Meine selige Tante
FamilienerinnerungZu den kirchlichen Festtagen Allerheiligen am 1. November und Allerseelen am 2. November denken wir auch an unsere verstorbenen Verwandten. Auch wenn wir nicht alle persönlich kennengelernt haben, sind die einen oder anderen Familienmitglieder nach wie vor präsent. Maria-Theresia Ledóchowski weiß zum Beispiel, dass ihre Großtante eine Selige ist. Wie wird man selig und war die Tante eigentlich immer brav? Im folgenden Dialog bekommt sie Antworten auf ihre Fragen.
Hast du mit deinen Geschwistern auch gestritten?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Wir waren uns nicht immer einig und ich habe auch nicht immer gerne getan, was meine Geschwister sich wünschten. Unsere Eltern waren sehr darum besorgt, dass wir aufeinander achten. Doch als Älteste wollte ich oft meinen Willen durchsetzen. Daraus entstand dann schon auch Unzufriedenheit.
Mein Vater gab mir Polnischunterricht. Mir hat die polnische Sprache immer sehr gut gefallen.
Selige Maria Teresa Ledóchowska
Bist du eine gute Schülerin gewesen?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Meine Eltern, vor allem mein Vater, haben bei mir schon sehr früh ein großes Interesse für die Natur, Geschichte, Musik und Kunst geweckt. Ich wollte alles wissen und lernte sehr fleißig. Ach, das war eine schöne Zeit, wie ich nach und nach Neues lernte und entdeckte. Mir machte es dann große Freude, die Kunstwerke zu bewundern und zu wissen, wer das geschaffen hat. Am meisten gefiel mir Literatur, Musik und das Malen. Ich hatte eine Zeichenaufgabe und sollte eine Erinnerung an das Osterfest gestalten. Das war ein Kelch mit zwei Lorbeersträuchern als Zierde, mit einem Band verschlungen. Erst muss ich es zeichnen und dann tuschen. Auch die Sprachen wollte ich lernen. Mein Vater gab mir Polnischunterricht. Mir hat die polnische Sprache immer sehr gut gefallen.
Was hast du am liebsten gespielt?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Sehr gerne bin ich mit Mama und den Geschwistern spazieren gegangen, um in der Natur zu spielen und Neues zu erforschen. Die Zeit verging mir auch beim Malen sehr schnell und spielerisch. Im Winter waren wir viel eislaufen. Dann zeichnete ich und sehr oft spielten wir „Hammer und Glocke“, ich erinnere mich auch an das Kartenspiel „Schwarzer Peter“. Einmal notierte ich, dass Tante Julie eine „Kocherei“ arrangierte, bei der wir Vanillebutter und spanische Wind-Busserln machten.
Waren deine Eltern lieb zu dir?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Wir haben wunderbare Eltern gehabt. Sie waren sehr gut zu mir und zu uns allen, sorgten für unsere Erziehung und Ausbildung, nahmen uns oft zu Ausflügen und Besuchen mit, bei denen wir viele Menschen und die Schönheit der Natur kennenlernen und spielen konnten. Wir waren einfach glücklich.
Hast du auch einmal etwas Schlimmes gemacht?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Eine Sache habe ich später in einem Theaterstück „Mariens Täubchen“ beschrieben. Ein Missionar besuchte unsere Familie und bat um Hilfe für Kinder in Afrika. Ich gab ihm etwas Kleingeld aus meiner Sparbüchse. Zwar kam mir auch der Gedanke, dass ich mein Täubchen verkaufen und so den Kindern helfen könnte, aber ich wollte das nicht wahrhaben. Da sagte ich mir: Auf keinen Fall mache ich das, denn die schöne Taube liebte ich sehr. Kurz danach geschah etwas Schreckliches: Ich fand mein Täubchen leblos auf dem Boden liegen. Untröstlich dachte ich, wirklich etwas Schlimmes getan zu haben, weil ich selber in Freude leben wollte und den armen Kindern nicht noch mehr geholfen habe. Das habe ich nie vergessen können.
Hast du noch andere Haustiere gehabt?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Auf unserem Gut wimmelte es von Tieren, bei denen ich sehr gern war.
Es war ein guter Brauch, dass die Eltern uns am Abend Heiligengeschichten vorlasen.
Selige Maria Teresa Ledóchowska
Was haben dir deine Eltern über Gott beigebracht?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Es war ein guter Brauch, dass die Eltern uns am Abend Heiligengeschichten vorlasen. Da erfuhren wir, wie Menschen glaubten und was sie alles für Gott und für die Menschen getan hatten. Unsere Eltern waren uns darin auch ein Vorbild. Ich erinnere mich gut an die Momente, wenn ich am Abend in das Zimmer des Vaters kam und ihn kniend im Gebet vorfand. Mit Mama ging ich oft in die Kirche und ich spürte, dass sie das aus voller Überzeugung tat.
Bist du gerne in die Kirche gegangen, oder war dir auch manchmal langweilig?
In meinem Tagebuch habe ich geschrieben, dass ich gerne mit Mama zum Gottesdienst gegangen bin, auch wenn wir in der kälteren Jahreszeit manchmal froren. Ich verstand nicht alles, was da passierte. Die Schönheit der Architektur der Kirchen faszinierte mich sehr, das Spiel der Farben und des Lichtes, das für mich ein wunderbares Mitspielen mit dem Gottesdienst darstellte. Zu einem Geburtstag bekam ich von meinen Eltern Handschuhe und ein Gebetbuch, welches Mama von Kindheit an hatte und das die guten Eltern zu dieser Gelegenheit in lila Samt mit Silber verziert einbinden ließen.
Ich hatte den Wunsch, „etwas Großes für Gott zu tun“. Wie und was wusste ich aber noch lange nicht.
Maria Teresa Ledóchowska
So schrieb ich über den Karsamstag, den 27. März 1875: „In der Frühe gingen wir in die Messe und nachher wurden die schönen Gewinne aus einer Osterlotterie, ausgepackt. Am Nachmittag gingen wir um 5 Uhr in die Domkirche zur Auferstehungsfeier. Diese war sehr schön und selbst die Natur schien das Freudenfest zu fühlen, denn gerade während der Feierlichkeit sandte die Sonne ihre Strahlen auf den Hochaltar, welchen wir während der ganzen Fastenzeit vermissten, und zwar in einer Farbenpracht und Verschwendung. Dies trug natürlich zur würdigen Feier viel bei. Alleluja!“
Was hättest du geantwortet, wenn man dir als Kind gesagt hätte, dass du mal seliggesprochen würdest?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Ich denke, dass ich daran nicht glauben würde. Aus den Geschichten der Heiligen wusste ich, wie die Heiligen gelebt haben. Einmal wollte ich ihre Bußpraktiken nachmachen und hatte danach überall Schmerzen. Vielleicht würde ich doch denken, dass es schön wäre, heilig zu sein. So wäre ich berühmt, was ich mir so sehr wünschte. Hast du das vielleicht schon von meinem Theaterstück „Maria, die berühmt sein wollte“, erfahren? Aber ganz ehrlich, ich wollte damals schöne Kleider haben, viel reisen, Neues entdecken. Gerne begleitete ich Mama zu den Festen des Adels, wo ich mich in der großen Gesellschaft wohlfühlte. Es war sehr spannend. Dieses Leben gefiel mir sehr.
Wolltest du immer schon Ordensschwester werden?
Selige Maria Teresa Ledóchowska: Diesen Gedanken hatte ich in meiner Jugend nicht. Ich wollte berühmt werden und überlegte mir, wie ich das anstellen könnte. Später, als meine Schwester Julia und mein Bruder Wladimir sich für das Ordensleben entschieden haben, hatte ich den Wunsch, „etwas Großes für Gott zu tun“. Wie und was wusste ich aber noch lange nicht.