Starke Frauen mit starken Werten
Ordenstagung 2024Beim „Ordenstag“ der österreichischen Ordensgemeinschaften am 26. November im Wiener Kardinal König Haus hielt die langjährige Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, Schwester Edith-Maria Magar, ein viel beachtetes Impulsreferat. Gegenüber dem SONNTAG erläutert die Ordensfrau die Herausforderungen für ihre und die vielen Werke, in denen 13.000 Menschen in drei deutschen Bundesländern wirken.
Franziskanerinnen und ihre vielfältigen Einrichtungen
Wir Franziskanerinnen sind seit 1903 Stifterinnen der Marienhaus GmbH Waldbreitbach“, erzählt Schwester Edith-Maria Magar, von 2012 bis 2024 Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, dem SONNTAG. Aktuell gehören dazu 15 Krankenhäuser, zwei Reha-Kliniken, vier medizinische Versorgungszentren, 18 Einrichtungen für Menschen im Alter (Seniorenheime), drei Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, 13 stationäre und ambulante Hospize, fünf Palliativstationen, neun Bildungseinrichtungen, ein Zentrum für Arbeit und Gesundheit sowie ein Hotel- und Tagungszentrum mit Restaurant. „Es arbeiten 13.000 Mitarbeitende in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen in diesen Einrichtungen“, betont Schwester Edith-Maria: „Aktuell leben 130 Ordensfrauen im deutschen Teil unserer Kongregation. 2011, also nach 108 Jahren, haben wir Franziskanerinnen die Gesellschafter-Verantwortung in die Marienhaus Stiftung Waldbreitbach übertragen; als stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Gesellschaft repräsentiere ich die Stiftergemeinschaft.“
Wertebasierte Führung in Krankenhäusern
Sie gehen seit Jahren neue Wege, indem Sie „weltliche“ Oberinnen in Ihren Krankenhäusern fördern. Was müssen diese Frauen „mitbringen“, was erhoffen Sie sich seitens Ihres Ordens?
SCHWESTER EDITH-MARIA MAGAR: In hochkomplexen Organisationen, wie sie Krankenhäuser darstellen, braucht es starke Persönlichkeiten in der Aufgabe der Oberin, die die wertebasierte Ausrichtung in der Klinikleitung garantieren. Als ethische Garantinnen und Kulturentwicklerinnen sind sie sozusagen die „Erbinnen“ unseres Vermächtnisses: kompetente Frauen, die sich als überzeugte Christinnen mit hoher Fach-und Sozialkompetenz sprachfähig zu christlichen Werten bekennen und für diese im konkreten Führungsalltag einstehen, gerade da, wo diese Werte bedroht sind. Die Frauen sichern die Gleichzeitigkeit zwischen den verschiedenen Professionen, Kulturen, Disziplinen und Logiken im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit. Sie bringen Führungserfahrung als Leiterinnen von Schulen, Pflegedirektorinnen, Pflegemanagerinnen, Theologinnen und Klinikseelsorgerinnen ein.
„Die Weihe von Frauen zu Diakoninnen wäre ein glaubwürdiger Schritt.“
Neue Wege bei schwindenden Ressourcen
Warum Konventsoberinnen?
Wie die meisten Ordensgemeinschaften haben auch wir es mit gravierend schwindenden Ressourcen zu tun; wegen des Nachwuchsmangels und der Überalterung der Schwestern stehen uns keine eigenen Ordensfrauen mehr für die Leitung und geistliche Begleitung unserer Schwesternkonvente zur Verfügung. Darum haben wir, auch aufgrund der guten Erfahrungen mit den „weltlichen Krankenhausoberinnen“, verheiratete Frauen mit Führungskompetenz als Oberinnen berufen, die als Christinnen auch ein feines Gespür für unsere Lebensform mit ihren sakramentalen Vollzügen mitbringen. Sie unterstehen, wie auch die Mitschwestern im Oberinnenamt, der Generaloberin.
Qualifizierung für eine werteorientierte Zukunft
Wie gestalten Sie die Weiterbildung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Dank eigener Bildungseinrichtungen ist uns neben den jeweils vielfältig differenzierten Fach-Weiterbildungen die Personal- und Organisationsentwicklung mit eigens konzipierten Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen besonders wichtig. In Zusammenarbeit mit einer theologischen Hochschule haben wir seit Jahren verschiedene mehrjährige Studiengänge etabliert: „Diakonisches Leitungsamt“, „Kompetenz und Geist“, „Führungskompetenz und christliches Selbstbewusstsein.“ Um neue Mitarbeitende, oft aus anderen Kulturkreisen, mit unseren Unternehmenswerten vertraut zu machen, führen wir regelmäßige sogenannte „Onboardings“ durch; ebenso ethische Austauschforen speziell für junge Ärztinnen und Ärzte und wertebasierte Praxisprojekte für angehende Führungskräfte in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen.
Hoffnungen auf das Diakonat der Frauen und die Weltsynode
Ihr Orden hat auch drei Studiengänge für Frauen durchgeführt, die sich zum Diakonat berufen fühlen und die sakramentale Weihe ersehnen. Wie sehen Sie die „Ergebnisse“ der Weltsynode in diesem Zusammenhang?
Wie viele Frauen weltweit, hatte ich die Hoffnung, dass die Weltsynode zumindest die Zulassung von Frauen zum sakramentalen Diakonat beschließt. Diese Hoffnung wurde enttäuscht, obwohl im Abschlussdokument (60) zu lesen ist: „Frauen stoßen weiterhin auf Hindernisse, wenn es darum geht, ihre Charismen und ihre Berufung in allen Bereichen des kirchlichen Lebens umfassender anzuerkennen. Dies geht zulasten des Dienstes an der gemeinsamen Sendung der Kirche.“ Da wäre die sakramentale Weihe von Frauen zu Diakoninnen ein folgerichtig glaubwürdiger Schritt, der nun weiter auf sich warten lässt.
Franziskanerinnen predigen die Frohe Botschaft
Warum predigen die Franziskanerinnen immer wieder im Gottesdienst?
Weil es unserer gemeinsamen geistlichen Sendung entspricht, die Frohe Botschaft Jesu Christi unter den Menschen zu leben und zu bezeugen. Dieser missionarische Auftrag ist uns als Getaufte aufgegeben, denn Gottes Geist ist über alle ausgegossen, damit wir Zeugnis geben von der Hoffnung, die uns erfüllt, wie es im ersten Brief des Apostels Petrus heißt (Kapitel 3, Vers 15).
„Wir nehmen an Demonstrationen für die Demokratie und gegen Rechts teil.“
Einsatz für Demokratie und gegen Fremdenfeindlichkeit
Ihre Ordensgemeinschaft setzt sich auch für die Stärkung der Demokratie in Deutschland ein. Was tun Sie da konkret?
Wir beziehen Stellung für demokratische Werte, beispielsweise mit Foto und Text auf unserer Homepage am 27. Jänner, dem Gedenktag für die Opfer des Holocausts: „We remember“. Wir nehmen an Demonstrationen für die Demokratie und gegen Rechts teil. Wir lehnen Rassismus, völkische Nationalismen und Antisemitismus ab und haben schon seit vielen Jahren zu Impulsnachmittagen mit Politikerinnen und Politikern, Repräsentantinnen und Repräsentanten des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens eingeladen. Außerdem haben wir uns an öffentliche und kirchliche Stellen („Katholisches Büro“) und Ordenskonferenzen gewandt, um uns an die Seite von Ordenschristen zu stellen, die wegen des Kirchenasyls gerichtliche Verfahren durchlaufen mussten. Einige von uns sind Mitglied der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und des Katholischen Deutschen Frauenbundes – diese Verbände setzen sich öffentlich für die Stärkung der Demokratie wie auch für die feministische Außen- und Friedens- politik ein. Unsere afro-brasilianischen und indigenen Mitschwestern in Brasilien und die Schwestern im afrikanischen Benin sind der lebendige Beweis unserer Option gegen Fremdenfeindlichkeit; ebenso die Tatsache, dass ich vor Jahren zwei muslimische Mediziner als Chefärzte in unseren katholischen Kliniken eingestellt habe.
3.957 Ordensleute sind „wirksam“
Vom 25. bis zum 28. November kamen im Wiener Kardinal König Haus die Verantwortlichen der heimischen Ordensgemeinschaften sowie Mitarbeitende ihrer Einrichtungen zu den traditionellen Ordenstagungen zusammen. Sie berieten dort über aktuelle Entwicklungen im Spitals- und Pflegewesen, im Bereich der Ordensschulen, der Kulturgüter und in den Missionsorden. Es gab auch wieder einen „Ordenstag Young“ und als Mitte der zahlreichen Tagungen den eigentlichen „Ordenstag 2024“ am 26. November. Das viertägige Programm stand diesmal unter dem Generalmotto „Die Kunst des Möglichen“.
An die 4.000 Ordensleute in 193 Ordensgemeinschaften leben und wirken in Österreich „und setzen sich für ein gutes Leben aller ein“, wie es seitens der Österreichischen Ordenskonferenz heißt. In der Ordenskonferenz laufen alle statistischen Daten zum Ordensleben im Land zusammen.
Mit Stichtag 31. Dezember 2023 gab es in Österreich demnach 3.957 Ordensleute in 193 Ordensgemeinschaften: 2.528 Schwestern und 1.429 Patres (Ordenspriester) und Brüder.
Als wichtige Betätigungsfelder von Ordensgemeinschaften in Österreich zählen unverändert der Schulbereich sowie das Gesundheitswesen. So betrug die Anzahl der Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2023/2024 an den 189 Ordensschulen in Österreich rund 50.000. Die Schulen verteilen sich auf 111 Standorte mit insgesamt 248 Ausbildungsformen in ganz Österreich.
Es gibt 23 Ordensspitäler, 39 Pflegeeinrichtungen und 25 Kur-, Gäste-, Besinnungs- und Exerzitienhäuser. Rund jedes fünfte Spitalsbett in Österreich befindet sich in einem Ordensspital (in absoluten Zahlen: 7.120 Betten). Die Ordensspitäler beschäftigen rund 20.000 Mitarbeitende und versorgen 2,14 Millionen Patientinnen und Patienten pro Jahr.
Die Ordensgemeinschaften verfügen zudem über 500 Archive und rund 4,5 Millionen Bücher in den Ordensbibliotheken. Die Zahl an Museen, Schatzkammern und Sammlungen wird von der Ordenskonferenz mit 116 angegeben.