Lebensfreude trotz Krankheit: Der Film "Rosy"
Zum Welttag der KrankenSie wollte wieder zu sich selbst finden, wollte wieder zu ihrer Seele vordringen, wollte, dass Körper und Geist wieder eine Einheit bilden. Der Plan, den die 21-jährige Marine Barnérias für sich selbst schmiedet, ist zweifelsohne eine Mammutaufgabe. Ob sie sie bewältigen kann, weiß sie nicht. Was sie aber weiß, ist, dass das für sie der einzige Weg ist.
Wenige Wochen davor hat sie die Diagnose Multiple Sklerose bekommen. Sie kam aus dem Nichts, traf sie wie ein Keulenschlag. Auch weil die Ärztin, die sie ihr überbrachte, an Gefühllosigkeit kaum zu überbieten war. „Für mich war das alles neu und beängstigend“, erzählt Marine rückblickend „aber das schien dieser Ärztin egal zu sein. Sie warf mir ein paar Prospekte hin und riet mir, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen. Das wars. Keine Erklärung, was Multiple Sklerose überhaupt war, keine Aufklärung darüber, was mir bevorstehen könnte oder worauf ich achten müsste.“ Marine recherchiert selbst und ist von dem, was sie findet, zutiefst schockiert.
Aus „Sklerose“ wird „Rosy“
Doch nach Wochen der Angst, der Wut und der Niedergeschlagenheit entscheidet Marine trotzig, sich von der Krankheit nicht unterkriegen zu lassen.
Und nicht nur das. Sie beschließt, auf Reisen zu gehen. Weit weg von zu Hause und ganz auf sich allein gestellt, hofft sie, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen und einen Weg zu finden, mit der Krankheit umzugehen.
Als Reiseziele wählt sie Neuseeland, Myanmar und die Mongolei. Neuseeland durchquert sie von Norden nach Süden – praktisch zu Fuß und den motorischen Problemen, die sie, wenn auch nur leicht, spürt, zum Trotz. In Myanmar begibt sie sich in ein Medidationszentrum und erlebt hier, wie laut– aber auch wichtig – Stille sein kann. In der Mongolei schließlich lebt sie einige Zeit mit Rentierzüchtern und lässt sich von ihnen und ihren Pferden und Rentieren verzaubern.
Sie schreibt dabei Tagebuch, dreht unzählige kleine Videos mit ihrem Handy, um für sich zu dokumentieren, was sie erlebt, wie es ihr geht und auch um ihre Gedanken zu ordnen. „Ich habe dabei auch unfassbar viele Selbstgespräche geführt“, sagt sie: „Habe unheimlich viel geschrien. Einfach nur laut geschrien in die Einsamkeit hinein. Da war so viel Hass in mir und es gab einen Moment, da wusste ich, dass ich mit all diesem Hass nicht leben will.“
Und auch mit dem Namen ihrer Krankheit „Multiple Sklerose“ will sie nicht leben. Aus dem anfänglichen Namen „Rose“, den sie ihrer Krankheit gibt, wird schließlich „Rosy“ – „der veränderte Name hat mit geholfen, meine Krankheit auf eine andere Art zu sehen“, sagt Marine.
Ganz ohne Angst
Nach neun Monaten kehrt sie schließlich nach Frankreich zurück – voller unvergesslicher Erlebnisse, Lebensfreude, voller Optimismus und Kraft. „Am Ende meiner Reise hatte ich tatsächlich keine Angst mehr.“ Dass sie krank ist und bleibt, ist ihr bewusst, aber „ich wusste einfach, dass ich, auch wenn ich einen Schub haben sollte, stark sein würde, dass ich mich verwandeln würde und so mit und in der neuen Situation leben.“
Aus ihren Erkenntnissen macht Marine zunächst ein Buch: „Bonjour la vie“ (Hallo Leben). Nun ist aus den 28 Stunden Handyvideos und viel zusätzlichem Material – darunter etwa auch Interviews mit Marines Eltern und ihrer Schwester – auch ein äußerst empfehlenswerter Film geworden.