Ordensleute blühen mit Gott auf
Religion als BereicherungAls Begegnungszentrum mit den österreichischen Orden steht das Quo Vadis unweit des Stephansdoms Interessierten offen. Seit Februar dieses Jahres ist Marius Binder dort beschäftigt.
Ihre Tätigkeit im Quo Vadis ist für Sie etwas ganz Neues. Mit Ordensleuten hatten Sie davor kaum Kontakt?
Vor dem Quo Vadis hatte ich vor allem durch die Musik mit der katholischen Kirche zu tun, als Organist, Sänger bei Begräbnissen oder auf Hochzeiten etwa. Ordensleute kannte ich bis vor ein paar Monaten noch keine. Im Quo Vadis arbeite ich nun mit einigen ehrenamtlichen Mitarbeitern, die zum Teil über 40 Jahre im Orden sind, die drei Gelübde abgelegt und sich zu freiwilligem Verzicht entschieden haben. Das ist diametral gegenübergestellt zu dem, wie ich mein Leben lebe. Am Anfang habe ich das ehrlicherweise nicht verstanden, war aber fasziniert davon.
Und jetzt, nach drei Monaten?
Es ist für mich eine unglaubliche Horizonterweiterung. Ich sehe, wie Religion als Freiheit erlebt wird und es begeistert mich ungemein zu beobachten, wie Ordensleute es schaffen, komplett in Gott aufzugehen. Mit ihnen kann ich extrem gut reden, und ich empfinde es als Privileg, durch meine Arbeit als Programmkoordinator im Quo Vadis mit so vielen unterschiedlichen theologischen Auffassungen und Ordensmenschen in Berührung zu kommen. Ich lerne, dass sie sich alle voneinander unterscheiden. Einerseits hat jeder seinen Charakter – kein Salesianer ist wie ein zweiter Salesianer, kein Benediktiner wie ein zweiter – andererseits prägt natürlich auch der Orden.
Manches ist für mich nach wie vor wie aus einer anderen Welt. Vor einiger Zeit besuchten uns die Zisterzienser aus Heiligenkreuz und luden zum Mittagsgebet ein. In einem von uns provisorisch aufgestellten Chorgestühl wurde auf Latein aus dem Stundenbuch gebetet, mit Verbeugungen alle paar Sätze. Das war für mich sehr neu und ein unglaublich beflügelndes Erlebnis. Wichtig im Quo Vadis ist, dass wir die Meinungen und Zugänge aller respektieren. So unterschiedlich die Orden auch sind – in Österreich gibt es über 180 Ordensgemeinschaften , das Quo Vadis vertritt sie allet.
Marius Binder
Alter: 29
Wohnort: Wien
Lebensmotto: Wenn man sich ins Grab legt und man ist noch frisch, wäre es Verschwendung.
Gott ist für mich: ein Absolutum.
Sonntag bedeutet für mich: Kraft.
Sie sind unter anderem für die Organisation von Veranstaltungen im Quo Vadis zuständig.
Wir legen den Fokus auf Veranstaltungsreihen, die haben eine hohe Außenstrahlung. Im Moment treffen zum Beispiel jeden ersten Dienstag im Monat in unserer Reihe „Zwischen Konzertsaal und Chorgestühl“ junge Komponistinnen und Komponisten auf Ordensleute und sprechen über Fragen wie "Wo berühren sich Ästhetik und Spiritualität?". Wir möchten damit Menschen ansprechen, die davor entweder nichts mit neuer Musik oder mit Ordensleuten zu tun hatten. Beide Gesprächspartner ziehen ein bestimmtes Publikum an und wir versuchen in den Podiumsgesprächen den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser zwei, vorerst konträr wirkenden Welten auf den Zahn zu fühlen.
Als Künstler ist Ihnen der Zugang zu Ästhetik sehr vertraut. Wie sieht es mit der Spiritualität aus?
Ich habe darüber nachgedacht, was Spiritualität für mich bedeutet und weiß es noch nicht genau. Auf jeden Fall wurde mir klar, dass man die Größe Gottes nicht verstehen kann. Allerdings glaube ich daran, wenn man wirklich gute Musik, wirklich gute Kunst erfährt, kann man hoffen, zumindest einen Blick auf den Rockzipfel Gottes zu erhaschen. Musik kann über den Moment emporheben und etwas Höheres offenbaren. Meine spirituellen Erfahrungen sind demnach hauptsächlich ästhetischer Natur.
Die Größe Gottes kann man nicht verstehen.
Marius Binder
Und es ist so simpel wie: Wenn man in die Natur rausgeht und einen Vogel im Gebüsch rascheln hört und sich mit einem Schlag bewusst wird, wie alles ineinandergreift, wie Zahnräder, da bin ich dem, was ich unter Himmel verstehe, am nächsten.