„Ich bin gern bei der Firma“

Klaus Maria Brandauer
Ausgabe Nr. 11
  • Kunst und Kultur
Autor:
Klaus Maria Brandauer lächelt
Der Weltstar bekennt sich zum Katholischsein: „Ich knie vor dem Altar und mache Gewissenserforschung.“ ©Markus A. Langer
Klaus Maria Brandauer schaut ernst
"Wir können ohne viel großen Bohei versuchen, nach unseren Möglichkeiten Menschen in der Ukraine zu helfen." ©Markus A. Langer
"Das sind die großen Aufgaben auch in meinem Beruf, die wahnsinnigen, angebeteten Diktatoren und großen Heerführer zu verkörpern." ©Markus A. Langer

Klaus Maria Brandauer zählt zu den bedeutendsten Schauspielern unserer Zeit. Im Interview gesteht er, dass er gerne katholisch ist und – je älter er wird – im Glauben noch immer dazulernt. Ein Vorbild im Glauben hat Brandauer in dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer gefunden.

Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer unterstützt das Hilfswerk des Franziskanerordens „Franz Hilf“. Der vielfach ausgezeichnete österreichische Mime liest bei einem Benefizabend zugunsten ukrainischer Flüchtlinge am 23. März in der Wiener Franziskanerkirche aus Texten und Briefen des evangelischen Theologen und Nazi-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer.

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Sie waren immer wieder auf Tournee in Deutschland und Österreich mit Lesungen aus Texten Bonhoeffers. Was fasziniert Sie an dieser Persönlichkeit?

KLAUS MARIA BRANDAUER: Ein Text ist mir sofort in die Augen gesprungen: „Ich möchte glauben lernen.“ Wenn man gut in einer katholischen Familie wie ich aufgewachsen ist, lernt man sowieso, mit dem lieben Gott umzugehen. Das bleibt nicht aus und war auch ganz großartig für mich. Wenn man älter wird, beschäftigt man sich damit, dass es Menschen gab, die ihren Glauben nicht nur gelebt haben, sondern ihn auch richtig verstanden haben – und das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, dass man sich dem Unrecht, dem Verbrechen entgegenstellt. Das hat dieser Pastor Bonhoeffer getan. Immer wieder. Und war dabei sogar erfolgreich, wenn man das so sagen kann, indem er mit einer Gruppe langsam einen richtigen Widerstand aufgebaut hatte. Die Sache ist aufgeflogen. Bonhoeffer war lange eingesperrt und wenige Tage vor Ende des Krieges hat man ihn umgebracht. Wenn man die Briefe liest, die er seinen Eltern, aber vor allen Dingen auch seiner Verlobten geschrieben hat, dann ist man unglaublich beeindruckt und vor allem mit der Frage konfrontiert: Hätte ich das auch zustande gebracht?

Hätten Sie …?

Für mich ist der Pastor ein großartiges Beispiel, dass man seinen Glauben hochhalten muss. Das bedeutet nicht, dass ich mir zutraue, dass ich auch denselben Weg gegangen wäre. Das kann man nie wissen. Aber ich bin auf jeden Fall froh, dass ich aufgrund seiner Texte gerne glauben lernen möchte, weil manchmal kann man es gar nicht. Man geht zwar in die Kirche und man weiß alles über die Liturgie und über den lieben Gott, aber irgendwie ist man doch nicht dabei – wenn man jung ist, vielleicht bis ins hohe Alter. Manchmal ist es sogar so, dass wir Jahrzehnte im Glauben sind: Ja, ich bin ein ordentlicher Katholik. Wir halten uns an die Gebote und wir haben eine Gaudi zu Weihnachten und zu Ostern. Wir tun „Oa dutschen“ und was weiß ich alles. Es ist schön, mir gefällt das, aber es gibt etwas darüber hinaus. Ich möchte mich überhaupt nicht berühmen, womit man sich zu beschäftigen hat. Das kann ganz bei einem selber bleiben. Wenn man will, teilt man es den Menschen mit, denen man zutraut, dass sie auf demselben Weg sind oder auf einem anderen. Und dann werden wir schauen, wo der Weg hingeht. Ich habe einmal zu Kardinal Schönborn bei einer Begegnung an der Universität gesagt: „Ich bin gern bei der Firma“ (lacht). Ich hatte große Lacher in der Runde. Aber ich glaube, der Kardinal hat es damals richtig verstanden. 

Wir leben in einer Zeit, in der wieder Krieg in Europa herrscht. Wie beschäftigt Sie persönlich diese momentane Situation? 

Ich bin wie wahrscheinlich jeder in meinem Alter mit Krieg aufgewachsen. Londonderry. Es war der Bär los in Irland. Der Koreakrieg. Palästina. Ungerechtigkeit, Mord und Totschlag. Irgendwie hat man das Gefühl, dass das zum Leben dazugehört. Wir wissen das am allerbesten. Wir haben selber bei unserer Firma am Anfang einen Bruder, der den anderen Bruder umbringt. Also es ist nicht so, wenn man sich mit unserem Glauben beschäftigt, dass wir nicht wissen, welche Fallen uns das Leben stellt. Wahrscheinlich sind solche Fallen auch absichtlich für uns da, damit wir wissen, wie man darüber hinwegkommen muss oder soll. Ich weiß es nicht. Es hat auch keinen Sinn, sich immer in Verzweiflung zu verhüllen. Warum uns das immer wieder auferlegt ist, wird einen Grund haben. Wirklich draufgekommen bin ich noch nicht. Also da wird es noch ein paar Anrufe nach oben geben (deutet himmelwärts), warum dies so ist. Die jetzt irgendwo in Russland gerade in die Kirche gehen und eigentlich alle unsere Freunde sein müssen, weil sie fast denselben Glauben praktizieren, beten dort, dass ihre Truppen gewinnen. Wenn ich mich länger darüber auslasse, merke ich, dass man, außer bald zu weinen, gar nichts machen kann. Doch, wir können! Wir können ohne viel großen Bohei versuchen, nach unseren Möglichkeiten Menschen in der Ukraine zu helfen. Das sehe ich immer wieder und finde ich bemerkenswert. Ein Freund von mir hat eine Familie mit zwei Kindern aufgenommen, weil er zuhause genug Platz hat. Das ist nicht der Einzelfall. Wo ich helfen kann und meine Familie etwas tun kann, dort tun wir es auch. Aber nichtsdestotrotz ist es unverständlich. Erwachsene Menschen, wie wir da sitzen, haben keine Möglichkeit, das zu stoppen und wissen auch, dass wir es wahrscheinlich nie hinkriegen, so etwas zu stoppen. 
 

In Ihren Darstellungen setzen Sie sich immer wieder mit den Mechanismen der Macht und der Verführbarkeit der Menschen, besonders auch in der Zeit des Nationalsozialismus, auseinander. Was hat Sie bewogen, diese Rollen auszuwählen?

Das sind die großen Aufgaben auch in meinem Beruf, die wahnsinnigen, angebeteten Diktatoren und großen Heerführer zu verkörpern. Wieso ist es immer so, dass nur einer toll ist, wenn er ganze Landschaften niederbrennt? Ich habe versucht, beim Spielen mir eine Verhaltensweise für solche Menschen anzueignen, dass sie richtig gesehen werden, dass man einfach bemerkt, das sollte nicht der Weg sein, auf dem unsere Helden gemacht werden. Aber es hat mir natürlich schon große Freude gemacht, einen solchen Verbrecher zu spielen und vor allen Dingen den Weg aufzuzeigen, dass solche Leute nicht von Anfang an böse sind, sondern sich im Laufe der Zeit dazu entwickeln. 

Wollten Sie schon immer Schauspieler werden?

Ich möchte dem Zufall danken, der mich im Alter von sieben Jahren, weil ich dort in der zweiten Klasse Volksschule den Struwwelpeter gespielt habe, geradezu zur Schauspielerei hineingetrieben hat. Mein erster Erfolg war der Struwwelpeter und die anderen haben sich Gott sei Dank auch irgendwann eingestellt. Ich habe das gar nicht einmal so gesucht, sondern es hat mich irgendwie immer dazu hingetragen. Schon früh eingesetzt hat, dass, wenn man irgendwas Tolles erreicht hat, man ein bisschen Größenwahn in sich verspürte. Früher haben meine Eltern und auch meine verstorbene Frau Karin dafür gesorgt, heute ist natürlich meine Frau Natalie verantwortlich dafür, dass meine Bäume nicht in den Himmel wachsen.
 

Ihre erste Frau Karin, Ihre Jugendliebe, ist mit nur 47 Jahren 1992 an Krebs gestorben. Sie sind damals, wie Sie einmal gesagt haben, aus der Bahn geworfen worden. Wie haben Sie wieder den Weg zurück gefunden? 

Es war damals ganz schlimm und man denkt, man kommt da nicht mehr heraus. Man verbietet sich den Gedanken, weil wir wissen, dass seit Jahrtausenden Menschen von dem Schmerz herauskommen können. Weg ist er nie ganz, das ist klar. Menschen, die einen Menschen, mit dem sie so verbunden sind, verlieren, haben manchmal den Gedanken: „Ich fahr mit dir!“ Gut ist, wenn man niemandem eine Richtlinie gibt. Es sei denn, es sind ganz junge Leute und man sagt: „Du, das sollst du so oder so machen. Oder ich schlage dir vor.“ Wir müssen uns schon daran gewöhnen, dass wir, wenn wir Dinge beim anderen nicht verstehen, auch einen Wunsch, den man eigentlich ablehnen muss, dass man diesen zumindest zu verstehen versucht oder sich zutraut zu gestehen, dass man darüber auch schon einmal nachgedacht hat. Im Leben kann uns eigentlich niemand etwas verbieten. Wenn man es will, dann macht man das, was man sich vorgenommen hat. Schöner ist, man bleibt auf der Welt. 
 

Gibt es eine priesterliche Gestalt, die für Ihren Glauben in jungen Jahren prägend war? 

In Altaussee, als ich klein war, hatte unsere Familie den alten Pfarrer gern. Die Mutti war im Kirchenchor. Es ist nicht ausgeblieben, ich bin auch immer gerne zum Kirchenchor mitgegangen. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich war neben der großen Orgel, wo sich der Blasebalg befand. Diesen wollte ich auch einmal treten. Aber dazu kam es nicht, weil ich zunächst eine Zeit lang zu unkräftig und später nicht mehr in Altaussee war. Ich bin dann in Deutschland in die Schule gegangen, wo mein Vater herstammte. Ich persönlich sowie meine Familie leben heute bewusst den Glauben und tauschen uns auch ständig darüber aus. 

Ist eine gute Liturgie so etwas wie ein gutes Theaterstück?

Es gibt Leute, die solche Vergleiche machen, aber ich möchte mich da nicht einreihen. Ich weiß nur, dass ich zum Beispiel stundenlang – nicht eine Stunde, sondern manchmal zwei, drei Stunden – vor dem Altar gekniet bin und einfach versucht habe, Gewissenserforschung zu machen. Das tue ich auch heute noch. Ich gehe gerne in die Kirche. Herrlich ist, wenn dort gesungen wird, und noch herrlicher, wenn es ein enorm großer Dom ist. Das macht große Freude. Es ist nicht nur die Musik, die Menschen erzeugen, sondern es gibt so etwas wie ein Gefühl, dass man irgendwie von oben, von unten, von der Seite manchmal so ein Lüfterl dazu bekommt, sodass man langsam fliegen kann, bis man es dann wirklich gelernt hat.

Autor:
  • Stefan Hauser
  • Porträtfoto von Markus Langer
    Markus A. Langer

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