Seelsorge in Zeiten steigender Gewalt

Polizeiwallfahrt nach Mariazell
Ausgabe Nr. 37
  • Spiritualität
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Die Polizei Wien steht vor immer mehr Herausforderungen.
Die Polizei Wien steht vor immer mehr Herausforderungen. ©istock
In Zeiten steigender Gewalt wird Seelsorge immer wichtiger.
In Zeiten steigender Gewalt wird Seelsorge immer wichtiger. ©istock
Karolina Firzinger: Die Unterstützung durch die Seelsorge findet meist in Form von Gesprächen statt.
Karolina Firzinger: Die Unterstützung durch die Seelsorge findet meist in Form von Gesprächen statt. ©BMI
Am 13. September pilgert die Polizeiseelsorge nach Mariazell.
Am 13. September pilgert die Polizeiseelsorge nach Mariazell. Gerade in Zeiten der steigenden Gewalt ist die Seelsorge wichtig. ©istock

Karolina Firzinger, Wiens einzige Polizeiseelsorgerin, erzählt über die Herausforderungen für die Polizistinnen und Polizisten in Zeiten zunehmender Gewaltbereitschaft.

Jedes Jahr am zweiten Freitag im Septem­ber machen sich Polizistinnen und Polizisten – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee – auf den Weg nach Mariazell. Dieses Jahr musste die Wallfahrt nach Mariazell jedoch abgesagt werden. Der Grund: Die Wetterverhältnisse und damit verbundenes Sicherheitsrisiko. Wiens einzige Polizeiseelsorgerin Karolina Firzinger erläutert im Gespräch mit dem SONNTAG die Aufgaben der Seelsorge bei der Polizei.

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Was Seelsorge bei der Polizei ist

Was darf man sich unter der „Polizeiseelsorge“ konkret vorstellen?

KAROLINA FIRZINGER: Die Polizeiseelsorge gehört zur Kategorialen Seelsorge der Erzdiözese Wien, wie etwa auch die Telefon- und Krankenhausseelsorge. Wir sind für Polizistinnen und Polizisten und ihre Angehörigen zuständig, unabhängig von deren Konfession. Diese sind oft mit vielen schwierigen Einsätzen, Unfällen und auch Gewalt konfrontiert, aber auch Überstunden, private Sorgen und Krisen im sozialen Umfeld können belastend sein. Hier bieten wir Unterstützung an, meist in Form von Gesprächen: gemeinsam im Team auf der Dienststelle oder auch unter vier Augen in einem ungezwungenen Umfeld, beispielsweise im Café oder im Park. Wir begleiten Polizistinnen und Polizisten und ihre Angehörigen auch bei Trauerfällen und stehen auf Wunsch für religiöse Feiern, etwa eine Adventkranzsegnung in der Dienststelle, zur Verfügung. Jede Seelsorgerin, jeder Seelsorger ist für bestimmte Bereiche und Bezirke zuständig und so ist es mir besonders wichtig, regelmäßigen Kontakt mit „meinen“ Dienststellen zu halten, damit wir uns besser kennenlernen und eine Vertrauensbasis aufbauen können. Bei meinen Besuchen bekomme ich einen Eindruck, was die Polizistinnen und Polizisten im Moment besonders beschäftigt. So können Polizistinnen und Polizisten sich aktuelle Probleme schon von der Seele reden, bevor sie zur anhaltenden Belastung werden, und sie gehen nach einem guten Gespräch wieder mit neuer Kraft in den Dienst.
 

Seit wann arbeiten Sie in der Polizeiseelsorge? 

Ich bin seit 2019 als Polizeiseelsorgerin tätig und betreue die Polizistinnen und Polizisten des 3., 14. und 15. Wiener Gemeindebezirks. Ebenso besuche ich die Klassen der polizeilichen Grundausbildung, denn mir ist es sehr wichtig, von Anfang an auf uns aufmerksam zu machen und die Polizeiseelsorge und unsere Arbeit dort vorzustellen. 
 

„Viele Probleme sind gleich geblieben, haben sich aber im Laufe der Jahre verschärft.“

Karolina Firzinger

Seelsorge: Die Sorgen der Polizisten

Vor welchen Herausforderungen stehen heute die Polizistinnen und Polizisten? Hat sich da etwas in den letzten Jahren verändert?  

Viele Probleme sind gleich geblieben, haben sich aber im Laufe der Jahre verschärft. Der Personalmangel führt zu mehr Überstunden, dadurch entstehen Stress, Unzufriedenheit, aber auch Schwierigkeiten im Privatleben, beispielsweise mit Familie oder Freunden etwas Privates planen zu können. Diese Ungewissheit, ob man nach dem Dienst nach Hause gehen kann oder doch eine Verlängerung angeordnet wird, ist oft eine große Belastung. Die Gewaltbereitschaft in Wien steigt, brutale Morde und Körperverletzungen lassen auch die Menschen in Uniform nicht kalt. 

 

Mit welchen Fragen und Sorgen wenden sich die Polizistinnen und Polizisten an Sie? 

Die Probleme sind individuell und sehr verschieden. Von Unzufriedenheit wegen Überstunden bis hin zu Schwierigkeiten mit Kolleginnen und Kollegen, Verletzungen im Dienst oder Trennungen vom Partner sind die Themen sehr vielfältig. Aber auch Angehörige können sich mit ihren Sorgen an uns wenden, in einem Trauerfall oder wenn sie etwa Angst haben, dass ein geliebter Mensch im Polizeidienst verletzt wird. Manchmal werden den Polizistinnen und Polizisten belastende Themen auch erst in Gesprächen bei den Routinebesuchen bewusst. Auch schwierige Einsätze, die schon viele Jahre zurückliegen, werden zum Teil immer noch regelmäßig thematisiert, etwa wenn etwas Ähnliches wieder passiert ist.

Wallfahrt der Polizeiseelsorge 

Welche Bedeutung hat für Sie die alljährliche Wallfahrt der Polizeiseelsorge nach Mariazell, heuer am 13. September?  

Die Sternwallfahrt nach Mariazell ist für mich zum Highlight und Fixpunkt eines jeden Jahres geworden. Hier treffen Seelsorgerinnen und Seelsorger und Polizistinnen und Polizisten aus verschiedenen Bundesländern zusammen.Auch hochrangige Politiker kommen, um mit uns und den Polizistinnen und Polizisten zu pilgern, Messe zu feiern und bei der anschließenden Agape den Tag ausklingen zu lassen. Ich denke, dass wir alle hier neue Kraft schöpfen sowie das Gefühl der Gemeinschaft und Verbundenheit stärken können. Egal ob zu Fuß, mit dem Bus oder mit dem Auto: Wir kommen zusammen, um gemeinsam zu beten, zu bitten und zu danken, und beginnen den nächsten Dienst unter dem besonderen Schutz unserer Gottesmutter von Mariazell. 

Das Interview wurde vor der Absage der Wallfahrt der Polizeiseelsorge nach Mariazell geführt. Die Wallfahrt findet 2024 aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse nicht statt. 

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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