Erneuerung im Stift Klosterneuburg
Es geht um Dienst und GemeinschaftMaximilian Fürnsinn arbeitet seit 1. Juli als Administrator des Stiftes Klosterneuburg direkt mit dem Päpstlichen Delegaten Bischof Josef Clemens zusammen. Im Gespräch mit dem SONNTAG zeigt sich Fürnsinn optimistisch, wie und wo er das Stift in zwei Jahren sehen möchte: „Ich denke, dass in zwei Jahren die Kommunität so geeint ist, dass sie fähig ist, aus ihrer Mitte einen Propst zu wählen, und dass die Gemeinschaft so aufgestellt ist, dass das Miteinander in der Zukunft gut gehen wird.“
Wie sehen Sie Ihre konkrete Aufgabe im Stift Klosterneuburg?
Maximilian Fürsinn: Mein erstes Ziel war, dass ich am 1. Juli nach Klosterneuburg übersiedelt bin, um hier mit dieser Kommunität zu leben. Man kann in einem Kloster nichts bewirken, wenn man nicht wirklich selbst anwesend ist. Ich habe mich hier sehr gut eingelebt in diesen vier Monaten und ich komme mit vielen Dingen sehr gut zurecht, mit dem, was man in einer Prälatur zu erledigen hat, aber auch mit dem gemeinschaftlichen Leben. Ein weiteres Ziel ist, dass dieses gemeinschaftliche Leben gut gelebt wird, denn das ist eigentlich die Lebensmitte eines Klosters, die muss stimmen. Von dort her muss auch sehr viel Kraft in die ganze Kommunität hineinkommen. Das halte ich für einen wichtigen Auftrag. Ein zweiter stimmt mich sehr optimistisch: dass wir einen Vergemeinschaftungsprozess eingesetzt haben. Hier haben wir eine Begleitung von außen. Wir haben eine Steuerungsgruppe aus dem Konvent heraus gebildet, das sind sechs, sieben Mitbrüder, die den Prozess aufstellen, die Inhalte und die Struktur des Prozesses bestimmen. Am 14. Oktober fand das erste Plenum dieses Prozesses statt und es waren alle Mitbrüder da. Das hat mich sehr positiv überrascht und wir haben sozusagen den Prozess von der Steuerungsgruppe weg in das Plenum gegeben.
Man kann in einem Kloster nichts bewirken, wenn man nicht wirklich selbst anwesend ist.
Sie haben das Thema Gemeinschaft angesprochen und Gemeinschaftsbildung. Wie konnte es so weit kommen in einem Stift, dem es wirtschaftlich gut geht, dass es gleichsam Spaltungen im Konvent gibt?
Maximilian Fürsinn: Ich habe zum heurigen Augustinus-Fest eine Predigt gehalten mit einem Wort des heiligen Augustinus, nämlich das Gemeinsame über das Eigene zu stellen. Das ist für mich die goldene Regel des heiligen Augustinus. Oft haben in der Vergangenheit Einzelinteressen und so weiter überhandgenommen.
Augustinus sagt: Das Gemeinsame über das Eigene stellen.
Stift Klosterneuburg als Augustiner-Chorherrenstift beruft sich ja auf diese Regel. Was macht eigentlich das spirituelle Leben eines Augustiner-Chorherrenstiftes heutzutage aus?
Maximilian Fürsinn: Wir haben eine sehr konkrete Formulierung gewählt in unseren Konstitutionen, im Anklang an die Ordensregel, und die heißt: Dienst in Gemeinschaft für das Volk Gottes, also ein gemeinsamer Dienst für das Volk Gottes. Da stecken zwei Elemente drinnen: die Gemeinschaft und der Dienst. Das sind die beiden Koordinaten, die unser Leben bestimmen sollen. Das entspricht dem Lebensmodell, das der heilige Augustinus geschaffen hat, nämlich dass er als Bischof in Gemeinschaft mit Priestern gelebt hat und aus dieser Gemeinschaft heraus auch die Seelsorge in einer Hafenstadt wie Hippo Rhegius in Nordafrika geprägt hat. Dort hat er dieses Gemeinschaftsmodell geschaffen in seinem Bischofshaus und dafür hat er eine Regel geschrieben.
Welche Impulse braucht es im Stift Klosterneuburg?
Maximilian Fürsinn: Wenn ich Vergemeinschaftungs-Prozess sage, dann ist das nicht so sehr ein Prozess der Psychologie oder der Psychotherapie oder der Gruppendynamik. Das gehört gewiss auch dazu, sonst kann man mit einer Gemeinschaft nicht umgehen. Aber eine wirkliche Erneuerung kommt nur aus einem spirituellen Leben heraus. Wir haben zu diesem Vergemeinschaftungsprozess auch eine ganze Reihe von spirituellen Impulsen, solche etwa, die sich vor allem an der päpstlichen Programmschrift „Evangelii Gaudium“ orientieren. Auch mit dem Anliegen von Papst Franziskus, jetzt einen synodalen Prozess in der Kirche auszulösen. Orden an sich sind schon ein synodaler Prozess. „Syn hodos“ heißt „gemeinsam einen Weg gehen“. Und genau das scheint mir in diesem Prozess so wichtig zu sein. Hier treffen wir uns ganz mit den Anliegen des Papstes. Ich zitiere immer wieder sehr gerne markante Sätze aus dem neuen Schreiben des Papstes zum synodalen Weg. Das ist für uns eine sehr brauchbare Anleitung, gerade in Hinblick auf die Spiritualität.
Haben Sie aktuell Novizen oder junge Männer, die sich für das klösterliche Leben interessieren, die im Stift mitleben wollen?
Maximilian Fürsinn: Im Augenblick haben wir nur einen Kleriker mit einer zeitlichen Profess. Ich sehe aber schon da und dort jemanden, den man, so glaube ich, ansprechen kann, den man einladen kann, sich diese Gemeinschaft anzuschauen, dieses Leben kennenzulernen, das wir führen. Wir haben auch vor, in Bezug auf geistliche Berufe einiges zu tun. Das ist mir sehr wichtig.
Wir haben auch vor, in Bezug auf geistliche Berufe einiges zu tun.
Wir kommen beim Stichwort „Klosterneuburg“ um ein Thema nicht herum, das die Kirche in diesen Jahren bewegt. Nämlich die Problematik des Missbrauchs.
Maximilian Fürsinn: Was Missbrauch in Bezug auf das Stift Klosterneuburg betrifft, so ist das klar und deutlich in aller Öffentlichkeit immer gesagt worden. Und wir sind auch der Auffassung, wir stehen bewusst dazu. Also unser Einbekennen, dass es hier Missbrauchsfälle gegeben hat, über viele Jahrzehnte verstreut. Es gibt da nichts zu verheimlichen und nichts zu beschönigen. Es geht darum, zunächst einmal sich selber auch als Kommunität dazu zu bekennen, Verantwortung dafür zu übernehmen. Es kommt auf die Qualität der Aufarbeitung an. Und dass man aufrichtig ist, nicht wegschaut und dass man den Betroffenen Anerkennung und Gerechtigkeit ermöglicht, soweit das geht. Wir arbeiten mit der Opferschutz-Kommission zusammen. Das ist uns ein großes Anliegen. Wir haben nichts zu vertuschen. Was dort entschieden wird, das nehmen wir eins zu eins an. Und natürlich müssen wir auch als Institution daraus lernen. Es muss auch eine Gemeinschaft mit dieser Problematik fertig werden.
Was wurde in Klosterneuburg entweder falsch oder nicht gemacht?
Maximilian Fürsinn: Es gab ein großes Bemühen im Konvent und auch von der Leitung her, diese Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Ich habe öfters gesagt, es wäre besser gewesen, sie einfach an die Klasnic-Kommission abzugeben. Weil dann dieser Verdacht wegfällt, dass man es sich vielleicht richtet. Die Klasnic-Kommission ist eine objektive Kommission. Fünf, sechs Fälle wurden einer Klärung zugeführt, und auch von Rom bestätigt.
Von wie vielen Fällen ist die Rede?
Maximilian Fürsinn: Es gab insgesamt acht Vorwürfe über die Jahrzehnte hinweg, von denen sich vier als erwiesen herausgestellt haben, zwei, die so nicht so gewesen sind und zwei noch in der Abwicklung sind.
Es hat doch bei diesem Thema einen großen Lernprozess gegeben in der Kirche in den vergangenen zehn Jahren. Dass man sagt: Wir führen das alles einer Prüfung zu und wir stellen uns dem Thema. Dennoch gibt es – siehe die aktuelle Berichterstattung über die Pfarre Heiligenstadt – immer noch oder wieder Kritik...
Maximilian Fürsinn: Wir in Österreich müssen sehr froh sein, dass Kardinal Christoph Schönborn diesen Lernprozess so deutlich eingeleitet hat. Als seinerzeitiger Vorsitzender der Superioren-Konferenz habe ich mich dem sofort mit den Orden angeschlossen. Für das Stift Klosterneuburg stellt sich die Frage: Was haben wir daraus gelernt? Wir haben eine eigene Präventionsstelle im Stift eingerichtet, wir haben Schulungen für alle fast 200 Mitarbeiter sowie für den gesamten Konvent. Und: Wir haben klare, unmissverständliche Melde- und Berichtspflichten. Wir sind in Bezug auf das Thema Missbrauch sehr sensibel geworden – und auch entsprechend konsequent. Voriges Jahr gab es einen Missbrauchsvorwurf im Pfarrkindergarten Heiligenstadt, der, wie sich nachträglich herausstellte, von der Leitung nicht ernst genommen und auch nicht gemeldet wurde. Hier wurde der verantwortliche Pfarrer umgehend abberufen. Wenn man dem Stift also zunächst schlampigen Umgang mit dem Thema in der Vergangenheit vorwirft, um dann die daraus erwachsene Konsequenz öffentlich zu kritisieren, dann fällt es mir schwer zu glauben, dass es bei dieser Kritik noch um die Sache geht.
Fehlen Sie den Mitbrüdern in Herzogenburg?
Maximilian Fürsinn: Ich habe einen ausgezeichneten Nachfolger, der das Stift sehr gut führt. Von Zeit zu Zeit bin ich in Herzogenburg. Die Aufgaben in Klosterneuburg werden aber immer mehr, insofern ist mein Aufenthalt in Herzogenburg eher eingeschränkt. Aber von Zeit zu Zeit bin ich schon ein, zwei Tage dort. Ich fühle mich meiner Gemeinschaft in Herzogenburg sehr verbunden.
Maximilian Fürnsinn
Maximilian Fürnsinn leitete 40 Jahre lang das Stift Herzogenburg. Er wurde 1940 in Herzogenburg geboren und trat nach Abschluss einer Lehre als Fleischhauer in das Kloster ein. Nach dem Theologiestudium in Wien und Klosterneuburg und seiner Priesterweihe 1972 war er einige Jahre als Kaplan in Herzogenburg tätig.
Im Jahr 1979 wählten ihn die Mitbrüder zum 68. Propst des Stiftes. Diese Funktion übte Fürnsinn bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2019 aus. Von 1998 bis 2013 war Fürnsinn zudem Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs. Er ist u a. auch Ehrengroßprior des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.