Menschen mit Down-Syndrom erzählen aus ihrem Leben

Filmerlebnis
Ausgabe Nr. 16
  • Leben
Autor:
Eine Frau mit Down-Syndrom sitzt hinter einer Glasscheibe.
Andrea hat das Down-Syndrom und möchte gerne als Altenpflegerin arbeiten. ©NGF
Ein Mann mit Down Syndom steht vor einem Spiegel.
Raphael hat das Down-Syndrom und arbeitet als Kellner. ©NGF
Eine Frau mit Down Syndom steht in einem Garten.
Magdalena hat das Down-Syndom und schreibt gerne Gedichte. ©NGF
Ein Mädchen mit Down-Syndrom bläßt auf eine Pusteblume.
Emma Lou ist ein fröhliches, aufgewecktes Kind. ©NGF
Eine junge Frau mit Down-Syndrom lächelt in die Kamera.
Johanna hat das Down-Syndrom und tanzt bei der Gruppe "Ich bin o.k." ©NGF

Ein ebenso außergewöhnlicher wie sehenswerter Film begleitet vier junge Menschen durch den Alltag. Vier Menschen, die voller Leben sind und klare Ziele haben – Arbeit finden, politisch aktiv werden, heiraten. Dabei ist das alles gerade für sie mit vielen Hindernissen verbunden. Denn alle vier leben mit dem Down-Syndrom.

Andrea ist ein großer Opernfan und schon lange auf der Suche nach einer festen Anstellung als Altenpflegerin, über Praktika hinaus hat es bislang aber noch nicht geklappt.  
Raphael und Johanna sind schon seit 3 Jahren ein Paar. Raphael arbeitet als Kellner. Irgendwann einmal wollen sie heiraten und auch Kinder bekommen. Derzeit verbringen sie viel Zeit mit dem Tanzen – als Teil der Tanzgruppe „ich bin o.k.“. 

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Das ganz normale Leben

Die Regisseurin Evelyne Faye begleitet sie alle mit der Kamera durch ihren ganz persönlichen Alltag – beim Kochen, beim Einkaufen, beim Wohnung putzen. Sie ist dabei, wenn sie sich in der Früh fertig machen, wenn sie zur Arbeit gehen – aber auch wenn sie einfach nur das Leben genießen. Bei ihrem ganz normalen Leben also.

Mitleidige Blicke braucht keiner

Dabei ist das Leben von Magdalena, Andrea, Raphael und Johanna in so vielen Momenten alles andere als normal. An ihnen selbst liegt das nicht. Vielmehr werden sie von der Gesellschaft, den Menschen um sie herum gebremst. Statt normal behandelt zu werden, ernten Magdalena, Andrea, Raphael und Johanna oft mitleidige Blicke und auch Betroffenheit. Aber sie brauchen kein Mitleid und schon gar keine Betroffenheit, denn im Grunde fühlen sie sich wohl in ihrer Haut. Ja, sie brauchen manches Mal Unterstützung in ihrem Alltag – sie wollen aber trotzdem ein selbstbestimmtes Leben führen. Ihr sehnlichster Wunsch ist es, inkludiert zu werden, als eigenständige, erwachsene Menschen gesehen und behandelt zu werden – mit Rechten und Pflichten aber vor allem eben auch mit Möglichkeiten.

Keine Diagnose – ein Mensch

Regisseurin Evelyne Faye ist es ganz offensichtlich ein Anliegen, das alles zu zeigen. Ein Anliegen, das wohl aus ihrer ganz persönlichen Betroffenheit kommt – denn sie weiß, wie sich der Alltag für Menschen mit Down-Syndrom und auch ihre Angehörigen anfühlen kann. Auch bei einem ihrer Kinder, ihrer 10-jährige Tochter Emma Lou, wurde Trisomie 21 diagnostiziert. Über sie sagt Evelyne Faye im Film: „Du bist keine Diagnose. Du bist einzigartig. Und du wirst uns deinen Weg zu deinem Glück zeigen. Du bist keine Diagnose. Du bist mein Kind. Und ich wünsche dir, so wie jedem Menschen, als ein Universum mit unendlich vielen Möglichkeiten betrachtet zu werden.“ Worte einer Mutter, die ihr Kind liebt und die sich nur das Beste für eben dieses Kind wünscht. Jetzt, aber auch, wenn es dann mal erwachsen ist.

Wie ist es mit Trisomie 21 zu leben

Evelyne Faye lässt tief blicken, wenn sie Magdalena, Andrea, Raphael und Johanna selbst zu Wort kommen lässt. Dem Zuschauer eröffnet sie damit in einzigartiger Weise die Chance wenigstens im Ansatz erahnen zu können, wie es ist, mit Trisomie 21 zu leben und vor allem wie es ist, wenn man nicht als Mensch wahrgenommen wird, sondern als Diagnose. Wenn man nicht ernst genommen wird. „Einen wesentlichen Anstoß haben meine eigenen Fragen zu Emma Lous Leben, Zukunft und ihrer Lebensqualität geliefert“, sagt Evelyne Faye.

Selbstbestimmt durchs Leben

Von Emma Lous Geburt an war Evelyne Faye mit einer Dynamik konfrontiert, „die ich bei meinen anderen beiden Kindern nicht erlebt habe. Uns wurde rasch erzählt, wie Emma Lou sein wird, was sie wird machen können und vor allem was sie nicht wird machen können.“ Die eigentliche Botschaft, die sie mit „Lass mich fliegen“ deshalb nun auch verbreiten möchte, ist, das jeder Mensch von Beginn an dieseleben Möglichkeiten haben sollte, „um dann im Rahmen der Fähigkeiten selbst die Entscheidungshoheit über sein Leben zu haben.“

Wie kann Leben gelingen

Die Protagonistinnen und Protagonisten in „Lass mich fliegen“ liefern durch ihre Lebensentwürfe Ideen und Möglichkeiten, wie ihr Leben gelingen kann. „Das heißt noch nicht, dass es für Emma Lou so sein wird,“, sagt Eveline Faye: „aber als Mutter gibt es mir Kraft und Hoffnung, dass wir uns – weder sie noch ich – davon einschränken lassen sollten, was andere über sie erzählen.“

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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