Liegt denn Heil in der Unklarheit?
Als kürzlich bei der Europarunde des synodalen Prozesses in Prag große Auffassungsunterschiede in Fragen der Sexualität, des Menschenbildes und der Lebensführung deutlich wurden, hat der deutsche Bischofskonferenz-Chef Georg Bätzing gesagt: „Aus einigen Statements höre ich den Ruf nach Klarheit: Was sind die Regeln des Glaubens in der Kirche? Was gehört zum Kern der Lehre? Und was ist Sünde, die benannt werden kann und muss? Mich verstört das. Christlicher Glaube ist eine Religion der Freiheit und Erlösung – nicht der Sündenfixierung.“
Ich denke, mit dem letzten Satz hat er Recht. Aber ist einer Religion der Freiheit und Erlösung mit Unklarheit gedient? Wenn das gute, das erlöste Leben davon abhängt, dass wir unseren Willen mit dem des Vaters in Übereinstimmung bringen, dann erwarte ich mir vom Geist und der Weisheit der Kirche, dass sie mir mit klaren Antworten hilft. Auch mit solchen, die mir weh tun. Eine Mutter, die ihren Kindern keine gute Lehrmeisterin sein will, ist auch keine gute Mutter.
Wenn jemand ehrlich versucht, den Willen Gottes zu tun, ist ihm mit einer klaren Orientierung am besten gedient. Und wo Zweifel besteht, dass eine bisherige Klarheit über einen bestimmten Punkt nicht aus der Offenbarung kam, sondern bloß aus abgelaufenen Zeitumständen, dort ist die Kirche den Menschen schuldig, so gut es geht, neue Klarheit zu gewinnen: Gilt das noch oder nicht mehr? Klarheit ist wichtig, auch – und gerade wenn es um Erlösung geht – über die Sünde. Sie muss theologisch sauber gewonnen werden, im gemeinsamen Ringen der Kirche und immer im Schauen auf das, was der Vater will, und damit auf das Heil der Seelen. Um nichts weniger geht es doch.