Komm zu mir
Meinung
Gerade in der Darstellung des Leidens Jesu wird die tiefste Solidarität des ewigen und unfassbaren Gottes mit dem Menschen bewusst gemacht. Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit einer Hebamme, die das Schwangerschaftsturnen in einem Raum leitete, in dem ein Kreuzigungsbild von H. M. Berger hängt. „Es wäre doch viel schöner, wenn da etwas Positiveres wie zum Beispiel ein Blumenbild hängen würde“, meinte sie. „Ja, wenn alles gut geht bei der Geburt, das Kind gesund ist ... dann passt das ja“, erwiderte ich. „Aber was ist, wenn das Kind tot zur Welt kommt, eine schwere Beeinträchtigung hat?“ ... Unfassbares Leid, das mich mit der impliziten Frage „WARUM?“ verstummen lässt. Diese Sprachlosigkeit lässt aber umso mehr anklingen, was Jesus in seinem Leiden bis in den Tod unter Verbrechern klarmacht. In Jesus, dem verletzten Arzt, ist die Liebe des ewigen Gottes ganz DA, gerade in den Tiefpunkten des Lebens.
Das DA-Sein meiner Frau oder auch mein DA-Sein war das, was unsere heranwachsenden Kinder am meisten brauchten, wenn sie sich weh getan hatten. Dieses DA-Sein Jesu geht über tröstende Solidarität hinaus. H. M. Berger hat das völlige HEIL-werden-Können dargestellt, indem er den Querbalken des Kreuzes Jesu die Kreuze der beiden Verbrecher überragen lässt. Ein Verbrecher wendet seinen Blick zu Jesus: „Denk an mich …!“ Er streckt seine Hand ins Kreuz Jesu und sie wird völlig weiß.
„Deine Schuld ist dir vergeben.“ Diese zentrale Botschaft des Evangeliums gilt ihm. „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“, spricht ihm Jesus zu. Immer wieder ergreift mich dieses Bild des völligen HEIL-Werdens in der Begegnung mit Jesus. Seine Einladung: „Komm zu mir“ gilt mir und dir.
Zur Person
Johannes Fellinger (65) ist Neurologe und war Primarius im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz.
Der Kommentar drückt seine persönliche Meinung aus!