„Frauenquote in kirchlichen Diensten“

Die Bischofssynode in Rom
Ausgabe Nr. 40
  • Weltkirche
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Die Synode 2023 sorgte für eine neue Gesprächskultur in der Kirche.
Die Synode 2023 sorgte für eine neue Gesprächskultur in der Kirche. ©istock/Beispielbild
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Sie ist eine von rund 30 theologischen Beraterinnen und Beratern bei der zweiten Sitzungsperiode der Bischofssynode im Oktober in Rom: Klara-Antonia Csiszar, Dekanin und Vizerektorin der Katholischen Privat-Universität Linz.

Im ausführlichen Gespräch mit dem SONNTAG erklärt die Linzer Pastoraltheologin, warum schon bei der ersten Sitzungsperiode der Bischofssynode im Oktober 2023 das aufmerksame und nicht wertende Aufeinander-Hören so entscheidend zum Gelingen beigetragen hat.  

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Was machen Sie konkret bei der Bischofssynode?

KLARA-ANTONIA CSISZAR: In die Vorarbeit war ich nicht involviert, meine Arbeit beginnt wieder, wie letztes Jahr, in Rom. Ich bin bei allen Generalkongregationen dabei, zwischendurch schreiben wir entweder theologische Texte zu Themen, womit wir beauftragt werden, oder wir lesen die Gruppenberichte und fassen diese so zusammen, dass die Verfasser des Enddokumentes gute und den Tischgesprächen treue Texte bekommen. Meistens arbeiten wir auch dann, wenn alle andere Pause oder einen freien Tag haben. Selbstverständlich stehen wir auch für theologische Beratungen jederzeit zur Verfügung. Diesmal wird es auch vier theologisch-praktische Abende geben, vor allem für die Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer, aber auch für die Presse oder für alle Interessierten. Ich werde zwei solche Abende moderieren, an denen drei Referate - ein Referat aus dem Bereich der Theologie, ein Referat aus dem Bereich der Praxis und ein Referat aus dem Bereich des Kirchenrechts gehört werden. Dazu gibt es dann ein kurzes Gespräch. Bei den zwei Abenden, die ich moderieren werde, geht es zum einen um das Thema Mission und zum anderen um den päpstlichen Primat in einer synodalen Kirche.

 

Bischofssynode: Neuer Stil in der Kirche?

Ist Synodalität so etwas wie ein neuer Stil in der Kirche?

Ja, weil es darum geht, wie wir auf Augenhöhe miteinander sprechen, Kirche denken und wie wir versuchen, mit Partizipation von vielen Entscheidungen zu treffen. In Österreich funktionieren die Gremien mehr oder weniger im Vergleich etwa zu Osteuropa, wo die Entscheidungen einfach in der Hand eines Priesters oder eines Bischofs liegen, ohne dass beratende Stimmen dazu gehört werden, oder gar Rechenschaft über Entscheidungen gegeben werden. In Österreich spielt aber auch Vielfalt eine große Rolle, wenn es um die Kirche geht oder um die Zusammensetzung der Gremien, wo diese Vielfalt abgebildet werden kann und soll. Beginnend beim Pastoralrat und endend bei den ganz einfachen Kreisen, wo wir so gerne mit Gleichgesinnten zusammen sind. Aber wenn Andersdenkende dabei sind, dann stören die irgendwie. Wir müssen in der Kirche lernen, dass Andersdenkende nicht stören, dass Spannungen ausgehalten werden können, dass Konflikte ganz normal zum Leben der Kirche gehören und dass aus diesen eine gute Zukunft wachsen kann.

„Von einem Ich zu einem Wir zu kommen ist der Schlüssel einer synodalen Kirche.“

Klara-Antonia Csiszar

Was braucht es, damit diese Synodalität als neue Kultur der Kirche auch gelingen kann?

Spontan fällt mir dazu ein: Viel Geduld und die Bereitschaft, aus der eigenen Welt, aus der eigenen Blase rauszukommen. Und Interesse zu zeigen für andere Wirklichkeiten, für andere Lebensentwürfe, für andere Kontexte, für andere Antworten auf die Fragen des Lebens. Also nicht besserwisserisch dastehen und von den anderen verlangen, dass sie so denken wie ich selbst. Und auch nicht die Überzeugung zu haben, dass alle so denken müssen wie ich. Und wenn sie das nicht tun, dann ist es schlecht. Sondern es geht einfach darum, Spannungen auszuhalten, Interesse zu zeigen, die Bereitschaft, in die Welt des anderen einzutauchen und ihn zu verstehen versuchen. Das haben wir in der ersten Sitzungsperiode in Rom schön gesehen. Das ist für mich auch ein Stück weit eine Bestätigung dafür, dass es uns gelungen war, von einem Ich zu einem Wir zu kommen, dass nicht nur meine Themen, sondern auch die Themen der anderen in der Synthese drinnen waren und weiterverfolgt werden in diesem ganzen Prozess. Von einem Ich zum Wir zu kommen ist der Schlüssel einer synodalen Kirche.

Themen bei der Bischofssynode

Stichwort Themen: Wo sehen Sie die theologischen und dann speziell die kirchenrechtlichen Baustellen in unserer Kirche?

Ja, da gibt viele Baustellen, die man bearbeiten kann. Es kommt bei manchen Baustellen allerdings nicht darauf an, ob wir sie jetzt auch lehramtlich lösen können. Es ist nicht Aufgabe der Bischofssynode, zu Entscheidungen zu kommen, denn sie ist ein beratendes Gremium, das bestimmte Themen seit Jahren bearbeitet und sich bemüht, aus verschiedenen Perspektiven Antworten, ja manchmal Alternativen zu geben, bestimmte Denkmuster weiterzudenken. Natürlich haben wir Baustellen, etwa bei Fragen der Moral. Seien es die verschiedenen Lebensformen, die verschiedenen Lebensentwürfe, die möglich oder nicht möglich sind. Oder auch rechtliche Fragen, die sicherstellen, dass beispielsweise vor Entscheidungen Beratungen eingeholt werden. Und dass Beratung nicht beliebig, sondern verpflichtend ist. Dass etwa Pastoralräte nicht beliebig sind, sondern verpflichtend. Es sind kleine Baustellen, aber die Möglichkeiten, die wir haben, sind jetzt schon ganz viele. Wir warten immer auf Entscheidungen, die jetzt Rom für uns treffen soll. Da bin ich immer sehr skeptisch: Welche Entscheidungen sollten da kommen und wer sollte damit zufrieden sein? Etwa die ungarische oder die deutsche Bischofskonferenz? Ich denke, die Bischofssynode wird jetzt nicht darüber entscheiden, ob Frauen zu Diakoninnen geweiht werden oder nicht, aber es wird ein wichtiger Schritt sein in Richtung der heilsamen Dezentralisierung.

 

Das heißt, die sogenannte Frauen-Frage wird im Oktober in Rom nicht geklärt werden können?

Die Frauen-Frage fängt nicht an und endet nicht bei der Frage der Weihe, sondern sie ist viel komplexer. Es wäre schon ein ganz wichtiger Schritt, wenn Frauen einfach nicht wie Menschen zweiter Klasse in der Kirche behandelt werden und wenn zum offiziellen Bild der Kirche immer mehr auch die Frauen ganz selbstverständlich hinzugehören. Das Bild, das die Kirche zeigt, das ist sehr, sehr männlich. Es braucht nicht unbedingt die Weihe, dass ganz bewusst darauf geachtet wird, dass Frauen auch mal in den ersten Reihen Platz nehmen dürfen, und nicht nur die Männer, oder dass Frauen bestimmte Leitungsverantwortung in der Kirche bekleiden können. Das ist weniger eine Frage der Weihe als eine Frage der Ernennung, der Sendung. Solange Frauen nicht mitentscheiden, von ihren Berufungen offen reden dürfen, werden sie auch nicht geweiht werden. Es wären wichtige Initiativen, dass Frauen in entscheidenden Gremien selbstverständlich mit dabei sind und dass sie Leitungsfunktionen in der Kirche bekleiden und dass die Frau einfach zum Normalfall von Kirche gehört. Auch hinsichtlich darauf, was das Bild von Kirche anlangt, das uns überall begegnet, Männer in schwarzen Anzügen oder im Talar, wo keine Frau oder nur sehr selten eine dazu kommt, das fällt irgendwie aus dem Bild. Das muss ein Ende haben. 

Papst Franziskus tut dies doch seit Jahren, indem er Frauen für wichtige Funktionen im Vatikan beruft …

Ja, Papst Franziskus praktiziert das schon. Auch im deutschen Sprachraum haben die Bischöfe schon lange Entscheidungen in diese Richtung getroffen: Hier haben wir Universitätsprofessorinnen, und die Leitung einer Fakultät, einer Universität kann in der Hand einer Frau liegen. Das mag bei uns im Westen belanglos sein, aber in Ungarn etwa ist dies momentan noch unvorstellbar, dass ich als Frau und Professorin Theologie doziere. Da müssen wir nicht nach Afrika gehen oder nach Südamerika, das ist schon einige Kilometer östlich von Wien nicht möglich. Wenn Frauen als Theologieprofessorinnen zum Beispiel gleichsam verpflichtend werden, sie für andere wichtige kirchlichen Dienste, wo nicht unbedingt eine geweihte Person stehen soll, ernannt werden, dann kommt da was ins Rollen. Der erste Schritt wird wahrscheinlich nicht die Weihe sein, sondern so etwas wie die Frauenquote in den kirchlichen Diensten.
 

„Alles kam sprichwörtlich auf den Tisch.“

Klara-Antonia Csiszar

Wie kann diese Beteiligung der Frauen konkret aussehen? Was stellen Sie sich da vor?

Gut, dass es nicht nach meinen Vorstellungen geht, sondern dass wir uns beraten. Es gibt weltweit schöne Beispiele: Etwa eine Frauenquote in Pastoralräten oder die obligatorische Einbeziehung von Frauen in die Ausbildung der Priester oder als Richterinnen in den Ehegerichten. Da ist schon vieles im Gange, aber eben noch nicht überall. Und wo dies noch nicht der Fall ist, dort wird es dann nur geschehen, wenn es eben verpflichtend wird.

 

Rückgang von Gläubigen

Sie kommen aus einem Land, wo der Anteil der Katholiken bei 3,7 Prozent liegt. In Europa geht generell die Zahl der Gläubigen zurück. Worauf kommt es jetzt an?

Die Kirche bleibt belanglos und unverstanden, wenn sie sich nicht um die Wunden der Welt kümmert. Wir sollen daher nicht nur auf große Reformen warten, sondern einfach schauen, was heute Mission bedeutet, wo die Wunden der Welt sind, wo das Leben leid tut und einfach dort präsent sein und Menschen begleiten. Und das machen wir oft auch. Es wird aber leider in den Medien oft nicht so spektakulär dargestellt wie etwa ein Skandal oder dass es den Kirchen in Westeuropa so schlecht geht. Dass die Kirche in den Krankenhäusern beim Sterbebett oft die letzte ist, die die Hand eines Sterbenden hält, darüber wird nicht so oft berichtet. Und dass vor einigen Wochen in Rom 90.000 Ministrantinnen und Ministranten aus 27 Nationen anwesend waren und ihre Freude und Begeisterung für den Glauben, für ein gutes Miteinander in dieser nicht ganz so friedlichen Welt gezeigt haben, das ist dann nicht mehr so medial-spektakulär.

Eine besondere Form der Kommunikation waren bei der Bischofssynode im Oktober 2023 die sogenannten „Runden Tische“. Was kann die Welt von dieser besonderen Form des Aufeinander-Hörens lernen?

Ganz viel, denn das war eine wichtige Schule auch für die Synode. Die Idee der „Runden Tische“ kam von der asiatischen Kontinentalversammlung zur Vorbereitung der Weltbischofssynode in Bangkok in Thailand. Das war die einzige Kontinentalversammlung weltweit, wo die Mitglieder die ganze Zeit einander nicht den Rücken gezeigt haben. Das ist asiatische Kultur, wo man versucht, in Harmonie einander ins Auge zu schauen. Wenn Sie hingegen die Bilder von der europäischen Kontinentalversammlung in Prag betrachten, so sehen Sie den Unterschied. Bei der Synode in Rom mussten Kardinäle, Bischöfe, Frauen, Männer, Priester, Ordensfrauen einander aushalten, einander ansehen und einander zuhören, bis alle ihre Statements zu einer bestimmten Frage gesagt hatten. Gefragt waren nicht Kommentare oder Wertungen wie „gut“ oder „schlecht“, auch kein gegenseitiges Absprechen der Katholizität, sondern das Zuhören der Glaubenserfahrungen auf Augenhöhe. Alles kam sprichwörtlich auf den Tisch. Für viele Bischöfe war das eine große Herausforderung, viele hatten dabei echte Aha-Erlebnisse, wenn sie etwa gesagt haben: „Ich hätte niemals gedacht, dass jemand so denkt und dies so oder so sieht.“ Die „Runden Tische“ haben uns allen gezeigt, dass eine Kultur des guten Miteinanders ohne Verletzungen möglich ist. Entscheidend wird sein, dass wir einander nicht die Katholizität absprechen oder einander zurechtweisen, sondern ernsthaft einander zuhören. Auch in Gremien außerhalb des Binnenraums der Kirche.

 

In manchen Medien, etwa auf Facebook, macht sich hinsichtlich möglicher oder auch nicht möglicher „Ergebnisse“ der Bischofssynode eine gewisse Resignation breit. Wie gehen Sie als Pastoraltheologin mit so einer Stimmung um?

Ich habe in der Logotherapie gelernt, dass ich von mir viel erwarten kann, von den anderen aber ziemlich wenig. Bei der Bischofssynode geht es mir um Fragen wie: Wie bringe ich mich ein? Was tue ich dort? Wie begleite ich den Prozess? Wie bringe ich meine Expertise ein im Blick auf die Sendung der Kirche? Ich tue mir immer schwer mit dieser Frage der Erwartungen. Ich bin überzeugt, dass uns der Heilige Geist bei der Bischofssynode eine Kirche zeigen wird, die wir für das dritte Jahrtausend mitgestalten können und zwar in einer schönen katholischen Vielfalt. Wir tragen bei der Synode sozusagen Puzzleteile zusammen, aber das End-Bild kennen wir noch nicht. Doch es wird schön und wichtig sein für die Zukunft der Kirche. Ich weiß, dass die Kirche in Europa müde geworden ist. Aber was wir jetzt, in diesem Jahr zwischen den zwei Sitzungsperioden in Rom, gesehen haben, in Asien, in Afrika, in Südamerika, das ist verblüffend: so viel Kreativität, so viel Dynamik. Initiativen von unten kommen zustande, im Sinne der Synodalität. Wir in Europa hingegen warten immer nur auf Entscheidungen, die andere für uns treffen, möglicherweise aber so, wie wir uns das vorstellen. 

Kardinal Christoph Schönborn zum Start der Synode

Zur Person:

Univ.-Prof. Dr. Klara-Antonia Csiszar lehrt Pastoraltheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz.

Schlagwörter
Autor:
  • Stefan Kronthaler
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