Leiten und Führen in der Bibel

Ein kleiner Streifzug
Ausgabe Nr. 24
  • Theologie
Autor:
Der Exodus (Auszug): Im Auftrag Gottes leitet und führt Mose das Volk Israel durch die Wüste. ©Illustration Irene Maria Unger

Das Alte und Neue Testament erzählen immer wieder von Männern und auch von Frauen, die das Volk Gottes geführt und geleitet haben. Letztlich führt und leitet Gott durch Menschen, die bei all ihrer Freiheit seinen Willen leben und tun. Dabei fällt das Motiv des guten Hirten auf. Ein kleiner Streifzug durch die Bibel.

Bereits die Erzählung vom brennenden Dornbusch (Exodus 3) lässt „das“ Ereignis des Alten Testaments, den Auszug der Israeliten aus Ägypten, anklingen. „Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb.“ Und er sah einen Dornbusch, der brannte und nicht verbrannte: „Der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen ... Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!“ In Exodus 12 wird dann vom Auszug des Volkes berichtet: „Der Aufenthalt der Israeliten in Ägypten dauerte vierhundertdreißig Jahre. Nach Ablauf der vierhundertdreißig Jahre, genau an jenem Tag, zogen alle Scharen des HERRN aus dem Land Ägypten fort.“ Mose wurde dabei von seinem Bruder Aaron und seiner Schwester Mirjam unterstützt.

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Eine Frau muss einen Mann ermutigen

In einer für das Volk Israel schwierigen Zeit erzählt das Buch der Richter (Kapitel 4 und 5) von einer Frau namens Debora, die einen Mann ermutigen musste, in den Krieg zu ziehen. Der Sieg wurde daher zu Recht ihr zugesprochen. „Damals war Debora, eine Prophetin, Richterin in Israel. Sie hatte ihren Sitz unter der Debora-Palme zwischen Rama und Bet-El im Gebirge Efraim und die Israeliten kamen zu ihr hinauf, um sich Recht sprechen zu lassen. Sie sandte hin, rief Barak, ... herbei und sagte zu ihm: Befiehlt der HERR, der Gott Israels, nicht: Geh hin, zieh auf den Berg Tabor und nimm zehntausend Mann von den Naftalitern und den Sebulonitern mit dir? ... Barak sagte zu ihr: Wenn du mit mir gehst, werde ich gehen; wenn du aber nicht mit mir gehst, werde ich nicht gehen. Sie sagte: Ja, ich gehe mit dir; aber der Ruhm wird auf dem Weg, den du gehen wirst, dann nicht dir zuteil, sondern in die Hand einer Frau wird der HERR Sisera ausliefern. Und Debora machte sich auf und ging zusammen mit Barak nach Kedesch.“ Nach dem Sieg und nach dem Tod des feindlichen Heerführers wurde sie in den höchsten Tönen gelobt: „Dass Führer Israel führten und das Volk sich bereit zeigte, dafür preist den HERRN! ... Bewohner des offenen Landes gab es nicht mehr, es gab sie nicht mehr in Israel, bis du dich erhobst, Debora, bis du dich erhobst, Mutter in Israel.“

Salomo bittet um ein weises Herz

Im Ersten Buch der Könige (Kapitel 3) wird von König Salomos Bitte um Weisheit berichtet. In Gibeon erschien der HERR dem Salomo nachts im Traum: „Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll!“ Salomo antwortete: „Ich bin noch sehr jung und weiß nicht aus noch ein. ... Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ Und weiter: „Es gefiel dem Herrn, dass Salomo diese Bitte aussprach. Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen. Sieh, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht. ... Wenn du auf meinen Wegen gehst, meine Gesetze und Gebote bewahrst wie dein Vater David, dann schenke ich dir ein langes Leben.“

Jesus, der gute Hirte

Im zehnten Kapitel des Johannesevangeliums wird der „gute Hirte“ beschrieben, der gut leitet und führt. Jesus selbst ist der gute Hirte und mahnt seine Jünger, ihn auch darin nachzuahmen: „Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. ... Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. ... Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten.“

 

„Seid nicht Beherrscher der Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde.“

Erster Petrus-Brief


Paulus, der große Missionar der frühen Kirche, gründete auf seinen Missionsreisen Gemeinden in den Städten Kleinasiens und Griechenlands. Paulus begleitete gleichsam aus der Ferne „seine Gemeinden“, vor allem durch seine Briefe.

Wie Paulus leitet und führt

Die sogenannten Grußlisten am Ende eines Paulus-Briefes nennen Frauen und Männer, die in ihren Häusern Gemeinden leiteten. So heißt es etwa im ältesten Schreiben des Neuen Testaments, im Ersten Thessalonicher-Brief, den Paulus in den Jahren 50/51 verfasste: „Wir bitten euch, Brüder und Schwestern: Erkennt die an, die sich unter euch mühen und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen! Achtet sie äußerst hoch in Liebe wegen ihres Wirkens! ... Wir ermahnen euch, Brüder und Schwestern: Weist die zurecht, die ein unordentliches Leben führen, ermutigt die Ängstlichen, nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen!“ In der großen Grußliste des Römer-Briefs (Kapitel 16) nennt Paulus u. a. zwei Frauen und einen Mann, die Leitungsfunktionen in ihren Gemeinden hatten:
„Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die auch Dienerin/Diakonin der Gemeinde von Kenchreä ist: Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; denn für viele war sie ein Beistand, auch für mich selbst.“ Und: „Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar!“

Im Ersten Petrus-Brief (Kapitel 5) findet das Hirten-Motiv der guten Leitung und Führung einen konkreten Höhepunkt: „Weidet die euch anvertraute Herde Gottes, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern mit Hingabe; seid nicht Beherrscher der Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde!“

Nachgefragt: Nicht nur was, sondern auch wie

Petra, du bist allein unter Männern in deiner Aufgabe als Ansprechpartnerin für Priester in der Wiener Kirche. Was machst du genau?
Petra Huchler: In der Priesterbegleitung bin ich für den Priester als Mensch zuständig. Mein Eindruck ist, wenn es dem Menschen gut geht, geht es auch dem Priester gut.

Warum gibt es deine Position?
Es ist eine Sorge des Kardinals, dass die Priester gut begleitet sind. Die Priesterbegleitung hat im vergangenen Arbeitsjahr 13  Priestertage veranstaltet. Auf diesen nimmt sich der Kardinal Zeit für seinen Klerus. Für mich war es eine gute Gelegenheit, den Priestern niederschwellig zu begegnen. Wie Priester zu mir kommen, passiert auf unterschiedliche Weise: entweder durch Hinweis des Bischofs, der Bischofsvikare, von Dechanten oder besorgten Mitbrüdern bzw. Gemeindemitgliedern. Es kommen aber auch Priester direkt zu mir. Ich erfahre dann im persönlichen Gespräch, worum es geht. Es ist echte Beziehungsarbeit. Dafür bin ich da.

Wie verstehst du „Führen und Leiten“ in der Kirche?
Das heißt für mich Menschen zu befähigen, dass es nicht darum geht, im Vordergrund zu stehen, sondern dass es ein Dienst für das Charisma der anderen ist. Die Anforderung in der Seelsorge ist natürlich anders als im Profitunternehmen. Man sollte eine gemeinsame Vision haben und das leben, was man einfordert. Da geht es um die innere Grundhaltung, die Werte. Kurz gesagt: „Nicht nurwas, sondern auch wie!“

Welche Haltung hältst du für relevant beim „Führen und Leiten“?
Ich lerne nie aus – Beziehung kann nur gelebt werden. Dazu muss ich mir meine Offenheit behalten. Wichtig ist auch die Position des Reflektierens. Ich bin mir bewusst, dass ich auf andere angewiesen bin und selbst Hörende bleibe. In der Kirche ist das die umgekehrte Logik Jesu, das ist mein Maßstab – aus der ganzheitlichen Perspektive heraus zu handeln. Jesus hat uns Leiten vorgelebt. Er hat seine Jünger befähigt und auf die anderen hin gedacht und gehandelt. Darum ist es wichtig zu fragen: „Was kann ich für die Gemeinschaft tun? Wohin hat Jesus die Menschen geführt?“ Zum Heil, zur Wahrheit, zum Leben – mit Liebe und ohne Drohbotschaft.

Du hast einen „Leitungskurs“ für Führungskräfte in der Erzdiözese abgeschlossen. Welchen Inhalt empfiehlst du weiter?
Was mir gut gefallen hat, war, als wir unser Team visualisieren sollten. Da habe ich gesehen, welche Arbeit ich habe, was mein Team bedeutet, in welcher Beziehung ich stehe.

Autor:
  • Stefan Kronthaler
  • Sophie Lauringer
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