Klimawandel: Bodenversiegelung

Fruchtbare Böden in Gefahr
Ausgabe Nr. 35
  • Leben
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Hand mit Humus
Beitrag zum Klimaschutz: Humus, die abgestorbene organische Substanz des Bodens, kann größere Mengen an Kohlenstoff längerfristig speichern. Das funktioniert nur, wenn der Humusgehalt durch ständige Zufuhr von neuem organischen Material im Boden konstant gehalten oder erhöht wird. ©iStock/Sasiistock
Sophie Zechmeister-Boltenstern vor Bodenprofilen
Sophie Zechmeister-Boltenstern ist Professorin für Bodenkunde und Bodenmikrobiologie an der Universität für Bodenkultur. ©Markus A. Langer
Küstenlandschaft in Schweden
An der schwedischen Westküste bildet sich der Boden nur in den Spalten und Ritzen. ©Sophie Zechmeister-Boltenstern

Bodenbiologin Sophie Zechmeister-Boltenstern erklärt, warum man fruchtbare Böden nicht zubetonieren darf. Wie sieht es in Österreich damit aus?

Welchen Einfluss hat das Klima auf den Boden und die Bodenbildung?

Sophie Zechmeister-Boltenstern: Das Klima hat einen sehr starken Einfluss auf den Boden. Welcher Boden sich wo bildet ist abhängig vom Ausgangsgestein und vom Klima. Ein Beispiel: Meine Vorfahren kommen aus dem Norden und da gibt es an der schwedischen Westküste riesige Granitblöcke aus der letzten Eiszeit. Diese sind vom Gletschereis abgeschliffen worden und da gibt es teilweise noch gar keine Bodenbildung, weil das Klima sehr rau ist und starke Winde darüberfahren. Der Boden bildet sich nur in den Spalten und Ritzen. Die meisten Böden haben sich seit der letzten Eiszeit entwickelt. Das heißt, sie sind so 10.000 Jahre alt. Wir haben in den Tropen andere Böden als im Norden. Die höchste organische Substanz und den höchsten Kohlenstoffgehalt findet man in den nördlichen Böden, in der Taiga und in der Tundra.  Moore speichern auch sehr viel organische Substanz. Was überhaupt nicht im Bewusstsein der meisten Menschen und auch vieler Wissenschaftler ist, ist die Tatsache, dass dieser jährliche Kohlendioxid-Austausch zwischen Boden und Atmosphäre 15-mal größer ist als das, was wir durch fossile Brennstoffe in die Atmosphäre schicken. Das ist ein ganz empfindliches Gleichgewicht. Wenn dieses gestört ist, kann sehr viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt werden. Das Hinsteuern auf bestimmte Klimaziele hat den Sinn, dass damit bestimmte Kipppunkte im System nicht erreicht werden, sodass das bisher aus der Luft festgehaltene CO2 nicht plötzlich zusätzlich in die Atmosphäre abgegeben wird, wenn zum Beispiel gefrorene Böden in der Tundra auftauen.

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Wie kann man den umgekehrten Prozess fördern, dass die Böden mehr CO2 speichern?

Die Initiative „4 Promille“ der französischen Regierung wurde während der Weltklimaverhandlungen im Dezember 2015 in Paris vorgestellt. Diese besagt: Wenn wir den Kohlenstoffgehalt in unseren Böden um 4 Promille jährlich erhöhen könnten, wäre es möglich, den jährlichen von Menschen verursachten CO2-Ausstoß einzufangen. Aber man müsste das flächendeckend auf der ganzen Welt machen und das geht nicht so einfach. Wir forschen gerade, wie man das im Bereich Landwirtschaft fördern kann und welche Maßnahmen von Landwirten und Landwirtinnen getroffen werden können, um den Kohlenstoffgehalt im Boden, das ist landläufig gesagt der Humus im Boden, zu erhöhen.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Boden aus?

Zwei Faktoren spielen vor allem eine Rolle: Temperatur und Niederschlag. Wenn es wärmer wird, fangen die Mikroorganismen im Boden an, stärker zu arbeiten. Sie atmen stärker und stoßen mehr CO2 aus. Das vermehrt ausgestoßene CO2 muss quasi über die Pflanzen wieder aufgenommen werden, damit das Gleichgewicht gewahrt ist. Wir haben vor 15 Jahren einen großen Versuch in einem Tiroler Bergwald in der Nähe vom Achensee gestartet: Wir haben so etwas wie eine Fußbodenheizung in den Boden eingegraben. Anschließend haben wir die Temperatur um vier Grad erhöht und dann geschaut, wie sich die CO2-Emissionen im Vergleich zu dem normalen, nicht behandelten Boden verändern. Diese haben sich fast verdoppelt, immer dann, wenn es wärmer ist und gleich feucht bleibt. Im Osten von Österreich haben wir die Situation, dass es wärmer wird und es gleichzeitig aber lange Trockenperioden gibt. In einem Versuch im BOKU-Lehrforst im Rosaliengebirge haben wir untersucht, wie sich längere Dürreperioden auf die gesamte Treibhausgasbilanz der Böden auswirken. Wenn es lange sehr trocken ist, dann hebt sich dieser Effekt auf, dass die Mikroorganismen stärker arbeiten. Sie legen sich quasi zur Ruhe und es passiert nicht viel. Wir haben Starkregenereignisse durch eine Beregnungsinstallation simuliert. Mit der Feuchtigkeit kommt es zu einem Schub von Aktivität der Mikroorganismen und sehr viel an CO2 wird in die Luft geblasen. Prinzipiell gilt: wenn Dürre, dann weniger Bodenemissionen. Aber dann können die Pflanzen auch weniger CO2 aus der Luft fixieren und dann kommt auch weniger organisches Material in den Boden, das von den Mikroorganismen zu Humus verarbeitet werden kann.

Welche Auswirkungen gibt es für Böden, die unterschiedlich genutzt werden? 

Unser Hauptaugenmerk in der derzeitigen Forschung liegt darin, wie man den Humusgehalt der Ackerböden erhöhen kann. Da gibt es verschiedenste Maßnahmen, wie zum Beispiel Begrünungen oder dass man Kompost beziehungsweise Biokohle einbringt. Ganz im Trend liegt heute, dass man den Boden weniger bearbeitet. Jedes Mal, wenn man den Boden pflügt, dann kehrt man das Unterste zuoberst. Dadurch wird in den oberen Bodenhorizonten, wo die meiste organische Substanz ist, belüftet, alles wird zerhackt, die ganzen Pilzfäden und die Regenwurmgänge werden zerstört und dadurch wird sehr viel CO2 in die Luft freigesetzt. Österreich gilt schon ein bisschen als ein Vorzugsschüler, weil wir schon in den 1990er-Jahren begonnen haben, den Humusgehalt wieder zu erhöhen. Von den 1960er- bis zu den 1990er-Jahren ist dieser gesunken, aber danach haben sich die Böden wieder erholt und der Humusgehalt ist wieder auf ein relativ gutes Niveau gekommen.

Seit den 1990er-Jahren steigt der Humusgehalt in Österreichs Ackerböden wieder.

Sophie Zechmeister-Boltenstern

Wenn wir jetzt Ackerböden in Grünland umwandeln würden, würde man dadurch schon CO2 aus der Luft einfangen, weil die Grünlandböden sehr dicht durchwurzelt und viel belebter als die Ackerböden sind. Im alpinen Raum Österreichs gibt es sehr viel Viehhaltung und die dadurch entstehende Gülle wird verstärkt auf das Grünland ausgebracht. Das kann zu Umweltproblemen führen, da Nitrat ausgewaschen und Ammoniak oder Lachgas ausgegast wird. Eine Studie mit regionalen Schwerpunkten in ganz Österreich hat ergeben, dass die höchsten Lachgas-Emissionen in Vorarlberg vorkommen. Dort finden wir schwere, tonhaltige Böden, es gibt sehr viel Niederschlag und es wird sehr viel gedüngt. Das sind die idealen Voraussetzungen für Lachgasbildung. Lachgas ist ein um 300-mal stärker wirksames Treibhausgas als CO2.

Fast die Hälfte der Landesfläche ist Wald. Aber der Wald hat ein Problem mit dem Klimawandel, denn er kann sie nicht so schnell anpassen. Unser Wald hat sehr viele Fichtenbestände, die gerade jetzt im Osten stark unter Druck kommen. Aber selbst in Tirol und Salzburg haben wir riesige Waldschäden durch Windwurf und Borkenkäfer. Wenn der Wald geschädigt ist, findet weniger Photosynthese statt, es wird weniger CO2 aus der Luft geholt. Es kommt weniger Laub oder Nadeln in den Boden, die in Humus umgewandelt werden können.

11,3 Hektar produktiver Böden werden Tag für Tag in Österreich verbraucht, rund die Hälfte davon wird auch versiegelt.

Die fruchtbarsten Böden sind bei uns in Österreich in den Tälern und im Alpenvorland zu finden. Dort haben sich die Menschen niedergelassen. Das sind auch die Böden, die am meisten gefährdet sind oder schon durch Besiedelung zerstört wurden. Im Bodenverbrauch und in der Bodenversiegelung sind die Österreicher Europameister. Leider wurde die österreichische Bodenstrategie jetzt wieder auf die lange Bank geschoben. Wir kämpfen seit Jahren dafür, dass der Verbrauch eingeschränkt wird und dass man vor allem auch schaut, welche Böden zerstört werden. Noch am wenigsten erforscht ist, wie viel CO2 durch den Bodenverbrauch in die Atmosphäre gelangt. Der Boden wird ausgehoben, irgendwo auf einer Halde gelagert, liegt dort oder wird irgendwo hin transportiert und dadurch wieder belüftet. Viel von dem Humus, der da drinnen steckt, geht verloren. Manche Wissenschaftler sagen, dass an die 7 % der Treibhausgase insgesamt durch Bodenzerstörung in die Atmosphäre kommen. Bevor wir jetzt anfangen, Humus anzureichern, müssen wir eigentlich wirklich darauf schauen, dass Böden nicht zerstört werden und dass Böden nicht durch Erosion verloren gehen. Bodenerosion ist aufgrund heftiger Gewitter und Niederschläge, die immer häufiger vorkommen, ein riesiges Thema. Jedes Mal, wenn so ein Gewitter auf einen ungeschützten, nicht bepflanzten Boden niederkommt, geht sehr viel Boden den Bach runter, wie man so sagt. Organische Substanz und damit gebundenes CO2 gehen damit verloren.

Inwieweit gefährdet der Klimawandel und der Bodenverbrauch die Ernährungssouveränität Österreichs?

Eine Studie von meinem Kollegen von der Agentur für Ernährungssicherheit, Andreas Baumgarten, und weiterer Autoren, hat gezeigt, dass mit dem Klimawandel die Erträge im Osten von Österreich zurückgehen werden. Also man sieht jetzt schon, Dürre ist wirklich ein Problem. Wenn die Erträge geringer werden, bräuchte man eigentlich mehr landwirtschaftliche Flächen. Was aber derzeit passiert, ist das Gegenteil. Wir verlieren Agrarflächen einerseits durch Bodenverbrauch, aber andererseits durch das Bauernsterben. Viele Bauern geben auf, weil sie es wirtschaftlich einfach nicht mehr stemmen, der Druck so stark ist, sich zu vergrößern und billig zu produzieren. Diese Kombination Klimawandel, Bodenverbrauch und Bauern, die ihre Höfe aufgeben müssen, heißt, dass weniger an Lebensmitteln im Land produziert wird. Derzeit wird es dadurch kompensiert, dass wir mehr importieren. Wir machen uns stark abhängig. Wir lagern auch Probleme in Drittweltländer aus, sind also indirekt dadurch schuld daran, dass zum Beispiel Regenwald gerodet wird und dadurch noch mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt. Es gäbe viele Möglichkeiten und Ansätze, dem gegenzusteuern. Aber das ist ein Kraftakt. Man kann das nicht den Bauern und Bäuerinnen allein umhängen, sondern man muss politisch eingreifen und schauen, dass man das Umfeld so gestaltet, dass die Bauern mehr Handlungsspielraum haben. Viele junge, sehr engagierte Bauern versuchen, es in Zukunft anders anzupacken.

Autor:
  • Markus A. Langer
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