Seit wann feiern wir Weihnachten?
Auf Spurensuche in der KirchengeschichteDas älteste Zeugnis für das Weihnachtsfest finden wir in einer römischen Kalenderliste aus dem Jahr 336. Wirft man heutzutage einen Blick in das Messbuch, so fällt auf, dass für den Christtag am 25. Dezember insgesamt drei Messen vorgesehen sind: die Christmette in der Heiligen Nacht (Missa in nocte), die Hirtenmesse am Morgen (Missa in aurora) und das Hochamt am Tag (Missa in die). Alexander Zerfaß, Universitätsprofessor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Salzburg, erzählt über die Entwicklung des Weihnachtsfestes.
Gab es damals schon die Tradition der drei Weihnachtsmessen?
Alexander Zerfaß: Genau diese Besonderheit der drei Messen, die die römische Liturgie zu Weihnachten kennt, ist tatsächlich erst am Ende der Spätantike entstanden. Zunächst wurde zusätzlich die mitternächtliche Messe eingeführt, die auch etwas mit dem Aufschwung der Marienverehrung und mit der Umgestaltung von Santa Maria Maggiore zur großen Marienkirche in Rom zu tun hat. Ursprünglich gab es eine Messe, wie es an einem Fest üblich war. Wir müssen bedenken, Weihnachten ist in einer Zeit entstanden, in der theologisch die Auseinandersetzung mit dem Arianismus eine große Rolle spielt.
[Anmerkung der Redaktion: Hatte Arius gelehrt, der Sohn sei ein Geschöpf und als solches dem Vater untergeordnet, wies das Bekenntnis des Konzils von Nizäa (325) zur Gleichwesentlichkeit („eines Wesens mit dem Vater“) der Theologie eine andere Richtung, wobei es sich nicht zuletzt auf Aussagen des Johannesevangeliums berufen konnte: „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh 10,30); „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9).]
Das Weihnachtsevangelium in der ursprünglich einzigen, heute dritten Messe vom Tage beinhaltet eben nicht das zweite Kapitel aus dem Lukasevangelium mit den Hirten auf dem Felde, sondern den Johannesprolog, der denkbar „theologischste“ Zugriff auf Weihnachten, den man sich einfallen lassen kann und der sich natürlich mit „Das Wort ist fleischgeworden“ als anti-arianische Spitze auch gut lesen lässt.
Was feiern wir zu Weihnachten?
Weihnachten ist ein Fest einer doppelten Ankunft. Zum einen geht es offensichtlich um die Ankunft Jesu im Stall von Betlehem, also um die Geburt des Gottessohnes in der Welt, zum anderen aber auch um die noch ausstehende zweite Ankunft Christi am Ende der Zeit. Insofern ist Weihnachten ein geradezu paradigmatisches Fest für christliches Zeitverständnis überhaupt, das immer ausgespannt ist zwischen „schon“ und „noch nicht“, wie Theologen gerne sagen. Der Apostel Paulus schreibt, dass wir einerseits schon im neuen Äon, in der neuen Zeit leben, die mit Christus angebrochen ist, andererseits aber eben auch der alte Äon daneben noch weiterläuft, weil Jesus selbst in seinen Gleichnissen vom Reich Gottes spricht, das schon angebrochen, aber noch nicht zur vollen Entfaltung gelangt ist. Wir feiern zu Weihnachten, dass uns das Heil in der Ankunft Christi in dieser Welt schon definitiv verbürgt ist, aber gleichzeitig stellen wir fest, dass dieses Heil doch nur gebrochen erfahrbar und erlebbar ist. Eine Hoffnungsperspektive wird aufgespannt, dass es einmal zu einer Vollendung kommen wird, wo unsere Erfahrungswirklichkeit in dieser Welt mit dem vollen Maß der Verheißungen Gottes sozusagen in Einklang kommt.
Ist diese doppelte Bedeutung von Weihnachten heute noch erkennbar?
Im 4. Jahrhundert hat Ambrosius, der Bischof von Mailand, seinen Weihnachtshymnus, das älteste uns bekannte Weihnachtslied, geschrieben. Die erste Strophe, die später weggelassen wurde, ist eine Bitte um die endzeitliche Wiederkehr Christi, während sich die zweite Strophe auf die Ankunft im Stall von Betlehem bezieht. Insofern ist der Ausfall dieser ersten Strophe im Laufe des Mittelalters schon wieder ein Anzeichen einer gewissen theologischen Engführung des Weihnachtsfestes, nämlich seiner Beschneidung quasi um die eschatologische Dimension, die später auf die Vorbereitungszeit auf Weihnachten ausgelagert worden ist. Die Lesungen der ersten beiden Adventsonntage sind stärker auf die zweite Ankunft ausgerichtet. In der zweiten Hälfte des Advents fokussiert sich alles stärker auf die bevorstehende Ankunft, die Geburt Christi. Dieser Doppelcharakter ist im Laufe der Zeit für das Weihnachtsfest selbst ein Stück weit verlorengegangen. Er ist aber dem Weihnachtsfestkreis als Ganzem erhalten geblieben, vor allem für die frühe Adventzeit.
Erstes Zeugnis für das Jahr 336
Das Weihnachtsfest am Heiligen Abend – 24. Dezember – ist die nach altem kirchlichen Brauch übliche „Vor-Feier“ (Vigil) eines Hochfestes. Als Ort für die Geburt Jesu nennt das Lukasevangelium Betlehem bzw. dessen Umgebung. Der historisch exakte Tag der Geburt Jesu ist jedoch unbekannt, da für die ersten Christengenerationen die genaue zeitliche Definition dieses Tages unbedeutend war. Als historisch gesichert gilt eine Feier des Geburtsfestes Jesu am 25. Dezember des Jahres 336 in der römischen Stadtliturgie. Ein römisches Kalenderwerk aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, der „Chronograph von 354“, enthält eine Liste der römischen Märtyrer, deren Todestage begangen wurden. Dort findet sich zum 25. 12. die lapidare lateinische Notiz: „Natus Christus in Betleem Iudeae.“ – „Christus ist in Betlehem in Judäa geboren.“ Es lässt sich zeigen, dass diese Märtyrerliste vor 336 in Rom entstanden sein muss. Offenbar kannte man also bereits zu diesem Zeitpunkt den 25. Dezember als Geburtstermin und beging ihn festlich. Von Rom aus verbreitete sich das Weihnachtsfest in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts rasch nach Nordafrika, Oberitalien, Spanien und in den Orient. Es entwickelte sich bald zum beliebtesten christlichen Fest.
Warum ausgerechnet der 25. Dezember?
Die Frage, warum ausgerechnet der 25. Dezember als Weihnachtsdatum gewählt wurde, löst unter Fachleuten Diskussionen aus. Einige Historiker gehen davon aus, die Kirche habe den Termin bewusst gewählt, um das von den römischen Kaisern 274 eingeführte heidnische „Geburtsfest des unbesiegbaren Sonnengottes“ („Dies Natalis Solis Invicti“) neu zu deuten. Dabei wurde zunächst gleichzeitig das Fest der Anbetung der Weisen begangen, das später auf den 6. Jänner verlegt wurde. Eine zweite Theorie meint, dass christliche Theologen schon im 3. Jahrhundert den im Evangelium nicht genannten Geburtstag Christi am 25. Dezember berechneten, weil man nach der Tradition vom 25. März als Tag seiner Empfängnis ausging.
Woher kommt das Wort „Weihnachten“?
Die deutsche Bezeichnung „Weihnachten“ ist erst seit dem 12. Jahrhundert belegt. Die Zusammensetzung enthält das untergegangene mittelhochdeutsche Adjektiv „wich“ mit der Bedeutung „heilig“ und geht zurück auf die Zeitbestimmung „zewihen nahten“, was also „in den heiligen Nächten“ bedeutet.
Erste Weihnachtskrippe vor 800 Jahren
Die Krippe wurde erst relativ spät in das christliche Weihnachtsfest aufgenommen. Beim Evangelisten Lukas heißt es: Maria „gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ Der Heilige Franz von Assisi hatte 1223 in Greccio als erster die Idee, zum Weihnachtsfest die Geburt Christi im Stall von Betlehem als „lebendes Bild“ mit lebenden Personen und Tieren nachzustellen.
Im mittelalterlichen Italien wurden zunächst geschnitzte oder wächserne Jesuskinder auf den Altar gelegt. Der Einzug der „Bambini“ in die Nonnenklöster ist für das 14. Jahrhundert belegt. Im 15. Jahrhundert begann die Wallfahrt zum „Bambino“ im Franziskanerkloster am römischen Kapitol (Aracoeli) als Gnadenort. Weitere Bambino-Gnadenorte entwickelten sich in der Barockzeit. Die wohl berühmteste dieser Gnadenfiguren ist das „Prager Jesulein“ aus dem Karmelitinnenkloster Maria Victoria in der tschechischen Hauptstadt. Es stammt aus dem Jahr 1628. Eine Nachbildung der Gnadenstatue befindet sich auch in der Wiener Karlskirche.
Ab dem 15. Jahrhundert gab es in Italien in den Kirchen permanente Krippen. Ab dem 17. Jahrhundert wurden Weihnachtskrippen auch außerhalb Mittelitaliens als Rekonstruktion des großen Ereignisses von Betlehem populär. Einzelne Landschaften entwickelten vor allem in der Barockzeit besondere Traditionen des Krippenbaus – so Sizilien, Tirol, Oberbayern, die Provence und die Goralischen Täler südlich von Krakau.
In protestantischen Gegenden waren Krippendarstellungen früher verpönt. So tolerierte sie die Obrigkeit im evangelisch geprägten Erzgebirge erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Danach erlebte die Kunst des Krippenschnitzens ihre Blütezeit.
Die Tradition des Christbaums
Der Christbaum wurde erst im 19. Jahrhundert zu dem zentralen Weihnachts-Symbol, das er heute ist. Ein erster schriftlicher Hinweis auf geschmückte Tannenbäume zu Weihnachten findet sich in der elsässischen Hauptstadt Straßburg im Jahre 1606. Nach Österreich kam der Christbaum durch preußische protestantische - und interessanterweise auch jüdische - Migranten.
In Wien stand erstmals 1814 ein Christbaum, und zwar bei der jüdischen Gesellschaftsdame Fanny von Arnstein. Während des Wiener Kongresses trafen sich im Hause Arnstein prominente Vertreter aus Diplomatie, Wissenschaft, Kunst und Journalismus. Der erste Beleg für ein Christbaumfest in Wien ist der Bericht eines Metternich'schen Polizeispitzels aus dem Jahr 1814. "Bei Arnstein war vorgestern nach Berliner Sitte ein sehr zahlreiches Weihbaum- oder Christbaumfest", vermerkte der Spitzel am 26. Dezember 1814. Daraus wurde vielfach abgeleitet, dass im Hause der aus Berlin gebürtigen adeligen Gesellschaftsdame am 24. Dezember 1814 der erste Wiener Christbaum aufgestellt wurde.