„Nächstenliebe als Gottesdienst“
Interview - GedenksymposiumMaria Loley verstarb am 4. Februar 2016. Zu ihrem 90. Geburtstag am 22. November 2014 war sie im Interview mit "Der SONNTAG":
Das Interview mit Frau Loley wurde am 2. November 2014 geführt.
Maria Loley, Sie werden am 22. November 90 Jahre alt. Wofür sind Sie besonders dankbar?
Maria Loley: Besonderer Dank erfüllt mich, wenn ich bedenke, wie sehr Gott bei meinem Beruf als Fürsorgerin immer „dabei“ war. Wenn ich in meinem Beruf mit Menschen gesprochen habe, habe ich sehr oft gespürt, Gott ist in diesem Gespräch mit „dabei“.
Sie haben sich von 1945 an bei der Betreuung von Flüchtlingen engagiert. Warum?
Wenn jemand flüchten muss, dann ist er in einer besonderen Armut und verdient in besonderer Weise Zuwendung. Denn eine Heimat verlassen heißt, eine Herz-Mitte verlassen. Deshalb habe ich mich bei Flüchtlingen besonders bemüht, sie eine gewisse Geborgenheit spüren zu lassen: Ich bin da. Aus großer Verantwortung heraus. Sodass einmal ein Moslem gesagt hat: Wir haben nur mehr Gott und die Maria. Ich behaupte, er hat damit die Muttergottes gemeint. Muslime legen großen Wert darauf, dass ihre Liebe zur Jungfrau Maria geachtet wird.
Maria Loley über die "Bewegung Mitmensch"
Welche Bedeutung hat die „Bewegung Mitmensch – Flüchtlingshilfe Poysdorf“ für Ihr Leben?
Dass ich mich hier der Mitmenschlichkeit voll gewidmet, verschrieben habe. Dies war nicht nur an einen bestimmten Zeitabschnitt gebunden, sondern das war mein Leben und wurde immer mehr mein Leben. Das heißt, dass der Mitmensch mit Gott in eine Einheit gebracht werden muss. Wenn ich mich dem Mitmenschen widme, dann habe ich den Auftrag von Jesus ausdrücklich erfüllt, der sagt: „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Oder eben nicht getan. Diesen Dienst am Mitmenschen habe ich immer als einen Gottesdienst verstanden.
Am 16. Oktober 1995 wurden Sie Opfer einer Briefbombe. Denken Sie manchmal daran?
Kaum mehr. Wenn ich ungeschickt hantiere, weil mir der Zeigefinger fehlt, dann denke ich schon: Er geht mir ab, ich habe was verloren. Aber das sind flüchtige Momente. Ich sehe das Ganze als vergangen an.
Warum Maria Loley dem Attentäter verziehen hat
Sie haben dem Attentäter verziehen?
Ja! Das ist eine einzige Folgerung: Wenn ich Christ bin und das Vaterunser bete und dabei nicht verzeihe, dann lüge ich mit dem Vaterunser Gott an. Jesus sagt sinngemäß, dass keiner sein Jünger sein kann, der nicht von Herzen seinem Bruder verzeiht.
Was halten Sie von Österreichs Umgang mit dem Thema „Fremde“ und „Asyl“?
Es verbindet sich damit auch ungeheuer viel Verantwortungslosigkeit. Wenn ich nur daran denke, was im Alten Testament über den Fremdling, den Fremden steht, über den Umgang mit ihm. Dann ist das eine Aufforderung von Gott, mit den Fremden in besonderer Verantwortung umzugehen. Wie gehe ich um mit dem Fremden? Heute geht es zu wenig um den Sinn dessen, was die Alten schon gedacht und empfunden haben. Die alten Chinesen haben schon 4000 v. Christus eine Weisheit geprägt: „Es kommt im Leben nur darauf an, sich selbst an die zweite Stelle zu setzen.“ Wenn das manche Politiker bedenken würden, was mit dieser Weisheit gefordert ist, dann würden sie anders handeln.
Meine Kraft schöpfe ich einzig und allein aus der Eucharistie. Jesus ist meine Kraft, er hält mich, er stärkt mich.
Sie sind auch im Ruhestand aktiv und kommen selbst nicht zur Ruhe: Woraus schöpfen Sie Ihre Kraft?
Einzig und allein aus der Eucharistie. Jesus ist meine Kraft, er hält mich, er stärkt mich.
Wenn Sie in wenigen Sätzen das Christentum erklären müssen, wie würden diese Sätze lauten?
Dem Beispiel Jesu folgen. Ich habe das ganz bewusst getan. Ich habe meinen Dienst als Fürsorgerin, der gesetzlich geregelt war mit Paragraphen, orientiert am Evangelium, an den Worten Jesu. Ich wurde gefragt nach dem Wortlaut des Gesetzes und ich habe das mit dem Evangelium in eine geistliche Ausrichtung gebracht. Wenn ich gefragt wurde, woher ich diese Orientierung nehme, dann habe ich schon offen bekannt: Von Jesus Christus habe ich meine innere Ausrichtung, wie ich arbeite und wie ich arbeiten muss.
Welche Bibelstelle ist Ihnen eine große spirituelle Hilfe?
Im Johannes-Evangelium, 14. Kapitel, Vers 23, heißt es: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“ Das ist eine Wahrheit, die Jesus uns verheißen hat, die Himmel und Erde bewegt. Wenn Jesus in mir Wohnung nimmt, nicht weil ich eine Heilige bin, sondern weil er die Sünder liebt, dann bewege ich mich mit ihm. Ich diene dem Kommen seines Reiches, das ist mir ein bewusstes Anliegen. Trotz aller Mühsal. Denn das Alter ist mir oft auch Plage. Ich bin keine Heldin im Annehmen, ich habe mir das Altern und das Alter leichter vorgestellt.
Zur Person: Maria Loley
Am 22. November 1924 wird Maria Loley als ältestes von fünf Kindern in Poysdorf im Weinviertel geboren. Maria beteiligt sich 1945 in ihrer Heimatstadt an der Betreuung der Flüchtlinge und Überlebenden des „Brünner Todesmarsches“ und infiziert sich selbst mit Ruhr, Typhus und Tuberkulose. 1949: Abschluss der Ausbildung zur Fürsorgerin in Wien mit dem Staatsexamen, Arbeit in einem Flüchtlingslager in der Steiermark. 1956 bis 1959: Fürsorgerin in St. Johann im Pongau. 1959 bis 1975: Fürsorgerin im Jugendamt von Mistelbach. Maria Loley verstarb am 4. Februar 2016 in Laa an der Thaya.
1976 bis 1979: Aufbau des Psychosozialen Dienstes im Weinviertel, Gründung der Familienberatung und der Sozialstation Poysdorf. 1981 bis 1989: Ehrenamtliches Engagement in der Polenhilfe; z. B. Hilfstransporte nach Polen. Adoption des 18-jährigen Thaddäus. 1992: Beginn des Engagements für Flüchtlinge aus den Jugoslawienkriegen. 1994: Im September erhält Loley den erstmals ausgeschriebenen und mit 100.000 Schilling dotierten Preis des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlingshilfe UNHCR. Am 16. Oktober 1995: Briefbombenattentat wegen ihres Engagements für Flüchtlinge. Gründung der „Bewegung Mitmensch – Flüchtlingshilfe Poysdorf“.
Viele Auszeichnungen und Ehrungen verdeutlichen Loleys Engagement, u. a. : Ehrenring der Stadtgemeinde Poysdorf, Anerkennungspreis der Bruno-Kreisky-Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte, „Frau des Jahres“ des Fernsehsenders ARD, Goldenes Verdienstzeichen der Republik Österreich, „Stephanusorden in Gold“, Liese-Prokop-Frauenpreis, Auszeichnung der Islamischen Föderation, Wien, „Gustl 58 - Initiative für Herzensbildung“...
Termintipp: Symposium zum 100. Geburtstag von Maria Loley
- Wann: Fr., 22.11.2024, 14:00–17:00 Uhr
- Veranstaltungsort Kolpinghaus Poysdorf, Kolpingstraße 7, 2170 Poysdorf
- Freie Spende für die Arbeit der „Bewegung Mitmensch Weinviertel“ erbeten
- Referent/innen Prof. Dr. Johann Pock, Mag. Dr. Gert Dressel, Mag.a Edith Auer
- Anmeldung: bis 14. November 2024: Zur Anmeldung