Psychotherapie: Wie Begegnung gelingt
Sommergespräche: Christoph KolbeAls Psychotherapeut haben Sie ja diesbezüglich viel Erfahrung: Was ist eine gute Begegnung?
Christoph Kolbe: Es gibt Treffen, bei denen man im Nachhinein feststellt: Ich bin ausgelaugt und müde. Nach anderen Begegnungen ist man inspiriert, man fühlt sich leicht und beglückt. Woher kommt das? Nicht in jeder Beziehung ereignet sich Begegnung. Damit meine ich dieses Gefühl ‚da ist jetzt etwas passiert’, hier war etwas wichtig zwischen zwei Menschen. Das ist auch unabhängig davon, ob man sich schon lange kennt oder sehr vertraut ist miteinander. Entscheidend ist, ob etwas geschieht, das mich bewegt und eine Bedeutung für mich hat.
Wie kann so eine Art von Begegnung entstehen?
Im Wort Begegnung steckt das Wort „gegen“ drin. Es braucht ein Gegenüber, das am Wesentlichen interessiert ist und mich danach fragt: Wie geht es dir? Was bewegt dich? Durch so eine Frage oder auch dadurch, was der andere von sich erzählt, kann ich mir auch selbst begegnen. Karl Valentin hat einmal sinngemäß gesagt: Letztens habe ich mich besucht, da war nichts los, also bin ich schnell wieder gegangen. Bei einer echten Begegnung geht es um etwas, da ist was los.
Wie sehr muss ich mich selbst kennen, um ein gutes Gegenüber sein zu können?
Ich glaube, grundsätzlich hängt sehr viel für ein gutes und gelingendes Leben davon ab, in welchem Bezug ich zu mir selbst stehe. Dazu gehört die Achtsamkeit, wie es mir mit diesem und jenem geht. Einen guten Selbstbezug muss man trainieren. Kinder können das noch sehr gut. Als Erwachsene sind wir oft im Funktionieren und Gefallen verhaftet. Vielleicht sagt die Bibel auch deshalb: Werdet wie die Kinder! Es geht darum, wieder zu der Selbstverständlichkeit zurückzufinden, mit der wir wissen und ausdrücken können, wie es uns mit dem, was wir tun, eigentlich geht.
Für eine gute Begegnung braucht es, nicht zwingend, aber meistens, auch das Gespräch.
Ich unterscheide gerne zwischen Gespräch und Dialog. Zu einem guten Dialog braucht es zwei Menschen, die bereit sind, sich einerseits aufeinander einzulassen und andererseits etwas von sich preiszugeben. Ein Gespräch wird dann gut, wenn wir davon erzählen, was uns betrifft, was uns gerade glücklich gemacht hat, was uns bedeutsam ist.
Da gehört auch dazu, zuhören zu können.
Genau. Zuhören und interessiert sein. Wenn Antworten nur gehört werden gemäß der eigenen Vorstellungen, dann spüren wir, dass der andere seine Frage nur als Sprungbrett genutzt hat, um über sich zu sprechen. Im Dialog sind wir daran interessiert, was die andere Person bewegt.
Sie haben in einem Interview gesagt, man müsse offenbleiben für das Geheimnis, das der andere ist.
Vor allem wenn man lange in Partnerschaft lebt, macht man die Erfahrung, dass man den anderen nie wirklich kennt. Er ist immer auch noch ein anderer. Da gilt es, offenzubleiben. Einander aus der Idee heraus zu begegnen, ich weiß, wer du bist, ist festschreibend. Es bringt das Gegenüber in die Defensive und erzeugt das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen.
Haben Sie zum Abschluss noch einen konkreten Impuls, was wir zu einer guten Begegnung beitragen können? Ob es dann auch wirklich dazu kommt, hängt ja letztlich von mehreren Faktoren ab.
Ich denke, das Wichtigste ist das Interesse an der anderen Person. Wer bist du wirklich? Da braucht es auch den Mut beim Fragenden, mal in die Tiefe zu gehen. Was war in dem, was du mir gerade erzählt hast, so schön für dich? Oder was ist es, was dich bedrückt? Wir nennen das die Frage nach dem phänomenalen Gehalt. Ich mag diese Was-Frage sehr gerne, weil sie uns auch in eine tiefere Begegnung mit uns selbst führt. Was wir offenlassen müssen, ist, ob der andere uns das Vertrauen schenkt, uns genau das zu zeigen.