Sinn im Leben finden
Berufungscoaching in der KircheAm 4. Sonntag der Osterzeit, in diesem Jahr der 21. April, wird der Weltgebetstag für geistliche Berufungen gefeiert und es wird dabei daran erinnert, wie wichtig es ist, der eigenen Berufung nachzuspüren und ihr Raum zu geben. Schwester Nathanaela Gmoser, Benediktinerin der Anbetung, setzt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Berufung auseinander – als Ordensfrau, als geistliche Begleiterin und seit mehr als einem Jahr auch als Berufungscoach.
Das Kloster der Benediktinerinnen der Anbetung im 16. Wiener Gemeindebezirk. Hier am Rande der Stadt, wo es schon schön grün ist, haben 16 Ordensfrauen ihre Heimat und ihren Wirkungsort gefunden. Eine von ihnen ist Nathanaela Gmoser. Seit 15 Jahren wird ihr Alltag vom Klosterleben, Glauben und vom Geist ihrer Ordensgemeinschaft, mit den Menschen und für die Menschen leben zu wollen, bestimmt. Auch das Thema Berufung ist immer wieder in ihrem Fokus – seit mehr als einem Jahr auch in einer Form, an die man beim Wort „Berufung“ vielleicht nicht sofort denken würde.
Schwester Nathanaela, Sie sind seit mehr als einem Jahr unter anderem als Berufungscoach tätig. Was versteht man unter dem Begriff Berufungscoaching?
Nathanaela Gmoser: Das Berufungscoaching versucht Menschen gezielt auf dem Weg zu ihrer eigenen Berufung, anders gesagt auf dem Weg zum Sinn in ihrem Leben, ihrer Lebensaufgabe zu begleiten. Ich arbeite dabei nach der Methode WaVe – was für Wachstum und Veränderung steht. Entwickelt wurde WaVe von Alexander Kaiser, Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Man darf den Ausdruck Berufung beim Berufungscoaching also bewusst weit fassen?
Ja, genau. Berufungscoaching eignet sich für alle, die in einer Umbruchphase sind – ganz egal ob es um ein Studium geht, um eine Pensionierung oder einen neuen Job. Es kann mit religiösen Themen verbunden werden, muss aber nicht. Im Grunde geht es immer um die Frage: Bin ich am richtigen Platz? Und: Wohin geht es nun weiter? Handlungsleitend im Berufungscoaching sind dafür die Fragen: Was brauche ich, damit es mir gut geht und ich ein sinnvolles Leben führen kann? Was kann ich und wie kann ich meine Fähigkeiten entfalten und meine Talente einsetzen? Das Berufungscoaching ist also wirklich gut geeignet herauszubringen, was meine Bedürfnisse sind, meine Talente und Ressourcen.
Um es theologisch auszudrücken: Bei Johannes 10,10 lesen wird, dass Gott will, dass wir das Leben in Fülle haben. Dieses Leben in Fülle zu entdecken, dabei unterstützt das Berufungscoaching.
Wie läuft das Berufungscoaching ab?
Zunächst gibt es ein erstes Gespräch, in dem geklärt wird, ob das Berufungscoaching für die Person die richtige Methode für ihre aktuelle Fragestellung ist.
Und dann geht es mit den Modulen los. Berufungscoaching besteht aus insgesamt sieben Modulen, in denen verschiedene Themen besprochen werden. Das Coaching findet als Einzelgespräch statt. Eine Teilnahme ist auch online möglich. Es gibt am Ende jeder Sitzung immer eine kleine Aufgabe zum Nachbearbeiten und eine zum Vorarbeiten für die nächste Einheit. Fragen, die ich am Anfang zum Beispiel stelle, sind: Gibt es einen Lebenstraum? Was war die schönste und glücklichste Lebensphase?
Wie wird das Berufungscoaching abgeschlossen?
Nach den ersten sechs Modulen schreibt man eine sogenannte Visionsgeschichte – diese umfasst, was sich die betreffende Person für die nähere Zukunft vorstellt, was sie sich wünscht. Im siebenten und letzten Modul arbeitet man dann mit dieser Visionsgeschichte daran, wie die nächsten konkreten Schritte aussehen, um sie umzusetzen.
Mit welchem Zeitaufwand muss man ungefähr rechnen?
In der Regel erstreckt sich der Prozess über sieben Sitzungen, die je ein bis eineinhalb Stunden dauern und ungefähr im Zwei-Wochen-Rhythmus stattfinden. Insgesamt dauert das Coaching somit etwa zwölf Wochen, danach folgt die individuelle Zeit zum Verfassen der Visionsgeschichte. Manchmal dauert der Prozess allerdings auch länger. Das Berufungscoaching ist ein sehr offener, flexibler Prozess – wenn die Menschen, die ich begleite, nach drei oder vier Modulen feststellen, dass sie jetzt besser wissen, wo ihr Platz ist, dann kann man das Coaching auch hier beenden.
Immer wieder kommt es vor, dass die Leute sich nach dem sechsten Modul nicht mehr melden. Da sollten sie ja die Visionsgeschichte schreiben, und wenn sie die fertig haben, sollen sie sich aktiv bei mir melden. Und genau diesen Schritt gehen manche nicht mehr. Aber auch das ist in Ordnung und passt ins Coaching nach der WaVe-Methode.
WaVe steht für Wachstum
und Veränderung
Ist Berufungscoaching nur für Einzelpersonen gedacht?
Berufungscoaching geht auch im Gruppensetting, aber das muss dann jede einzelne Person in der Gruppe wollen. Ich weiß zum Beispiel von Schulklassen, die das kurz vor der Matura gemacht haben und das funktioniert bestimmt gut, wenn es für alle passt. Jemanden zwangszuverpflichten ist keine gute Idee.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich bin Teil des Teams der Berufungspastoral im Pastoralamt und da wurde mir angeboten, dass ich den WaVe-Lehrgang machen könnte. Und ich muss sagen: Das hat mich gleich angesprochen. Der Lehrgang war dann auch eine tolle Erfahrung und ich bin überzeugt davon, dass das, was wir Berufungscoaches machen, Sinn macht. Ich durfte auch selbst ein Berufungscoaching durchlaufen. Man lernt während des Lehrgangs alles über die Module, übt sie auch ein und parallel dazu läuft das eigene Coaching. Ich glaube, das ist einer der wichtigsten Punkte in der Ausbildung – Selbsterfahrung ist das Um und Auf.
Was ist Ihre Aufgabe dabei?
Ich bin ganz klar Begleiterin eines Prozesses. Das bedeutet auch, ich treffe keine Entscheidungen. Die Experten für das eigene Leben sind immer die Personen selbst, die das Coaching machen. Der Prozess führt Menschen ins Träumen, und meine Aufgabe oder die Aufgabe des Berufungscoachings ist dann zu suchen, wie man dieses Träumen auf ein realistisches Level bringt. Die grundsätzliche Haltung des Berufungscoachings ist: Es ist alles im anderen drinnen. Die Person, die zum Berufungscoaching kommt, weiß eigentlich alles. Ich darf dabei helfen, dieses Wissen zu heben, alles, was da ist, herauszuholen.
Was ist Ihrer Erfahrung nach die besondere Herausforderung am Berufungscoaching?
Manche trauen sich nicht zu träumen, und auch seine eigenen Sehnsüchte zu benennen, ist nicht immer so leicht. Manchmal fällt es den Leuten schwer, sich mit einem Thema zu beschäftigen. Manchmal fordert es besondere Bereitschaft und besonderen Einsatz – aber es ist halt auch so: Wenn man selbst viel investiert, bekommt man auch für sich viel heraus.
Und auch sich zu öffnen, fällt nicht allen leicht. Dazu muss man aber sagen, dass sich die Leute nur soweit öffnen müssen, wie sie wollen. Sie müssen mir nicht alles aus ihrem Leben erzählen, nur das, was jetzt gerade wichtig ist.
Das Berufungscoaching ist bestimmt nicht die Antwort auf alle Fragen, aber es kann ein Baustein sein. Es liefert keine Rezepte, aber es hilft, den eigenen Weg klarer zu sehen. Meine Erfahrung ist, dass diejenigen, die das Berufungscoaching machen, auch weiterkommen wollen und bereit sind, dafür auch einen gewissen Einsatz zu leisten.
Und was muss man tun, um bei Ihnen ein Coaching machen zu können?
Ich kann immer gleichzeitig drei Personen coachen. Für alle, die sich dafür interessieren, gibt es eine Warteliste bei Edina Kiss, sie ist Referentin für Berufungspastoral der Erzdiözese Wien. Sobald ein Platz frei ist, melde ich mich bei der nächsten Person auf der Warteliste.