"Zurück nach Hause? Will ich nie"
Sommergespräche: Michael SchottenbergHerr Schottenberg, Sie kommen gerade aus Bulgarien und es geht sofort weiter nach Thailand. Haben Sie dazwischen Ihren Koffer aus- und umgepackt?
Michael Schottenberg: Koffer ist schon einmal falsch. Ich reise nur mit Handgepäck, mit einem Rucksack, den ich nachziehen kann. Mehr würde mich belasten. Ich muss nicht sech Anzüge mitnehmen. Aber ja, ich habe schon ausgepackt und auch wieder eingepackt.
Gibt’s etwas, das Sie immer mit dabei haben?
Mein Tagebuch, einen Stift und mein Handy fürs Fotografieren. Auch noch eine Kamera, um via Zoom gut an Menschen ‚heranspringen‘ zu können. Denn Menschen sind das interessanteste Motiv.
Sie unterscheiden zwischen dem Begriff des Touristen und des Reisenden. Wo liegt da für Sie der Unterschied?
Ein Tourist will in der Fremde seine eigene Heimat wiederfinden. Es soll möglichst alles so sein, wie man es gewöhnt ist. Dem Reisenden ist es recht, wenn die Welt auf den Kopf gestellt und man mit Neuem, Abenteuerlichem konfrontiert wird. Ich bin – nur mehr und endlich – ein Reisender.
Mittlerweile sind Sie drei Monate pro Jahr unterwegs. Wann sind Sie zum Reisenden geworden?
Das Ungewohnte hat mich immer schon fasziniert. Aber diese Art von Reisen, die ich jetzt unternehme, samt des Berichtens darüber, habe ich 2015 begonnen, als ich meinen Vertrag als Volkstheaterdirektor zurückgelegt habe. Seitdem reise ich mit offenen Augen. Davor war ich noch halb Tourist.
24 Destinationen stellen Sie in Ihrem neuen Buch „Vom Entdecken der Welt“ vor. Viele Orte in Europa sind darunter, aber auch Schauplätze in Indien, Vietnam und Kuba. Athen scheint es Ihnen besonders angetan zu haben?
Athen ist eine Geliebte von mir. Ich bin schon glücklich, wenn ich nur im Anflug bin. Athen ist eine schmutzige, laute, kaputte Stadt, aber wenn man dahinterschaut, beginnt man, sich in sie zu verlieben.
In Indien haben Sie besonders die Stadt Jaisalmer und die Wüste Thar begeistert.
Die Wüstenstadt Jaisalmer war einst eine reiche Karawanenstadt, durch die die Seidenstraße führte. Man findet dort Paläste aus Sandstein von unbeschreiblicher Schönheit. Die Erker, Fenster und Mauern sehen aus wie ziseliert, wie Brüsseler Spitze. Ich war zur Zeit des Holi-Festes da, an dem sich die Menschen mit Farbe bewerfen. Sogar die Tiere werden dabei eingefärbt.
Haben Sie sich auch einfärben lassen?
Gezwungenermaßen (lacht). Ich wurde auch beworfen und war dann pink.
Sie reisen ja meistens alleine. Warum ist Ihnen das wichtig?
Meine Frau ist, wenn sie Urlaub hat, auch dabei. Aber wenn ich allein reise, kann ich intensiver in den Dialog mit mir selbst und dem, was ich schreibe, gehen. Oft wache ich dann in der Nacht auf und schreibe los.
Stichwort Klimawandel und Nachhaltigkeit – wie sehr beschäftigt Sie das Thema in Zusammenhang mit Ihren Reisen?
Innerhalb von Europa bin ich möglichst klimabewusst mit dem Zug unterwegs. Wenn ich etwa nach Thailand oder Indien reise, verzichte ich dort auf das schnelle Hopsen von Ort zu Ort. Ich bewege mich dann genauso fort, wie die Menschen es tun. Diese Langsamkeit des Reisens bringt mich dem Land erst nahe.
Welcher Reise-Ort hat Sie am meisten überrascht?
Das Südburgenland. Ich habe nicht nur den Uhudler entdeckt, sondern auch wunderbare kulturelle Begegnungen gehabt.
Wo haben Sie am schlechtesten geschlafen?
In Jodhpur in Indien mit Magenproblemen.
Wo haben Sie am besten gegessen?
Wahrscheinlich in Japan und Thailand.
Wo war es am gefährlichsten?
In Burma im Urwald, als ich mein Hotel nicht mehr gefunden habe und gehört habe, wie Hunde immer näherkommen.
Wo haben Sie am meisten geschwitzt?
Überall in Südostasien. Am allermeisten in Hanoi.
Wann wollten Sie am liebsten wieder nach Hause?
Gute Frage. Eigentlich nie.