Trump als Ikone?
LeitartikelDiese Woche beschäftigen wir uns mit zwei Männern, die durch ihr Engagement den Tod fanden: Engelbert Dollfuß und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der eine führte eine Kanzlerdiktatur mit der Absicht Österreich vor Nazi-Deutschland zu retten, der andere wagte den Tyrannenmord und scheiterte.
Nazi-Deutschland blieb weitere zehn Monate bestehen, bevor es in Schutt und Asche lag. Ersterer sorgt noch immer für heftige Diskussionen im historischen und politischen Diskurs. Ursprünglich sollte der tief gläubige Dollfuß als Lichtgestalt promoted werden, was nicht recht funktioniert hat. Erlösergestalten lösen in mir überhaupt oft Skepsis aus, ganz besonders wenn es sich um Politiker handelt. Und dann gibt es Bilder, die im kollektiven Gedächtnis vorhanden sind.
Das Bild des blutenden Donald Trump
Diese Woche ist es um ein Bild erweitert. Der blutende Donald Trump streckt Sekunden nach dem Attentatsversuch seine Faust nach oben und ruft: „Kämpft! Kämpft! Kämpft!“ Der polternde Ex-Präsident als Märtyrer, der durch Gottes Hilfe überlebt – dieses Bild erscheint mir wenig stimmig. Trump selbst sagte zur Boulevardzeitung „New York Post“: „Durch Glück oder durch Gott - und viele Leute sagen, es war Gottes Werk - bin ich noch hier.“ Gott zu beschwören, halte ich in diesem Zusammenhang doch für unangebracht.
Ikonische Szene statt Trump
Da ist mir eine andere ikonische Szene lieber: Der wieder zum Mut gefundene Wiener Erzbischof, Kardinal Theodor Innitzer, rief der Jugend beim Rosenkranzfest 1938 im Stephansdom zu: „Christus sei euer Führer!“ Es war die einzige öffentliche Demonstration gegen das NS-Regime. Am nächsten Tag stürmte die Hitlerjugend das Erzbischöfliche Palais und stach auf das Bild des gekreuzigten Jesus ein. Bis heute wurde das Bild nicht restauriert. Gut, dass wir dieses ikonische Mahnmal aufbewahren, meint Ihre
Sophie Lauringer
Chefredakteurin des SONNTAG