Kinderhospital Bethlehem: Hilfe für Schmetterlingskinder

Medizinische Versorgung im Westjordanland
Ausgabe Nr. 52
  • Leben
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Eine Mutter mit ihrem Kind, das an der Schmetterlingskrankheit leidet wird im Kinderhospital in Bethlehem gut versorgt.
Schmetterlingskind Yousef: Durch die regelmäßigen medizinischen Kontrollen und die soziale Betreuung im Kinderhospital Bethlehem kann er ein halbwegs normales Leben bei seiner Familie führen. ©Meinrad Schaden/ Kinderhilfe Bethlehem
Eine Sozialarbeiterin im Gespräch mit ihren Klienten.
Sozialarbeiterin Hiba Sa'di: Sie unterstützt die Familien, deren Kinder im Kinderhospital in Bethlehem medizinisch versorgt werden, in sozialen Fragen. Sie arbeitet im Spital, besucht die Familien aber auch zu Hause. ©Meinrad Schade/ Kinderhilfe Bethlehem

Yousef ist ein Jahr alt und leidet seit seiner Geburt an der Schmetterlingskrankheit – eine unheilbare und schmerzhafte Hautkrankheit. Nur durch die Hilfe des Kinderspitals in Bethlehem können er und seine Eltern ein Stück weit Normalität leben.

Der kleine Yousef Sweiti liegt auf einem dicken Polster auf der Couch und brabbelt fröhlich vor sich hin. Hände und Beine des strahlenden Kleinkinds stecken in Verbänden, im Gesicht hat er zahlreiche Wunden, einige sind bereits verschorft, andere sind offen. Gemeinsam mit seiner Mutter war er heute im Kinderhospital in Bethlehem.
Neben Yousef sitzt seine Schwester. Behutsam gibt gibt sie dem Einjährigen ein Bussi auf den Bauch. Sie ist ganz besonders vorsichtig, denn sie weiß: Jede Reibung kann zu neuen Verletzungen führen. Yousef ist ein sogenanntes «Schmetterlingskind». Seine Haut ist durch die Krankheit Epidermolysis bullosa extrem empfindlich – so wie die Flügel eines Schmetterlings, darum trägt die Krankheit auch ihren Namen.

 

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Bei der Geburt war es ein Schock

Bei Yousef wurde die Krankheit schon bei seiner Geburt sichtbar: Von den Knien bis zu den Fussgelenken, vom Ellenbogen bis zu den Händen war die Haut des Buben nicht richtig ausgebildet. Für die Eltern aus dem kleinen ländlichen Dorf Deir Sammit westlich von Hebron war das ein Schock. «Ich habe mit einem Kaiserschnitt entbunden und das Baby nicht sofort gesehen», erinnert sich Mutter Amani (34). «Aber mein Mann brach beim Anblick des Kleinen zusammen. Man sagte ihm, das Kind wird nicht lange überleben.»

Das Kinderspital in Bethlehem gibt Hoffnung

Doch der Vater des Kindes, Abdelrahman (41), will nicht so schnell aufgeben. Er weiss vom Kinderspital in Bethlehem und besteht auf einer Einweisung. Und tatsächlich: Das Kinderspital kann den Sweitis Hoffnung geben. Hier kennt man die Krankheit gut, weiß, damit umzugehen – auf der Neugeborenen-Intensivstation ist das Baby in guten Händen. Gleichzeitig verschweigt man der Familie nicht, dass Yousef eine schwere Form von Epidermolysis bullosa hat, die in wohl Zeit seines Lebens begleiten wird.

Der Umgang mit dem Schmetterlingskind muss gelernt werden

Im Spital beginnt sich der Zustand des kleinen Patienten zu stabilisieren. 18 Tage verbringt Yousef auf der Intensivstation, bevor die Mutter ihren Sohn sieht. Amani wird in dieser Zeit auch mental auf die Begegnung mit ihrem Kind vorbereitet «Es ist nicht einfach für eine Mutter, ihr Kind schwer krank zu sehen», betont Sozialarbeiterin Hiba Sa'di. «Bei der Schmetterlingskrankheit kommt dazu, dass die kleinen Patienten wirklich schlimm aussehen. Die Mütter, die Eltern, die ganze Familie muss sich buchstäblich daran gewöhnen. Und sie müssen alle auch erst lernen, wie man ein Schmetterlingskind berührt ohne es zu verletzen.»

Spezialisierte Betreuung nur im Kinderhospital Bethlehem möglich

Das Kinderspital Bethlehem ist das einzige Spital in Palästina, das in der Lage ist, Kinder wie Yousef zu behandeln und das auch den Familien zeigen kann, wie man damit umgeht. «Das A und O der Behandlung ist eine sachgerechte Pflege der Haut und der Wunden, um Entzündungen zu verhindern», so Hiba Sa’di, «Wir bringen den Müttern bei, wie sie es richtig machen. Damit können wir die Spitalsaufenthalte der Kinder reduzieren.»

Die Krankheit ist nicht immer lebensverkürzend

40 Schmetterlingskinder aus 35 Familien gehören derzeit zu den Patientinnen und Patienten des Spitals. Die Schmetterlingskrankheit wird durch einen genetischen Defekt ausgelöst. Die weit verbreiteten Verwandtenehen in Palästina bergen dabei ein erhebliches Risiko. Der Sozialdienst des Kinderspitals versucht darüber aufzuklären und so das Auftreten der Krankheit in den Griff zu bekommen.
Allgemein haben etwa zwei Drittel der Betroffenen eine normale Lebenserwartung. Allerdings überwiegen in Palästina die schweren Fälle, in denen die Genmutation lebensverkürzend sein kann.
 

Medizinische Kontrollen und Vernetzung durch das Kinderhospital in Bethlehem

Die grösste Herausforderung für die Eltern und das Spital ist die Ungewissheit. Wie sehr die Krankheit das Leben der Betroffenen beeinflusst, hängt nicht zuletzt vom Subtyp und der Schwere des Verlaufs ab. Was einem Kind hilft, kann bei einem anderen ohne Wirkung bleiben. Aber es gibt Leitlinien für jede Behandlung, an denen wir uns orientieren», stellt die Chefärztin des Spitals, Hiyam Marzouqa, fest. Und wir versuchen zur Seite zu stehen, so gut es geht und in allen Belangen zu unterstützen. Die betroffenen Familien kommen regelmäßig zu uns zur Kontrolle. Und sie bekommen bei uns Verbandsmaterial und Medikamente kostenlos.» In Anbetracht eines monatlichen Mindestlohns in Palästina von umgerechnet rund 395 Euro ist diese Hilfe für betroffene Familien besonders wichtig.
Sozialarbeiterin Hiba Sa'di ist zudem regelmässig telefonisch mit den Familien in Kontakt oder macht Hausbesuche vor Ort.

Erfahrungsaustausch führt zu Freundschaften

Für die Mütter und Väter dieser Kinder sind außerdem Vernetzung und Austausch mit anderen betroffenen Familien wichtig. Hier kommt vor allem der Sozialdienst des Kinderspitals ins Spiel. «Wir kennen die Familien und wir bringen sie miteinander in Kontakt», erzählt Hiba Sa'di.

Yousef ist nicht allein

Im Fall des kleinen Yousef ist das besonders gut gelaufen. «Uns wurde gesagt, dass es in unserer Nähe weitere betroffene Familien gibt», erinnern sich Yousefs Eltern.
Mariam und Samer Darrabi’ aus Dura etwa teilen das gleiche Schicksal und haben langjährige Erfahrung mit der Genkrankheit. Zwei ihrer Söhne, Yasan (24) und Joud (5), sind wie Yousef Schmetterlingskinder. Eine Schwester Mariams und ein Cousin Samers leiden ebenfalls unter der Krankheit. Mariam Darrabi’ ermutigt Yousefs Familie, ihr Baby sobald wie möglich nach Hause zu holen.

Durch das Kinderhospital in Bethlehem haben Schmetterlingskinder eine Chance

Mariam Darrabi’ erinnert sich noch gut an die eigene Situation. Sie war bei der Geburt von Yasan gerade mal 18 Jahre alt. Yasans und Yousefs Geschichten ähneln sich - auch damals gaben die Ärzte im örtlichen Krankenhaus dem Neugeborenen keine Chance. Und auch hier insistierte die Familie und erwirkte eine Einweisung in das Kinderhospital in Bethlehem. Einige Zeit lang kam Mariam Darrabi’ danach täglich zu den Sweitis, um bei der Ernährung, beim Baden und Verbandwechsel des kleinen Schmetterlingsjungen zu helfen.
«Wenn die Kinder grösser werden, wird der Umgang mit der Krankheit leichter», sagt sie. «Sie wachsen mit ihrer Krankheit auf und lernen zu verstehen, was ihnen Schaden zufügt und sie lernen das auch möglichst zu vermeiden und wir Familienmitglieder lernen mit ihnen.»

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
  • Andrea Krogmann
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