Ordensleben auf Zeit

Das Freiwillige Ordensjahr
Ausgabe Nr. 6
  • Leben
Autor:
„Der Alltag in einer Ordensgemeinschaft ist eine neue, ganz fremde Welt", Schwester Anne Buchholz.
„Der Alltag in einer Ordensgemeinschaft ist eine neue, ganz fremde Welt", Schwester Anne Buchholz. ©Anne Buchholz/privat
Teilnehmer des Freiwilligen Ordensjahrs in Gesellschaft.
Teilnehmer des Freiwilligen Ordensjahrs in Gesellschaft. ©Anne Buchholz/privat
60 Ordensgemeinschaften aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz öffnen ihre Türen für all jene, die Interesse daran haben, mitzuleben, mitzubeten und mitzuarbeiten.
60 Ordensgemeinschaften aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz öffnen ihre Türen für all jene, die Interesse daran haben, mitzuleben, mitzubeten und mitzuarbeiten. ©Anne Buchholz/privat
Welche dieser Ordensgemeinschaften dann die passendste für sie ist, entscheiden die Ordensjahrteilnehmerinnen und -teilnehmer gemeinsam mit Schwester Anne Buchholz.
Welche dieser Ordensgemeinschaften dann die passendste für sie ist, entscheiden die Ordensjahrteilnehmerinnen und -teilnehmer gemeinsam mit Schwester Anne Buchholz. ©privat

Ein Angebot für Frauen und Männer aller Altersgruppen und aller Konfessionen, die Interesse daran haben, in einem Kloster, einer Ordensgemeinschaft mitzuleben, mitzubeten und mitzuarbeiten – das ist das Freiwillige Ordensjahr. Schwester Anne Buchholz ist seit September 2023 die Koordinatorin dafür.

Insgesamt 60 Ordensgemeinschaften aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz sind es, die beim Freiwilligen Ordensjahr mitmachen und ihre Türen für Interessierte öffnen. Schwester Anne Buchholz, Religionspädagogin, diplomierte Krankenschwester und Ordensfrau bei den Missionarinnen Christi, kennt sie alle. 40 davon hat sie bereits persönlich besucht und sich vor Ort ein Bild von ihrem Leben gemacht. „Ich empfinde dieses Hineinschauen in die Gemeinschaften als Schatz und Ehre“, erzählt sie im Gespräch mit dem SONNTAG. „Ich bekomme einen kleinen Einblick, wie sie ihre Tage verbringen, wie der Alltag läuft, was besonderes Gewicht hat. Die Ordensgemeinschaften sind so unterschiedlich, so liebenswert – jede auf ihre Art. Aber alle auf dem Weg der Nachfolge Christi.“ Viele leben Ihre Berufung sehr still, sagt Schwester Anne Buchholz, andere lauter und auffälliger. „Das ist wunderbar – alles hat seinen Platz und alles hat eine enorme Wirkkraft in die Welt – davon bin ich überzeugt.“ 

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Was ist das Freiwillge Ordensjahr?

Schwester Anne, Sie sind die Koordinatorin für das Freiwillige Ordensjahr. Was darf man sich darunter genau vorstellen?

Schwester Anne Buchholz: Das Freiwillige Ordensjahr ist ein Angebot für Frauen und Männer aller Altersgruppen und aller Konfessionen, die gerne einmal in einem Kloster mitleben möchten und auch Interesse haben, sich dort – wenigstens zu einem Teil – einzubringen, mitzuarbeiten. Es geht beim Freiwilligen Ordensjahr nicht darum, neue Ordensmitglieder zu werben. Natürlich kann das passieren und dann ist das auch herzlich willkommen. Aber eigentlich geht es darum, Menschen eine Auszeit zu ermöglichen, Einblicke in eine andere Welt zu geben. Und es geht umgekehrt auch darum, dass Gemeinschaften mit anderen Lebensrealitäten in Berührung kommen. Eine neue Qualität von Leben, von Zusammenleben für beide Seiten also. 
 

In welcher Lebenssituation sind diejenigen, die zu Ihnen kommen und sich für das Freiwillige Ordensjahr interessieren?

Es kommen oft sehr junge Menschen, die am Anfang ihres Erwachsenenlebens stehen, die auf der Suche sind und nicht genau wissen, wie es weitergeht und wohin es sie zieht. Dann kommen aber auch Menschen mittleren Alters, die an einer Lebenswende stehen und sich neu orientieren wollen, die zum Beispiel ein Sabbatjahr planen oder eine Sabbatzeit. Und dann sind da auch noch Pensionisten, Menschen knapp nach ihrer Pensionierung oder solche, bei denen die Pensionierung unmittelbar bevorsteht. Menschen, die meinen, dadurch viel Zeit zur Verfügung zu haben und die mit ihrer Zeit Sinnvolles anfangen wollen. 
 

Freiwilliges Ordensjahr: Das Leben in der Ordensgemeinschaft

Sie haben anfangs gesagt, dass die Teilnehmenden am Freiwilligen Ordensjahr sich in das Leben der Ordensgemeinschaften einbringen sollen. Wie kann dieses Einbringen und Mitarbeiten aussehen?  

Da gibt es in den Ordensgemeinschaften eine enorme Bandbreite: Es gibt Gemeinschaften, die einen Forstbetrieb haben, andere mit einer Gärtnerei, wieder andere mit einem Krankenhaus, einem Kindergarten, einer Schule oder einem Museum. Tätige Gemeinschaften und kontemplative, regionale und internationale. Man kann wirklich für jeden etwas finden. Ich habe derzeit etwa einen jungen Interessenten, der gerne mehr über Gartenbau, Kräuter und alternative Heilmethoden erfahren möchte und für den wir eine Ordensgemeinschaft gefunden haben, die darauf spezialisiert ist. Oder ein anderes Beispiel: Ich hatte eine Interessentin, die in einer Ordensgemeinschaft als Pflegeassistentin gearbeitet hat und jetzt immer noch dort beschäftigt ist. Eine andere Frau hat während ihres Freiwilligen Ordensjahres Orgelspielen gelernt und dann auch in der Ordensgemeinschaft gespielt.
 

Ablauf des Freiwilligen Ordensjahr

Wenn Interessenten zu Ihnen kommen – wie geht es dann weiter? Wie läuft das Freiwillige Ordensjahr ab?

Wenn Interessenten zu mir kommen, dann schaue ich mit ihnen, was passen könnte, wo sie sich einbringen können. Ich stelle Fragen wie: Wo geht ihre Sehnsucht hin? Was würden sie gerne einmal ausprobieren? Welche Art zu beten passt zu ihnen? Wie viel Gemeinschaft suchen sie? Manche haben sehr konkrete Vorstellungen – wissen etwa, ob sie aufs Land wollen oder in die Stadt. Manche studieren, andere haben einen Job, in dem sie einfach weiterarbeiten möchten, aber trotzdem für eine Zeit lang Teil einer Gemeinschaft sein wollen. Andere brauchen eine Anstellung während der Zeit in der Ordensgemeinschaft, um versichert zu sein. Meist einige ich mich nach der Vorauswahl mit der Bewerberin oder dem Bewerber auf zwei Ordensgemeinschaften, in denen mal „geschnuppert“ werden kann. Da sieht man dann meistens schon: Passt das, oder sucht man ganz etwas anderes? Und auch die Ordensgemeinschaften haben so die Möglichkeit, die Bewerberinnen und Bewerber kennen zu lernen. 
 

Was müssen all jene, die sich für das Freiwillige Ordensjahr interessieren, mitbringen?

Neben dem prinzipiellen Interesse braucht es die Bereitschaft, sich auf etwas Neues, auf den Alltag und das Leben in einer Ordensgemeinschaft einzulassen. Etwas flapsig formuliert: Das bedeutet nicht, dass man alles dort toll finden muss. Aber von den Grundprinzipien her sollte es schon passen. Der gegenseitige Respekt und auch die Wertschätzung sind wichtig.  
 

Die Herausforderungen des Freiwilligen Ordensjahr

Was, würden Sie sagen, ist die größte Herausforderung am Freiwilligen Ordensjahr?

Im Grunde ist es eine neue, eine ganz fremde Welt, zum Teil auch eine andere Alltagssprache. Dessen muss man sich bewusst sein. Der Alltag in einer Ordensgemeinschaft ist durch die Gebets- und Essenszeiten strukturierter als der Alltag außerhalb. Es sind fremde Menschen, mit denen ich da mitlebe. Jedem und jeder, der das Freiwillige Ordensjahr macht, wird auf alle Fälle von Seiten der Gemeinschaft ein Begleiter oder eine Begleiterin zur Seite gestellt – und mit denen gibt es dann auch regelmäßig Gespräche.  
 

„Der Alltag in einer Ordensgemeinschaft ist eine neue, ganz fremde Welt.“

Schwester Anne Buchholz 

 

Warum machen die Leute Ihrer Erfahrung nach ein Freiwilliges Ordensjahr?

Manche suchen Besinnung – sie wollen zu sich selbst finden und anderes an sich kennen lernen. Andere wollen ihren Glauben vertiefen. Sie spüren – vielleicht aus einer neuen Lebenssituation heraus – den Wunsch, besser im Glauben verankert zu sein. Oder sie wollen einfach das Leben in einer Gemeinschaft in einer bisher ungekannten Dimension erleben. Andere wollen etwas Gutes tun – wollen sich sozusagen für die Allgemeinheit einbringen, etwas für sich selbst und für andere tun. 
 

Und wie lange dauert ein Freiwilliges Ordensjahr?

Manche sind drei Monate in einer Gemeinschaft, manche ein Jahr. Und auch wenn man gesagt hat, man bleibt ein Jahr, dürfte man es trotzdem  sagen, wenn es nicht mehr passt und man lieber gehen möchte. Erfreulicherweise – für alle Beteiligten – kommt das wirklich extrem selten vor. Im Gegenteil, die meisten bleiben mit „ihren“ Gemeinschaften in Verbindung. Eine Freiwillige arbeitet zum Beispiel weiterhin im Archiv der Schwestern mit oder ein anderer verbringt regelmäßig kurze Auszeiten in „seinem“ Kloster. Manche begleite ich und sie finden einen Platz, der passt. Und andere begleite ich und es kommt dann doch nicht zu einem Engagement in einer Ordensgemeinschaft. Auch das ist im Bereich des Möglichen – dass man nach reiflicher Überlegung merkt, dass das Freiwillige Ordensjahr doch nicht das Richtige ist. Wenn ich ehrlich bin, dann finde ich aber, dass auch dieses Ergebnis ein gutes Ergebnis ist. Denn im Grunde wollen wir ja eben die Leute mit unserem Angebot ein Stück ihres persönlichen Lebensweges begleiten, ihnen helfen, ein Stück weiterzukommen, ihnen vielleicht auch mehr Kraft fürs Weiterkommen geben. Und gerade das kann sich eben unterschiedlich zeigen. 

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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