Krippenfiguren aus der Provence
Immer näher zur Krippe hinMit der Provence verbinden wir blühende Lavendelfelder, den Duft von Kräutern und Gewürzen, Wein oder alte Kirchen. Dass es in der Region im Südosten Frankreichs, genauer gesagt in Aix-en-Provence, auch eine besondere Tradition der Herstellung von Krippenfiguren gibt, ist in unseren Breiten weniger bekannt. Die Santons, wie die Krippenfiguren aus Ton genannt werden, stellt ein Familientunternehmen mittlerweile in der vierten Generation her. Der Name Santon leitet sich ab vom provenzalischen Wort „santoun“, das „kleiner Heiliger“ bedeutet.
Figuren aus der Provence
Das Traditionsunternehmen Santons Fouque besteht seit 1934 und wird heute von Catherine und Emmanuel Fouque geführt. „Bei uns werden alle Figuren von Hand aus Ton gestaltet und bemalt“, berichtet Catherine Fouque im Gespräch mit dem SONNTAG. Trotz des regen Weihnachtsgeschäftes findet die Französin Zeit für ein Gespräch über die Geschichte der entzückenden Krippenfiguren.
Schon Urgroßvater Jean-Baptiste Fouque wirkte Anfang des 20. Jahrhunderts als Maler und Bildhauer. „1934 hat er seinen dreizehnjährigen Sohn Paul angeregt, Figuren aus Ton zu modellieren. Bald haben Vater und Sohn die selbstgemachten Krippenfiguren auf dem Weihnachtsmarkt sehr erfolgreich verkauft“, erzählt Catherine Fouque von den Anfängen. Nach dem Krieg eröffnete Paul mit seiner Frau die erste kleine Werkstatt für Santons-Krippenfiguren. „Er fertigte eine komplette Sammlung für den Weihnachtsmarkt an.“ Die Santons sind zwischen 4 und 15 cm groß, es gibt aber auch 1 cm und 1 m große Santons. Sie werden bunt bemalt, manche sind auch mit Stoffgewändern bekleidet.
„Die meisten Santons stellen Figuren aus der Provence dar und haben keinen direkten Bezug zur Weihnachtsgeschichte.“ So gibt es u. a. den Arzt, Briefträger, Bäcker, Bäuerinnen und elegante Damen. Viele Figuren sind in die typischen provenzalischen Trachten gekleidet. Zu jeder Figur gibt es außerdem eine kleine Geschichte. Eine besondere ist jene des Hirten im Mistral.
Alte Weihnachtstradition
Hirte im Mistral mit wehendem Mantel
„Großvater Paul lieferte seine Krippenfiguren mit dem Fahrrad und einem kleinen Anhänger aus“, berichtet Catherine Fouque. Bei seinen Fahrten durch die provenzalische Landschaft holte er sich gern Inspiration für immer neue Figuren. „Bei uns gibt es den Mistral, einen sehr starken Wind. Als Paul einmal bei Mistral unterwegs war, sah er einen Hirten, der seinen Hut festhielt und dessen Mantel zugleich nach hinten hochgeblasen wurde. Dieses Bild prägte sich ihm ein und er gestaltete die Figur des Hirten mit wehendem Mantel.“
Das war 1952. Der „Coup de Mistral“ wie die Kreation des Hirten im Mistral genannt wird, gilt heute als Meisterwerk der Santon-Kunst. „Es ist auf der ganzen Welt bekannt und wird gesammelt.“
Herstellung aus regionalem Ton
1957 übersiedelte das Unternehmen an die Adresse Cours Gambetta 65 in Aix-en-Provence, dem heutigen Standort am Fuße des Berges Sainte-Victoire. In den folgenden Jahrzehnten führte Mireille Fouque, Pauls Tochter, das Unternehmen sehr erfolgreich weiter. „Sie begann die Bemalung der Figuren sehr detailreich und ausschmückend weiterzuentwickeln.“
Die Herstellung von Fouque-Santons erfolgt nach einem traditionellen und überlieferten Verfahren. „Früher musste man sich im Steinbruch grobe Erde suchen, diese dann einweichen, verdünnen und sieben. Während der heißen Jahreszeit beschleunigte die Sonne die Verdunstung des überschüssigen Wassers. Dieser Ton wurde gelagert und etwa fünf Jahre lang frisch gehalten“, blickt Catherine Fouque zurück.
Heute verwendet Maison Fouque einen sehr feinen Ton aus der Region, der bereits bearbeitet wurde. „Das erste Modell einer Figur wird vollständig von Hand hergestellt. Von diesem Modell wird in unserer Werkstatt eine zweiteilige Gipsform gemacht. Diese erste Form wird ,Mutterform‘ genannt. Nach dem Trocknen wird daraus ein ,Formsohn‘ hergestellt, aus dem die Santons in mehreren Kopien hergestellt werden.“ Bei komplexen Figuren wie dem Hirten im Mistral werden Teile der Figur einzeln hergestellt und dann zusammengefügt.
„In der Provence hat nahezu jeder eine Krippe zu Hause und erweitert diese stets um neue Santons“, berichtet Catherine Fouque. Besonders Kinder erfreuen sich daran und dürfen, wenn sie brav waren, mit ihren Santons-Schäfchen täglich näher an das Jesus-Kind heranrücken. Da wird das Warten auf Weihnachten dann ein bisschen leichter ...