Sterbehilfe: Töten als „Therapieoption“
Hilfeleistung zum SuizidDer Entwurf zur Sterbehilfe enthalte grundsätzliche Mängel und Klauseln, die Anlass zur Sorge geben, erklärte der Londoner Weihbischof Sherrington, der in der Bischofskonferenz von England und Wales das Referat für Lebensschutz leitet. Neben der grundsätzlichen Ablehnung des assistierten Suizids sind die Bischöfe besonders besorgt über jene Passagen im Gesetzentwurf, „die Ärzte daran hindern, aus Gewissensgründen zu widersprechen und die Hospize und Pflegeheime, die sich nicht an der Suizidbeihilfe beteiligen wollen, unzureichend schützen“, erklärte „Lebensschutzbischof“ Sherrington.
Bedenken zur Sterbehilfe
Diese „ernsten Bedenken“ müssten in den nächsten Phasen der Beratungen über den Gesetzesentwurf gehört werden. „Wir haben in dieser Debatte zum Ausdruck gebracht, dass echtes Mitgefühl bedeutet, an der Seite derjenigen zu sein, die Pflege brauchen, insbesondere bei Krankheit, Behinderung und im Alter“, sagte Sherrington. Die Verbesserung der Qualität und der Verfügbarkeit von Palliativmedizin sei der beste Weg, um Leiden am Ende des Lebens zu verringern. „Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen und diejenigen unterstützen, die sich in unseren Hospizen, Krankenhäusern und Pflegeheimen unermüdlich um die Sterbenden kümmern“, betonte Sherrington.
Sterbehilfe: Begleitung in den Suizid
Die Abgeordneten des britischen Unterhauses hatten am 29. November für eine Liberalisierung der Sterbehilfe votiert. Der Gesetzentwurf der Labour-Abgeordneten Kim Leadbeater sieht vor, dass unheilbar Kranke in England und Wales unter strengen Bedingungen in den Suizid begleitet werden dürfen. Bisher gilt Suizidbeihilfe als Straftat, die mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden kann. Mit der für Befürworter des Gesetzes erfolgreichen Abstimmung ist jedoch nur eine von mehreren Hürden im parlamentarischen Verfahren genommen. Bis zu einem Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind weitere Beratungen notwendig, bei denen Änderungsanträge eingebracht werden können.
Sterbehilfe als Aushöhlung der Suizidprävention
Europaweit scheint der assistierte Suizid in den letzten Jahren durch gesetzliche Regelungen mehr und mehr zur „Normalität“ zu werden. Die ethischen Fragen am Lebensende berühren besonders existenzielle Aspekte. Aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet kann etwa Leben jederzeit zu etwas Wertlosem werden. Die Legalisierung und Erleichterung von Selbsttötungen „höhlt defacto die Suizidprävention aus und verändert schleichend die Gesellschaft“, warnte jüngst die Direktorin des Wiener Bioethik-Instituts IMABE, Susanne Kummer. Sobald Töten als „Therapieoption“ im Raum stehe, „macht das etwas mit uns – auch mit dem Gesundheitspersonal“. Bereits jetzt gäbe es infolge der 2022 in Österreich rechtlich geschaffenen Möglichkeit der Mitwirkung an Suiziden durch Dritte bei Ärzten, Pflegekräften und in Gesundheitseinrichtungen „große Verunsicherung und ethische Konflikte“ rund um den praktischen Umgang mit Sterbe- und Suizidwünschen.
Die Regelung in Österreich
In Österreich hatte der Verfassungsgerichtshof 2020 Bestimmungen des Strafgesetzbuchs in Bezug auf den Straftatbestand „Hilfeleistung zum Selbstmord“ als verfassungswidrig aufgehoben. Die schwarz-grüne Regierung reagierte darauf mit dem Sterbeverfügungsgesetz (StVfG). Der Nationalrat hatte am 16. Dezember 2021 mit großer Mehrheit die neue Regelung für die Sterbehilfe beschlossen. Seit 2022 können dauerhaft schwer oder unheilbar Kranke, die Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen wollen, unter bestimmten Voraussetzungen eine Sterbeverfügung errichten: Dafür muss die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden. Die Folgen einer solchen Krankheit müssen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, und die Krankheit muss einen nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen. Eine (für ein Jahr gültige) Sterbeverfügung kann ausschließlich schriftlich von einem Notar oder einem Mitarbeiter einer Patientenvertretung errichtet werden, davor muss eine Aufklärung durch zwei Ärzte erfolgen, die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Entschluss gefasst hat. Gleichzeitig mit der Einführung des Sterbeverfügungsgesetzes wurde auch das strafrechtliche Verbot der Hilfeleistung beim Suizid neu gefasst (Straftatbestand der „Mitwirkung an der Selbsttötung“). Wer einer anderen Person hilft, sich selbst zu töten, ist weiter mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen, es sei denn, die andere Person leidet an einer schweren Krankheit und wurde entsprechend ärztlich aufgeklärt.