Biblische Lektionen von Obdachlosen
AnekdotenAls Pater Andreas Hiller Pfarrer in der Marienpfarre in Wien-Hernals war, gab es einmal einen sehr strengen Winter. Fürs Schneeschaufeln war die Pfarre zuständig, also er und die Kapläne.
Eines Tages kamen sie mit der Arbeit nicht nach. Am frühen Nachmittag kamen zwei Obdachlose zu ihm und baten ihn um Geld. P. Andreas witterte eine Chance: „Natürlich bekommt Ihr Geld, aber Ihr könnt es euch auch verdienen. Wir haben so viel Schnee und müssen drei Mal am Tag schaufeln. Ich werde euch gut bezahlen, wenn Ihr einverstanden seid, unsere Gehwege zu reinigen.“ Die beiden waren sofort einverstanden: „Ja, ja, gerne! Sie werden mit unserer Arbeit zufrieden sein. Geben Sie uns nur die Schaufeln.“ Dann kam eine kurze Pause und dann eine Bitte: „Aber, Herr Pfarrer, es ist so kalt, können wir nicht zuerst etwas Schnaps haben?“ P. Andreas ließ sich erweichen, holte eine Flasche Schnaps und gab sie den beiden. Danach ging er seiner Arbeit nach.
Nach etwa einer Stunde wollte er nachschauen, wie weit die beiden schon gekommen seien. Von den beiden Männern war nichts zu sehen. Die Schaufeln lagen unbenützt im Schnee, der mehr statt weniger geworden war. Der Gehsteig war nicht geräumt worden, dafür aber lag die Schnapsflasche leer neben den Schaufeln.
Ein paar Tage später begegnete P. Andreas einer der Obdachlosen. Verärgert stellte er ihn zur Rede. Der aber antwortete treuherzig: „Herr Pfarrer, kennen Sie nicht die Bibel? Da steht geschrieben: Betrachtet die Vögel, sie arbeiten nicht und trotzdem erhält sie der Vater. Sie sind doch auch so ein Vater. Also dachten wir, wir folgen der Bibel, denn das muss man ja tun, und wir machen’s wie die Vögel. Wir nähren uns, trinken und arbeiten nichts.“ Perplex dachte sich P. Andreas: „Die Bibel ist echt zu allem gut.“