400 Jahre: Entdecken Sie das Pázmáneum in Wien

Die Wiener Botschaft der ungarischen Kirche
Ausgabe Nr. 39
  • Wien und Niederösterreich
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Hausfassade des Pázmáneums.
Das Klassizistische Portal im Ensemble der Boltzmanngasse. Gleich nebenan ist die US-amerikanische Botschaft. ©Pázmáneum
Weihbischof Kornél Fábry in der Mitte, Piaristenprovinzial Zsolt Labancz und Rektor János Varga.
Herz-Jesu-Kapelle: Weihbischof Kornél Fábry (Mitte), Piaristenprovinzial Zsolt Labancz (links) und Rektor János Varga (rechts). ©István Filep

Begeben Sie sich auf eine historische Reise zur Strudlhofstiege in Wien. Entdecken Sie das Pázmáneum in der Boltzmanngasse. Einst Priesterseminar, heute ein Studien- und Gästehaus der ungarischen katholischen Kirche.

Geht man die durch Heimito von Doderers Wienroman bekannte Strudlhofstiege hinauf, gelangt man direkt in die Boltzmanngasse. Hier befindet sich eines von vielen interessanten Gebäuden, das seine Ursprünge in der österreichisch-ungarischen Vergangenheit hat: Das Pázmáneum.

Namensgeber des Hauses ist Péter Pázmány (1570–1637), der damalige Erzbischof von Esztergom, der als Stifter fungierte. Am 20. September 1623 wurde das Gründungsdokument veröffentlicht. Pázmánys Ziel: Er wollte gute Priester ausbilden, die ihren Glauben beweisen sollten. Der historische Hintergrund: Die Osmanen hatten zur Gründungszeit große Teile Ungarns besetzt. Die Ausbildungsstätte musste daher an einem anderen Ort ihren Betrieb aufnehmen.

Die Führung des Instituts lag bei dem damals bereits sehr populären Jesuitenorden, dem auch Pázmány angehörte. Im Dezember 1623 bestätigte Papst Urban VIII. die Gründung. Bald konnten die ersten 16 Priesterseminaristen in der Wiener Annagasse in das Kollegium einziehen. Nach vielen Übersiedlungen – sogar nach Pressburg (der heutigen Hauptstadt der Slowakei) wurde das Institut verlegt – folgte in den Jahren 1899–1900 ein Neubau in der Waisenhausgasse, der heutigen Boltzmanngasse. Rektor Miklós Széchenyi (1868–1923), aus altem ungarischem Adel stammend, fungierte als Bauherr. Zur Deckung der erforderlichen Baukosten rief der spätere Bischof von Györ (Raab) und Nagyvárad (Großwardein) zu einer Spendenaktion auf – mit Erfolg.

Nach Fertigstellung besuchte auch Kaiser Franz Joseph, hier wird er als König betitelt, das Institut. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Haus eine Art „Auslandsseminar“ für ungarische Studenten. Im Zweiten Weltkrieg fanden zusätzlich zu den Seminaristen zahlreiche Flüchtlinge, durchreisende Kinder und Jugendliche und vertriebene Ungarndeutsche Aufnahme. Der letzte Weihejahrgang war dann im Jahr 1963. Insgesamt wurden im Pázmáneum 9.000 Seminaristen zu Priestern geweiht. Heute ist das Collegium eine eigenständige Stiftung der ungarischen katholischen Kirche und untersteht dem Erzbischof von Esztergom-Budapest Péter Kardinal Erdő.

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Ein eigenes Kapitel ungarischer Geschichte

Prominentester Bewohner des Pázmáneums war der ungarische Primas József Mindszenty (1892–1975). Nach 15-jährigem Zwangsaufenthalt in der US-amerikanischen Botschaft in Budapest verbrachte der unbeugsame Kardinal von Esztergom seine letzten vier Lebensjahre in Wien. Vom Pázmáneum aus besuchte der mutige und populäre Mindszenty Landsleute in aller Welt – sehr zum Missfallen des kommunistischen Regimes. Noch heute erinnert sein ehemaliges Arbeitszimmer als Gedenkraum an ihn. Rektor János Varga zeigt dieses auch gerne bei Hausführungen.

Vergangenen Mittwoch, dem 20. September,  wurde der 400. Geburtstag mit der ungarischen Hausgemeinschaft gefeiert. Der Budapester Weihbischof Kornél Fábry zelebrierte eine Festmesse, bei der auch Botschafterin Edit Szilágyiné Bátorfi Grußworte an die traditionsreiche ungarische Institution überbrachte. Das Pázmáneum ist eine von 80 ungarischen Gemeinden, die es weltweit gibt. Was Weihbischof Fábry am Haus in Wien gefällt? „Die Beharrlichkeit!“, meint er in Erinnerung an die wechselvollen 400 Jahre. Das Haus stehe eben für „unseren Glauben“.

Das Pázmáneum: Offen für Interessierte und Besucher

Das beweist auch Rektor János Varga. Der gebürtige Budapester leitet das Pázmáneum seit 13 Jahren mit viel Engagement und Freude. Studierende und Gäste aus Ungarn finden hier ein offenes Haus, ebenso Interessierte für einen Besuch, zum Beispiel bei einem Konzert oder einer Hausführung. Sicherheit ist übrigens garantiert: Die US-Botschaft hat Teile des Gebäudes gemietet. Die Mieteinnahmen tragen auch dazu bei den finanziellen Fortbestand dieser einzigartigen ungarischen Institution in Wien zu sichern.

  • Die Vorabendmesse wird am Samstag um 17:00 Uhr in ungarischer Sprache gefeiert.
  • Gottesdienste und Hausführungen auf Deutsch: collegiumpazmaneum@gmail.com
  • Adresse: 1090 Wien, Boltzmanngasse 14
Autor:
  • Sophie Lauringer
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