Sinnlich und medial
Theologe und SozialmanagerBekanntlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie Menschen voneinander oder von Ereignissen erfahren können. Entweder sie erleben diese unmittelbar selbst, sprich mit ihren Sinnen und deren neurologischer Verarbeitung, oder sie erfahren davon auf vermittelte, also mediale Weise. Während die sinnliche Wahrnehmung extrem begrenzt ist, haben sich die Möglichkeiten medialer Kommunikation in den letzten Jahrzehnten exponentiell gesteigert. Zwei Folgerungen gilt es dabei zu beachten. Erstens kann kein Mensch bis dato schneller Informationen aufnehmen und Reize verarbeiten als früher. Daraus ergibt sich ein enormer Wettbewerb um die Aufmerksamkeit jedes einzelnen Menschen. Dieser wurde seit dem digital change noch einmal auf psychologisch raffinierte Weise extrem kommerzialisiert. Nicht ohne Grund sind die größten Firmen mit den besten Algorithmen der Welt mittlerweile Internetgiganten. Sie schürfen statt Gold Daten. Was wird sich nun mit den Möglichkeiten der viel schneller als gedacht entwickelten KI (Künstlichen Intelligenz) abspielen? Gerade Kirchen sollten diese Entwicklungen aufmerksam und kritisch verfolgen!
Zweitens können wir nichts wissen, wenn wir es weder selbst noch medial mitbekommen haben. Sobald der Scheinwerfer der Medien weiterwandert, liegt jegliches Geschehen im Dunkeln. So ist der Krieg in der Ukraine momentan sehr präsent, aber die vielen Kriege in anderen Ländern lassen die meisten Menschen kalt, einfach, weil sie nichts davon erfahren.
Das betrifft auch die großen Kirchen, weil sie als überregionale Organisationen auf mediale Kommunikation angewiesen sind. Nur ein kleiner Teil ihrer Mitglieder erlebt ja mit eigenen Sinnen, was Kirche ist und bedeutet, ob bei Gottesdiensten, in Gruppen und Institutionen oder bei diakonischen Aktivitäten. Hoffentlich erleben sie dabei, was mit Froher Botschaft beziehungsweise dem Reich Gottes gemeint ist. Es wäre schlimm, wenn die direkte Begegnung mit Kirche die Menschen verstört oder enttäuscht.
Unerlässlich ist daher die Herausforderung, medial zu verkündigen, wenn man den Auftrag Jesu „Geht hinaus zu ALLEN“ ernst nimmt. Welche Geschichten bringen glaubwürdig zum Ausdruck, dass Gott jeden Menschen liebt und segnet? Welche Menschen vermitteln durch ihr Engagement, dass Jesus unser Bruder geworden ist und wir ihm in unseren Mitmenschen begegnen? Welche Fragen machen deutlich, dass sich Christinnen und Christen für die Welt, die Gesellschaft und für jeden einzelnen Menschen interessieren und sich ihnen empathisch und solidarisch zuwenden wollen?
Es gibt beeindruckende Beispiele, wie Diözesen oder Landeskirchen mit Magazinen, Mitgliederzeitungen oder Videos neue Formen von Verkündigung praktizieren. Spannend wäre es, darüber hinaus Kommunikationsformen zu entwickeln, die stärker auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen eingehen können – so wie es mittlerweile nahezu alle anderen Mitbewerber praktizieren.
Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus!