Seelsorgerin für krebskranke Menschen
Jutta AngerlerJutta Angerler ist Verwaltungsbeamtin und in der Pfarre Neuottakring im Pfarrgemeinderat. Vor acht Jahren folgte sie einer Eingebung beim Joggen. Heute besucht sie als Seelsorgerin jeden Montagnachmittag Menschen mit Krebs in der Klinik Ottakring.
Frau Angerler, die Idee, Krankenhausseel-sorgerin zu werden, ist Ihnen fast wie aus dem Nichts gekommen. Erzählen Sie davon!
Ich habe mich nach meiner Laufrunde am Gelände der Klinik Ottakring auf eine Bank vis-a-vis der Spitalskirche gesetzt und mich gefreut, dass ich meinen inneren Schweinehund überwinden konnte. Plötzlich war der Gedanke da: Krankenhausseelsorge! Das klingt vielleicht merkwürdig, aber so war es. Wobei ich dazu sagen muss: Damals war ich mit dem Leben insgesamt nicht so zufrieden und auf Sinnsuche.
Welche Schritte haben Sie daraufhin gesetzt?
Ich habe unserem Pfarrer von der Idee erzählt und ihn gefragt, was er davon hält. Ja, das könne er sich für mich gut vorstellen. Ab da kannte ich mein Ziel und habe den Weg beschritten: Ich habe den Theologischen Kurs und die Ausbildung zur Krankenhausseelsorgerin absolviert. 2018 wurde ich im Rahmen eines Gottesdienstes von Weihbischof Franz Scharl als Krankenhausseelsorgerin beauftragt.
Jeden Montagnachmittag – an Ihrem freien Tag – besuchen Sie die Kranken auf der Krebsstation in der Klinik Ottakring. Wie laufen diese Nachmittage ab?
Ich ziehe mir meinen weißen Kittel an, gehe kurz in die Kapelle und bitte den Herrn, mich dorthin zu führen, wo er mich haben möchte – auf meiner Station liegen fast dreißig Menschen, nicht immer kann ich alle besuchen. Ich gehe von Krankenzimmer zu Krankenzimmer, was mich dort erwartet, weiß ich nicht. Bei den Patienten stelle ich mich vor und frage, wie es ihnen heute geht.
Worüber sprechen die Patienten mit Ihnen?
Das ist unterschiedlich. Ich bin da und höre zu. Seelsorge ist absichtslos, im Gespräch muss nichts erreicht oder therapiert werden, das eröffnet oft den Raum für Unausgesprochenes. Manche sagen mir das, was sie ihren Angehörigen nicht sagen möchten, zum Beispiel: ‚Ich weiß ja, wie es um mich steht.‘ Auszusprechen, dass man sterben wird, kann guttun. Manche sind total verzweifelt, weil sie gerade eine schlimme Diagnose erhalten haben, und es hilft ihnen, über das zu reden, was sie bewegt. Das Gute ist: Ich habe etwas, was das Pflegepersonal nicht hat. Ich habe Zeit.
Nicht alle Patienten sind unbedingt gläubig, oder?
Ob ein Mensch gläubig ist oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Es geht in der Seelsorge um Menschlichkeit, nicht um Kirchlichkeit. Hin und wieder kommen die Patienten selbst auf den Glauben oder die Kirche zu sprechen. Wenn es Patienten wünschen, spende ich ihnen die Kommunion. Viel häufiger segne ich sie. Dabei braucht es natürlich ein gutes Gespür, was der Einzelne in diesem Augenblick braucht. Das kann ein Kreuz auf die Stirn sein, vielleicht auch ein kurzes Halten der Hände.
„Ich bin da und höre zu. Seelsorge ist absichtslos, im Gespräch muss nichts erreicht oder therapiert werden. “
Jutta Angerler
Ihr Ausgleich zur Seelsorge ist die Musik. Sie musizieren in pfarrlichen Musikgruppen.
Absolut! Die Musik bedeutet für mich Lebendigkeit und ist für mich eine Quelle der Kraft. Durch sie bin ich auch im Glauben gewachsen. Angefangen hat alles damit, dass die Leiterin der Musikgruppe bei einer rhythmischen Messe gesehen hat, wie ich in der Bank mitsinge. Daraufhin hat sie mich gefragt, ob ich nicht auch Teil der Gruppe sein möchte. Zwei Jahre später habe ich die Leitung übernommen und dafür mit 43 Jahren begonnen, Gitarre zu lernen ... Im Rückblick ist es schön für mich zu sehen: Mit der Musik hat alles angefangen, dann kamen die Seelsorge und die Mitarbeit in der Pfarre dazu. Durch alle diese Tätigkeiten habe ich zwar immer viel um die Ohren, aber ein sehr erfülltes Leben.