiser Joseph II. wurde 1783 die Pfarre Maria Rotunda gegründet. Die frisch renovierte frühbarocke Kirche ist zugleich Pfarr- und Klosterkirche des Dominikanerordens. 1927 wurde sie zur Basilica minor erhoben. In der kleinen Pfarre leben 700 Katholikinnen und Katholiken. In der Gemeinde engagieren sich Gläubige aus ganz Wien. Im Pfarrgebiet sind weitere Orden tätig: Die Jesuiten haben hier ihren Ordenssitz sowie die griechisch-katholische Zentralpfarre St. Barbara, die durch die Ukraine-Hilfe einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Die Bernardikapelle im Heiligenkreuzerhof wird von den Zisterziensern betreut. Die griechisch-orthodoxe Kirche hat ihre Standorte am Fleischmarkt und in der Griechengasse.
Zwischen Kultur, Politik und Demos
Der Rundgang hat noch weitere Highlights: Es geht vorbei an Theatern, dem Donaukanal bis zur Urania. In der Vormittagssonne quert P. Markus den Franz-Josefs-Kai, rechter Hand am ehemaligen Kriegsministerium. Entlang des Wienflusses führt der Weg bis zur Universität für angewandte Kunst und zum MAK. Über dem Ring befindet sich ein kontroversiell diskutierter Ort: das Denkmal des populistischen Bürgermeisters Karl Lueger (1844–1910), dem heute sein Antisemitismus vorgeworfen wird. Was P. Markus nicht versteht: „Warum sind die dargestellten Bürgerinnen und Bürger angeschmiert und nicht die Statue des Bürgermeisters?“ P. Markus sieht von seinem Fenster aus dem Kloster auf den Platz, auf jeden Umzug, jede Demonstration, egal welcher Intention. Erholung von dem Trubel bekommt er im Wienerwald oder auf Radtouren. Überhaupt ist er gerne in der Natur.
Letzte Ruhestätte einer Kaiserin
Die findet sich auch im Klostergarten auf der Dominikanerbastei, einem der letzten Reste der alten Stadtmauer. P. Markus biegt in die Predigergasse ein, die nach dem Dominikanerorden benannt ist. Hier geht es zur Krypta. Der Zugang ist nicht öffentlich. Die verstorbenen Mitbrüder sind hier beigesetzt. Außerdem hat Kaiserin Claudia Felicitas (1653–1673) ihre letzte Ruhestätte unter der Dominikanerkirche gefunden. P. Markus ist die jung verstorbene Kaiserin sympathisch, und er lädt zum Gebet an ihrem Sarkophag ein. Der Weg endet in der Pfarrkirche Maria Rotunda, mit der sich P. Markus immer mehr anfreundet. Ist ihm hier zu viel Barockes? „Nicht mehr“, lacht er und sagt, dass die Ausstattung mit ihren zahlreichen Darstellungen bei der Erstkommunion-Vorbereitung gut passt, denn „wir sehen schon hier die Freude des Himmels.“ Kein schlechter Abschluss für die diverse Pfarre, wo sich das ganze Leben abspielt.