Mut zur Selbstkorrektur
Christen denken gern groß – und fallen dann manchmal tief. Unter Synodalität als Heilmittel für alles und jeden Konflikt tun wir’s nicht mehr.
Auch immer ein Hit: Europa und seine Werte, die – no na – christlich zu sein haben. Zum Wohle der Welt, versteht sich. Die Gleichung geht dabei in etwa wie folgt: Christentum = Friede, Freiheit, Solidarität und Menschenwürde + staatliche Umsetzung durch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Fertig ist der europäische Exportschlager. Nur deppert, wenn immer weniger Menschen die Gleichung nachvollziehen können. Weil sie Opfer des Bildungssystems wurden – oder weil sich der Werte-Export durch imperiale Begleitmusik selbst diskreditiert hat. Die zentrale europäisch-christliche Frage lautet daher: Was haben wir eigentlich noch zu geben?
Vielleicht wäre ein wenig mehr Bescheidenheit und Selbstkritik angesagt. Ist es tatsächlich noch zeitgemäß, einen exklusiven Heilszugang zu verwalten und damit einen Großteil der Menschheit auszuschließen?
Ein Beispiel: Canon 868 § 2 des Kirchenrechts sieht vor, dass ein Kind in Todesgefahr auch gegen den Willen der Eltern katholisch getauft werden darf. Weil die Taufe in katholischer Überzeugung die Keycard zum ewigen Heil bedeutet und sogar höher rankt als die Religions- und Gewissensfreiheit. Ein Stück toten (Kirchen-)Rechts? Nein, ein aktueller Appell jüdischer Intellektueller an Papst Franziskus fordert die Streichung dieses Passus. Hintergrund ist der „Fall Mortara“, bei dem ein jüdisches Kind Mitte des 19. Jahrhunderts mit päpstlicher Rückendeckung entführt und (not)getauft wurde. Zuletzt sind Filme bzw. Dokus dazu erschienen (der SONNTAG wird berichten, selbst Steven Spielberg hat einen Film über „The Kidnapping of Edgar Mortara“ angekündigt).
Ein trauriges Lehrstück über die Grenzen des Glaubens und des göttlich imprägnierten Rechts. Was nicht von dieser Welt ist, lässt sich kaum verletzungsfrei in weltliche Paragrafen gießen.
Aber vielleicht in die Kardinalschnitte, die zu Ehren Kardinal Innitzers erfunden wurde (der SONNTAG hat berichtet). Bis heute haben keine Innitzer-kritischen Zwischenrufe ihr den süßen Garaus machen können. An der Kuchenvitrine endet die kirchliche Cancel-Culture.
Was mich zur Ausgangsfrage nach heutigen kirchlichen Exportschlagern zurückführt. Die Schnitte gibt‘s schon. Abhilfe verspricht ein Backbuch-Klassiker. Torten: Lieblingsrezepte aus Östereich. Von Aloisia Bischof. Leider ausverkauft.