Neuer Religionsrat: Gegen Extremismus und für Dialog in Wien
Bürgermeister Michael LudwigDie Auswirkungen des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober mit den folgenden pro-palästinensischen Demonstrationen und der Brandanschlag auf die Jüdische Zeremonienhalle am Zentralfriedhof in Wien in der Nacht auf Allerheiligen zeigen einmal mehr, dass der Beitrag der Religionsgemeinschaften für ein friedliches Miteinander und für Toleranz unverzichtbar und notwendiger denn je ist. Damit Wien auch weiterhin eine Stadt des Friedens bleibt, in der Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben, wie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im Gespräch mit dem SONNTAG unterstreicht.
Warum haben Sie als Wiener Bürgermeister einen „Religionsrat“ ins Leben gerufen? Wozu dient er?
MICHAEL LUDWIG: So wie viele Wienerinnen und Wiener beobachte auch ich die aktuellen internationalen Konflikte mit großer Sorge. Kriege führen nur zum Leid Unschuldiger und können nie eine nachhaltige Lösung für internationale Probleme sein. Genauso will der Terror unsere Demokratie destabilisieren. Als Gesellschaft liegt es deshalb an uns, dagegenzuhalten. Von daher habe ich mich dazu entschlossen, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der anerkannten Religionsgemeinschaften den Wiener Religionsrat ins Leben zu rufen. Ziel dieses neu geschaffenen Rates ist die Förderung des friedlichen Miteinanders der Mitglieder der maßgeblichen in Wien vertretenen Religionsgemeinschaften und der Toleranz für deren Religionsausübung.
Welchen Beitrag können die Religionen für Frieden und Toleranz in Wien leisten?
Das gegenseitige Kennen, Schätzen und Unterstützen sowie die gelebte Toleranz zwischen den Religionsgemeinschaften unterstützen die Stadt Wien in ihren Bestrebungen, ein gemeinsames Miteinander der Menschen in der Stadt unabhängig von ihrer Konfession zu gewährleisten. So liefert die Einbeziehung der anerkannten Religionsgemeinschaften die Basis für einen Austausch auf Augenhöhe und eine friedvolle Gestaltung des gemeinsamen Lebens in Wien. Wien genießt ja schon lange als Stadt des Friedens hohes Ansehen in der internationalen Diplomatie. Als eine von vier Amtssitzen der Vereinten Nationen, der OSZE und der Grundrechteagentur der EU ist Wien ein Ort des globalen Dialogs und steht zur Förderung von Frieden, Abrüstung und nachhaltiger Entwicklungspolitik.
Wie zufrieden sind Sie in Wien mit dem Miteinander der Religionen und der Stadt? Was ist da noch ausbaufähig, was sollte verstärkt werden?
Als Bürgermeister weiß ich, dass eine gute Integrationspolitik intensive Arbeit ist und einen klaren Zugang mit konkretem Blick auf die Herausforderungen und Bedürfnisse braucht. Deshalb unterstütze ich jede Initiative, die das Ziel anstrebt, einen Beitrag zur positiven Entwicklung der Stadt und unserer Gesellschaft zu leisten. So habe ich vor gut zwei Jahren die Schirmherrschaft eines besonders wichtigen Projekts übernommen: „Die Botschafter des sozialen Zusammenhalts“, ein Projekt, bei dem ein Imam, ein Priester und ein Rabbi Schulen besuchen, um dort gemeinsam den interkulturellen Austausch zu fördern. Dieser soll dazu beitragen, bestehenden oder aufkommenden Vorurteilen zu entgegnen und damit aktiv gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus aufzutreten. Gerade in Zeiten von Social Media und Fake News entstehen leicht und schnell Vorurteile beziehungsweise werden gerne Vorurteile befeuert, die nicht nur zu Hass im Netz führen, sondern auch das Zusammenleben in unserer Gesellschaft gefährden. Ich setze mich für einen lösungsorientierten Weg und eine vernünftige Integrationspolitik ein, die weder die Augen vor den Problemen verschließt, noch hoch emotionale Debatten befeuert und Gesellschaftsgruppen stigmatisiert. Der Wiener Religionsrat wird mich darin unterstützen, was mich sehr froh und stolz macht.