Unerkannter Verfasser
Franz Gabmayer zählt zu den ältesten Lesern des SONNTAG, ist er doch bereits 98 (!) Jahre alt. Er hat uns folgende Episode erzählt. Es ist schon eine längere Zeit her, da gab es in einem Dorf des Weinviertels eine Visitation. Der Bischof unterhielt sich jeweils mit der Jugend, mit den Frauen und zuletzt auch gesellig in einem Gasthaus mit den Männern. Unter anderem fragte er die Runde, wie sie so mit ihrem Pfarrer zufrieden seien. Zu seiner Freude hörte er hauptsächlich Positives über ihn. Einer allerdings hatte eine Kritik anzubringen: „Manchmal predigt er zu lang, und wenn ihm gar nichts einfällt, dann kommt er mit so einem depperten Hirtenbrief daher und liest ihn vor.“ Es ist allerdings nicht überliefert, wie der Bischof darauf reagiert hat – war er doch selbst der Verfasser der „depperten“ Hirtenbriefe!
Stichwort Hirtenbrief
Hirtenbriefe haben eine lange Tradition, wenn man schon die Briefe der Apostel Paulus und Petrus an die ersten christlichen Gemeinden als solche betrachtet. Der erste Bischofsbrief der Neuzeit wurde zu Ostern an die Gläubigen im Erzbistum Mailand geschrieben. Autor war der damalige Erzbischof, der später heiliggesprochene Karl Borromäus (1538–1584). Im deutschen Sprachraum entwickelten sich später Advent- und Fastenhirtenbriefe. Inhaltlich können sie belehren oder auch zu ethischen, gesellschaftspolitischen oder seelsorglichen Fragen Stellung nehmen. Durch die zahlreichen, vor allem digitalen, Informationskanäle, haben Hirtenbriefe als Kommunikationsmittel mit den Gläubigen heute weniger Bedeutung. Das letzte Hirtenwort der österreichischen Bischöfe wurde übrigens 2021 zum synodalen Prozess veröffentlicht. Kardinal Schönborn schrieb 2015 einen Hirtenbrief zu den Entwicklungsräumen in der Erzdiözese Wien.
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