Sterben kann etwas Schönes sein
Andrea Köttritsch-KrautstofflAndrea Köttritsch-Krautstoffl arbeitet ehrenamtlich im Caritas-Hospizteam und macht sich gerade als Familientrauerbegleiterin selbständig.
Frau Köttritsch-Krautstoffl, wie kam es dazu, dass Sie sich so intensiv mit Sterben und Tod auseinandersetzen?
Ich bin davon überzeugt, dass man von Menschen am Lebensende viel für das eigene Leben lernen kann. Dazu kommen zwei Erlebnisse: Als ich elf Jahre alt war, ist meine Mutter an Magenkrebs gestorben. Das war natürlich sehr prägend für mich. Später starb meine Großmutter kurz vor ihrem 90. Geburtstag, und ich durfte sie beim Sterben begleiten. Da habe ich gesehen, dass Sterben auch etwas ganz, ganz Schönes sein kann.
Jeder wird einmal sterben – eine Tatsache, die viele verdrängen. Sie tun das nicht.
Menschen verdrängen den Tod, weil ihnen das ja auch hilft, sich auf das Leben einzulassen. Ich sehe das nicht nur negativ. Für mich als Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleiterin ist der Tod im Alltag aber natürlich sehr präsent: Auch aufgrund meiner Biographie – mit dem Tod meiner Mutter und später meiner Großmutter – so etwas prägt. Außerdem war ich als Kind Ministrantin und auf vielen Begräbnissen.
Beeinflusst es Ihre Sicht aufs Leben, sich so viel mit dem Tod zu beschäftigen?
Ja, das hat Auswirkungen auf das Hier und Jetzt. Ich lebe bewusster, schätze den Augenblick und kann genießen. Mir ist bewusst: Jetzt ist der Moment da, ob es noch ein Später geben wird, weiß ich nicht.
Sprechen Sie auch mit Ihren beiden achtjährigen Kindern über diese Themen?
Wir reden auch darüber, zum Beispiel über ihre verstorbene Oma, meine Mutter, die selbstverständlich zu uns dazu gehört. Kinder werden mit dem Tod ohnehin konfrontiert und sie reden auch untereinander, wie kürzlich am Spielplatz darüber, dass das Baby im Bauch einer anderen Mutter gestorben ist. Sie wissen auch, dass es Menschen oft traurig macht, wenn jemand stirbt. Meiner Erfahrung nach kommt es stark darauf an, wie man in solchen Situationen und auf ihre Fragen reagiert: Schiebt man das Thema weg oder lässt man Gespräche zu – das beeinflusst den Umgang der Kinder mit Tod und Sterben.
Welche Rolle spielt Ihr Glaube bei Ihrer Arbeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin?
Es ist nicht meine Aufgabe, über meinen Glauben zu sprechen. Meine Aufgabe ist, Menschen in dieser sehr verletzlichen, ja intimen Situation zu begleiten und zu fragen: Was brauchen Sie gerade jetzt? Das Thema Spiritualität kommt aber bei vielen, die ich begleite, zur Sprache – unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht. Und mir persönlich gibt der Glaube Halt und Struktur. Ich habe die Hoffnung, dass ich nicht einfach weg bin, wenn ich sterbe, auch wenn ich nicht mehr auf der Erde bin. Das ist tröstlich.
Sie haben davon gesprochen, dass Sterben etwas Schönes sein kann. Wie sieht schönes Sterben aus?
In der Hospiz-Bewegung geht es immer um das Leben. Wir sprechen davon, dass wir dem Leben nicht mehr Tage geben können, aber den Tagen mehr Leben. Das kann schon durch Kleinigkeiten geschehen, eine davon ist einfach da zu sein. Viele Angehörige schwerkranker Menschen berichten, dass die Leute die Straßenseite wechseln und sie ‚zufällig‘ übersehen. Dahinter steckt vielfach die Angst, etwas Falsches zu tun. Doch es ist wichtig, die Angehörigen nicht allein zu lassen.
„Ich habe die Hoffnung, dass ich nicht einfach weg bin, wenn ich sterbe, auch wenn ich nicht mehr auf der Erde bin. Das ist tröstlich.“
Andrea Köttritsch-Krautstoffl
Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?
Meine Quellen sind meine Familie und mir wichtige Menschen, beim Reisen den Horizont zu erweitern und gleichzeitig zu erleben, wie gut es uns geht. Die Pfarre ist wie eine stabile Säule: Sie war bereits da, bevor ich geboren wurde, und sie wird hoffentlich da sein, wenn ich es nicht mehr bin. Es macht mir Freude, da und dort mitwirken zu können.