Maria: Der Superstar im Himmel
Biblische GestaltenMit Maria setzen wir in unserer Serie über biblische Figuren die Reihe der herausragenden Frauen in der Heiligen Schrift fort. Aber sie genießt darüber hinaus eine unangefochtene Popularität, sie ist der Superstar mit unglaublicher Strahlkraft.
Manchmal geht die Marienverehrung soweit, dass sie als Himmelskönigin gleichsam als vierte Person der Trinität von Vater, Sohn und dem Heiligen Geist gleichgestellt wird. Das ist keineswegs so, wie der Neutestamentler Thomas Söding erklärt.
Maria die Mutter Jesu
Was wissen wir gesichert über Maria?
THOMAS SÖDING: Maria kommt in allen Evangelien vor mit unterschiedlichen Rollen. Das Entscheidende ist, dass sie die Mutter Jeus ist, das ist zentral. Vieles andere ist aus den Apokryphen, also nicht gesichert. Diese Darstellungen dienen eher der Frömmigkeit. Im Frauenbild der Antike entsprichen sie einem Ideal: Maria ist zur Schule gegangen. Sie ist gebildet und hat die beste Bildung genossen, die es damals gab. Maria liest in vielen Bildern, als Gabriel zu ihr kommt. Das soll uns zeigen, dass sie selbstbestimmt war, ja frei; sie wurde zu nichts gezwungen. An ihrem Gottesglauben hat sie immer festgehalten.
Wieso berührt die Geschichte der Maria seit 2000 Jahren die Menschen?
Ja, sie ist die Mutter Jesu, die Jesusgeschichte geht zu Herzen gehen: Leiden, Erlösung, Trauer Hoffnung. Die Mutter ist wohl am engsten mit ihrem Kind verbunden, so ist da auch bei Jesu. Maria hat bei der Geburt ihres Kindes keineswegs alles verstanden, aber sie war eine gläubige Person, die gelernt hat. Dann steht sie hinter dem Kreuz Jesu, in ihrer Mutterliebe bleibt sie bei ihrem Kind. Sie trauert, das ist erschütternd. Aber sie ist auch bei der Erlösung dabei. Im Magnificat bei Lukas ist sie als Frau eine Prophetin, sie bezeugt den Sieg des Lebens über den Tod. Man darf Maria nicht abgrenzen. Sie teilt das Schicksal vieler Frauen - das ist gut, gerade wenn das Leben schwer ist.
Gottesmutter Maria in der Heiligen Schrift
Lk 1,26-38 (gekürzt)
Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Fürchte dich nicht. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.
Lk 41-43
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
Lk 2, 6-19 (gekürzt)
Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe. In dieser Gegend lagerten Hirten. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht. Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen
Joh 2,3-5
Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!
Joh 19,25-27
Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Maria ist eine Jüdin
Welche Inhalte über ihren Glauben zeigt uns Maria? Was hat sie geglaubt?
Maria ist eine Jüdin, durch und durch. Das Judentum ihrer Zeit ist vielfältig. Juden definieren sich über ihre gemeinsame Geschichte. Als Jüdin glaubt Maria an den einen Gott. Sie steht für ein gläubiges Judentum, das nicht an den Schaltheben der Macht ist, aber hoffnungsfroh. Da gibt es ihre Kusine Elisabet und deren Mann Zacharias, Hanna und Simeon und natürlich Josef, ihren Verlobten und Mann. Sie leben still im Land. Diese Leute bekommen jetzt eine Stimme und Sprache. Lukas schildert uns Maria als Frau aus dem Volk, das mit einer Hoffnung unterwegs ist. Gewiss: Viele Juden waren desinteressiert. Das ist bei Maria entschieden nicht der Fall. Sie hofft auf den Messias – und diese Hoffnung wird in Jesus, ihrem Kind, erfüllt. Das musste Maria erst lernen.
Du bist nicht allein, Maria ist auf deiner Seite.
Die Strahlkraft Marias
Wie ist es zur der Strahlkraft Mariens gekommen?
Maria strahlt. Denn sie glaubt. Aber ihre Ausstrahlung darf nicht den Glauben an Gott überstrahlen. In manchen Auswüchsen des Marienkultes passiert das: eine Katastrophe. Das neutestamentliche Bild ist anders. Aber wenn Gott nur als der Allmächtige im Himmel gesehen wird, ist vielen die Distanz zu groß. Maria ist näher: Sie ist Fürsprecherin. Manche denken, dass sie in der christlichen Religion die Rolle weiblicher Gottheiten übernehmen solle. Das ist falsch. Dass ist auf dem Konzil von Ephesus als „Gottesgebärerin“ erklärt wird, sichert, dass Jesus, der Heiland, wahrer Mensch ist.
Es bedarf der weiblichen Gottheiten nicht mehr. Das Original ist die Mutter Jesu, die Gott nahe kommt. Sie ist eine Vorreiterin aller Menschen. Aber es nimmt einen Volksglauben auf, der biblisch inspiriert ist. „Leiblich“ heißt: Es geht um sie selbst, als Person, als Maria, nicht um einen Geist oder eine Idee. Aufnahme heißt: Gott hat sie angenommen – so wie er allen Menschen verspricht, dass sie bei ihm willkommen sind. Die Theorie mag kompliziert sein. Die Bilder, die Lieder und Feste sind hinreißend. Also zusammengefasst: Maria ist Fürsprecherin. Im Gebet wird klar: Du bist nicht allein, sondern Maria ist auf deiner Seite.
Gottesmutter Maria in der Kunst
In Literatur
Goethe, Faust. Gretchen bittet im Gefängnis als Mörderin ihres Kindes: „Ach neige du Schmerzenreiche, dein Antlitz gnädig meiner Not!“
In der Malerei
Vielfältige Motivauswahl über die Jahrhunderte wie Maria lactans (die Stillende), Mater dolorosa (die Schmerzhafte) und Maria Himmelfahrt.
In der Musik
populäres Liedgut wie Maria durch ein Dornwald ging, Salve Regina, Segne du Maria, Meerstern, ich dich grüße
Bach-Gounod, Ave Maria
Maria als Namensgeberin
Wieso wird Maria zur Namensgeberin von Orden und Gebetsgemeinschaften bis hin zu kirchlichen Reformbewegungen wie Maria 2.0?
Weil sie für die Kirche steht. Die Namensgebung Maria 2.0 finde ich klasse, das zeigt, Maria heute, Maria digital, Maria vernetzt, 1.0 ist eine Gegenformulierung. Hier sammeln sich traditionelle und traditionalistische Stimmen. Man muss aufpassen, dass sie nicht zum Zankapfel wird.
Wie ist es passiert, dass Maria auch im Islam eine Rolle spielt?
Weil Jesus im Koran sehr wichtig ist. Deshalb auch seine Mutter. Auch im Koran ist eine Jungfrau. Sie verbindet die drei monotheistischen Weltreligionen, als Frau aus dem Volk, die zu Gott „Ja“ gesagt hat.
ACHTUNG: Der Artikel stammt aus dem Jahr 2021.
Zur Person
Thomas Söding ist Theologe und Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum.