Keine stille Nacht
AnekdotenIn einem kleinen Dorf im Weinviertel lebt das Ehepaar Rainer und Renate. Rainers Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Seither feiert seine Mutter Weihnachten mit ihm und seiner Frau. Sie verbittet sich aber, Stille Nacht zu singen. Das würde sie seelisch nicht verkraften und bitterlich weinen müssen, ist ihre Begründung.
In den ersten beiden Jahren stieß sie auf Verständnis bei Sohn und Schwiegertochter, aber danach wollte vor allem Renate wieder singen: „Wir singen zwar sehr falsch, aber alle sechs Strophen und inbrünstig.“ Vor dem letzten Weihnachtsfest überlegte sie daher, was sie machen könnte, um das Lied zu singen, ohne die Schwiegermutter zu verletzen. Einfach sagen: „Das Lied ist uns wichtig, wir singen es daher wieder“? Vorschlagen, dass sie rausgeht, wenn es ihr zu viel wird? Renate grübelte und grübelte. Das Problem wurde aufgeschoben bis zum 24. Dezember.
An diesem Tag hörten Rainer und Renate gegen 10:00 Uhr plötzlich Blasmusik. „Das Radioprogramm ist wohl geändert worden“, vermutete Renate. Ihr Mann entgegnete: „Das ist nicht das Radio. Das ist vor unserer Haustür.“ Sie öffneten die Tür – draußen standen die Dorfmusik und alle Nachbarn, Freunde und Verwandte aus dem Dorf, denn Rainer hatte 50. Geburtstag. Alle Pläne, Ängste, Sorgen wurden über den Haufen geworfen. Es wurde musiziert, gegessen, getrunken, gelacht. Um 16:00 Uhr wankten alle betrunken nachhause.
Und Stille Nacht? Renate resümierte später trocken: „Das war danach kein Thema mehr. Wir waren zu betrunken, um es zu singen.“
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