Schönborn warnt vor kirchlicher Nabelschau

Weltweiter synodaler Prozess
Ausgabe Nr. 26
  • Weltkirche
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Kardinal Schönborn in Rom
Kardinal Schönborn: „Wenn wir uns von vornherein mit der Gewissheit auf diesen Weg begeben, dass das am Ende herauskommen muss, was ich mir vorstelle, dann kann es eine Enttäuschung werden.“ ©Kathpress/Paul Wuthe
Kardinal Mario Grech und Kardinal Christoph Schönborn
Bei der Pressereise trafen Kardinal Schönborn und die Medienschaffenden in Rom auch mit Kardinal Mario Grech (Generalsekretariat der Bischofssynode) zusammen. ©Kathpress/Paul Wuthe

Bei einer Rom-Reise von österreichischen Journalistinnen und Journalisten erläuterte Kardinal Christoph Schönborn vor Ort den weltweiten synodalen Prozess. Im Blick auf die für Oktober geplante Bischofssynode ruft der Kardinal auf, den Blick auf die Themen möglichst weit zu halten und nicht auf ein spezielles, eher westeuropäisches Set an Reformfragen engzuführen.

„Mich haben am jetzt veröffentlichten Instrumentum laboris (Anm. der Red.: Am 20. Juni veröffentlichte der Vatikan das sogenannte „Arbeitspapier“ für die von 4. bis 29. Oktober in Rom stattfindende Bischofssynode.) vor allem diese Passagen im Basistext beeindruckt, in denen gesagt wird, dass Synodalität etwas mit ‚Incompletézza‘ zu tun hat, mit Unabgeschlossenheit“, sagte Kardinal Schönborn bei einer Journalisten-Reise nach Rom gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur „Kathpress“. „Das ist eine urbiblische Perspektive insofern, dass hier allen Ideologien ein Riegel vorgeschoben wird, die glauben, dass wir Dinge ein für alle Mal ‚haben‘“, betonte der Kardinal: „Mit dieser Form der ‚Incompletézza‘ zu leben ist schwierig, aber es wird dem Leben gerecht. Wir selber sind auf diesem Weg, sind ein Stück des langen Weges, der hinter und noch vor uns liegt. In diesem Sinne würde ich deutlich sagen: Der Weg ist nicht das Ziel. Der Weg ist der Weg; und ein Weg hat normalerweise ein Ziel.“

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Gefahr der permanenten Selbstreflexion

Kardinal Christoph Schönborn plädierte in Rom auch für eine offene Haltung gegenüber der Bischofssynode: „Wenn Sie nur EIN Resultat erwarten, dann kann es Enttäuschungen geben. Wenn Sie ergebnisoffen in diesen Weg gehen, dann kann es auch noch Enttäuschungen geben – aber sich auf den Weg der Synodalität einzulassen bedeutet, sich auf einen Weg einzulassen, in dem es um die Unterscheidung geht: Welchen Weg zeigst du uns?“ Und: „Wenn wir uns von vornherein mit der Gewissheit auf diesen Weg begeben, dass das am Ende herauskommen muss, was ich mir vorstelle, dann kann es eine Enttäuschung werden.“ Die erwähnte Unabgeschlossenheit von Synodalität sei „natürlich außerhalb der Kirche sehr schwer vermittelbar“. Auch Schönborn sieht die Gefahr, dass die ganze Sache in einer Nabelschau und permanenten Selbstreflexion der Kirche endet. „Die Gefahr der Nabelschau sehe ich auch. Sie war schon eine Gefahr beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Das Konzil hatte es dann geschafft, aus dieser Falle herauszukommen und hat sich den wirklich großen Fragen der Zeit und der Welt gestellt und zum Teil wirklich sehr, sehr weitreichende Antworten gegeben“, unterstrich der Kardinal: „Und ich hoffe, dass das hier auch so sein wird. Aber der Prozess ist offen – und die Gefahr besteht, dass man bei einer zu großen Selbstbeschäftigung stehen bleibt.

Kardinal Schönborn über die Begegnung österreichischer Medienschaffender mit Mitgliedern der römischen Kurie

„Schwere Enttäuschung“

Ich habe nicht den Eindruck, dass das in Asien, Afrika und Lateinamerika das Problem ist, weil dort die gesellschaftlichen Probleme so drängend sind, dass man als Kirche gar nicht anders kann, als sich damit auseinanderzusetzen.“ Die Kirche in Europa sei schon sehr in Gefahr, „uns zu sehr mit uns selber zu beschäftigen. Ich erlaube mir hier eine Kritik, die ich behutsam, aber doch deutlich formuliere: Die Europäische Bischofskonferenz, die sogenannte CCEE, in der ich 22 Jahre lang Mitglied war, hat sich mit vielen Themen beschäftigt – aber sie hat es nie geschafft, eine gemeinsame Position der europäischen Bischöfe in der Migrationsfrage zustande zu bringen.“ Schönborn: „Das ist für mich eine schwere Enttäuschung.  Warum hat man die Impulse von Papst Franziskus hier nicht aufgegriffen?“

Frauen: Nicht ausgeschöpft, was möglich ist

Angesprochen auf die Charismen der Frauen, erklärte der Kardinal: „Ich schaue auf unsere Gemeinden und sehe, was da alles möglich ist: Teilgemeinden einer Pfarre etwa werden bereits von Frauen geleitet. Das ist kirchenrechtlich überall möglich. Eine Pfarre muss von einem Priester geleitet werden. Aber eine Teilgemeinde kann natürlich von Frauen geleitet werden. Und das war eines meiner faszinierendsten Erlebnisse in der letzten Zeit, wie eine bestimmte Gemeinde unserer Diözese mit Letztverantwortung des Pfarrers durch eine sehr gute, engagierte und begabte Gemeindeleiterin geleitet wird. Wir haben die Spitalsseelsorge, die weit über die Hälfte von Frauen betrieben wird. Die Begräbnisleitung wird in zunehmendem Maße von Frauen gemacht. Wir haben bei weitem nicht ausgeschöpft, was möglich ist. Man muss es nur zulassen und wollen.“  

Das Gespräch führten Vertreterinnen und Vertreter österreichischer Medien in Rom, für den SONNTAG Chefredakteurin Sophie Lauringer.

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