"Trotz Erblindung gibt mir Gott Kraft"

Glaubenszeugnis
Ausgabe Nr. 10
  • Spiritualität
Autor:
Trotz aller Widrigkeiten ist Brigitte Berger ein positiver Mensch geblieben. ©privat

Brigitte Berger erblindete vor neun Jahren. Die ehemalige Volksschullehrerin aus der Seestadt Aspern musste lernen, mit ihrer Verzweiflung umzugehen – und sich in ihrem Alltag neu zurechtzufinden.

Als Baby litt Brigitte Berger an einer Netzhauterkrankung. Sie erblindete auf dem linken Auge und trug auf dem rechten Auge reduziertes Sehvermögen davon. Über fünfundvierzig Jahre später führte eine erneute Augenerkrankung dazu, dass die heute 54-Jährige gar nicht mehr sehen kann.

Werbung

Brigitte, vor neun Jahren verabschiedete sich dein Sehvermögen innerhalb kürzester Zeit fast zur Gänze. Was war passiert?

Ich litt an einer sehr seltenen Netzhauterkrankung, die eigentlich fast ausschließlich Männer betrifft. Trotz Laserbehandlungen verschlechterte sich mein Zustand. Im November 2016 musste ich noch einmal ins Spital. Da lag ich im Krankenhausbett und schaute aus dem Fenster, während die Dunkelheit von Stunde zu Stunde zunahm. Die Ärzte versuchten alle möglichen Therapien. Ich unterzog mich auch einer riskanten Operation, die mir zumindest Restsehvermögen zurückbrachte. 2020 verschwand allerdings auch das. Was blieb, war etwas Lichtempfindlichkeit – bis heute.

Du schilderst das alles sehr nüchtern. Wie erging es dir emotional während dieser Zeit?

Die Stunden im Krankenhaus, in denen mein Sehvermögen so rasant zurückging, waren sehr dramatisch für mich, die Zeit danach war schwer. Es zog mir den Boden unter den Füßen weg. Was mir geholfen hat? Die psychologische Unterstützung im Spital und die Krankenhausseelsorge. Jeden Tag besuchten mich die Seelsorger und brachten mir die Kommunion. Die Kommunion war mir immer schon sehr wichtig, in dieser Zeit wurde sie mir besonders wertvoll. Ich merkte: Es ist mir unmöglich, auszudrücken, was ich empfinde. Was mir blieb, war, all meinen Schmerz und meine Trauer in die Begegnung mit Jesus in der Eucharistie hineinzulegen, ohne große Worte.

Du musstest deinen Job aufgeben und dein Leben komplett umstellen.

Es war für mich ein großer Schlag, in Frühpension geschickt zu werden. Denn meine Arbeit als Volksschullehrerin habe ich immer sehr geliebt! So musste ich also lernen, mit der Situation umzugehen. Schon im Spital startete ich mit dem Mobilitätstraining. Ich lernte zunächst, vom Bett auf die Toilette zu gehen, später, mir in meiner Wohnung Tee zu kochen und mit dem Blindenstock kleine Wege zurückzulegen. Das half mir sehr, mich wieder ins Leben zurückzukämpfen, und ich erhielt Stück für Stück etwas Selbstständigkeit zurück. Auch das Erlernen der Blindenschrift hat mir neue Perspektiven eröffnet. Ich kann jetzt zum Beispiel am Computer schreiben und anschließend den Text mit Blindenschrift kontrollieren.

„Ich wusste: Gott hält all das aus, ich kann ihm alles sagen.“

Brigitte Berger

 

Hast du jemals mit Gott gehadert?

Ja, natürlich. Ich habe ihn gefragt, warum gerade mir das passiert. Warum ich meinen Beruf, den ich so gern hatte, aufgeben musste – wo er doch so sinnvoll ist. Ich wusste aber auch: Gott hält all das aus, ich kann ihm alles sagen. Gleichzeitig bekam ich viel Kraft von ihm. Er ist ein Gott, der mich liebt – an diesem Bild von Gott habe ich mich festgehalten.

 

Wie sieht dein Leben heute aus?

Ich bin immer noch dabei, zu lernen, neue Wege mit dem Blindenstock zu gehen. Und ich habe mir neue Aufgaben gefunden: In der Gemeinde Edith Stein hier in der Seestadt Aspern kann ich mich einbringen und arbeite derzeit zum Beispiel bei der Erstkommunionvorbereitung mit. Und in der Volksschule in der Nähe unterstütze ich Kinder als Lesepatin.

Wie muss man sich das vorstellen? Du siehst ja nicht, was das Kind gerade liest.

Ich höre sehr gut, was mir die Kinder vorlesen. Wenn ich nicht sicher bin, bitte ich das Kind, mir das Wort zu buchstabieren. In der ersten Klasse bitte ich es, mir den Buchstaben in die Hand zu schreiben. So kann ich die Texte gut kontrollieren. Für mich ist das ein wunderschöner Dienst.

Schlagwörter
Autor:
  • Sandra Lobnig
Werbung

Neueste Beiträge

| Heiligenschein
Wiens Stadtpatron

Wöchentliche Heilige, vorgestellt von Bernadette Spitzer.

| Österreich
Wiedereintritt in die Kirche

Nach St. Pölten erleichtert auch in Eisenstadt und Feldkirch ein eigenes Online-Portal die Rückkehr nach dem Kirchenaustritt - in Innsbruck wird Möglichkeit demnächst geschaffen.

| Soziales
In Memoriam

Die frühere ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder ist in der Nacht auf Freitag, den 14. März 2025, im Alter von 69 Jahren verstorben, wie religion.orf.at am Freitag berichtete. Wir bringen daher im Andenken an die Journalistin ein Interview mit ihr mit dem SONNTAG aus dem Jahr 2020.