Kardinal: „Hoffnung habe ich immer“

Rückblick
Ausgabe Nr. 51
  • Wien und Niederösterreich
Interessiere dich für die Mitmenschen, rät Kardinal Schönborn den Menschen und der Kirche.
Interessiere dich für die Mitmenschen, rät Kardinal Schönborn den Menschen und der Kirche. © Stephan Schönlaub

„Ich habe 30 Jahre lang etwas getan, was ich sehr gerne gemacht habe“, meinte Kardinal Christoph Schönborn bei einem Pressegespräch eine Woche vor Weihnachten mit einem Rückblick auf eine bewegte Zeit.

Wie sieht der Wiener Erzbischof Erfolg und Misserfolg seiner Amtszeit? Der Themenkreis ist nicht neu, in einem Rückblick fasst Kardinal Schönborn zusammen: „Ich kann feststellen, dass es in der Kirche in Österreich eine größere Einmütigkeit gibt, dass es auch unter den Bischöfen eine größere Gemeinsamkeit gibt. Was offen bleibt, ist die Gesamtlage der Gesellschaft, innerhalb der auch die Entwicklung der Mitgliederzahl der katholischen Kirche ein Schmerzpunkt ist. Die Zahl der Katholiken in der Erzdiözese Wien ist in meiner Amtszeit um rund 20 % zurückgegangen.“ 

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Der Kardinal über die Kirche der Nachkriegszeit

Zur Kirche der Nachkriegszeit will er nicht zurückkehren. Die Frage ist für ihn viel mehr: „Wie geht der Weg weiter? Wir wollen eine liberale Demokratie, die auf der Basis der Menschenrechte und der Freiheit steht. In diese Gesellschaftsform kann das Christentum Elemente einbringen, die für ihre Zukunft entscheidend sind. Etwa die Würde jedes Menschen. Diese Dimensionen werden für die Zukunft sehr wichtig sein. Wenn weltweit die totalitären Regime zunehmen, dann müssen wir uns fragen: Worauf basiert unsere freiheitliche Ordnung?“ 
 

Da ist viel Luft nach oben 

Eine Gefahr sieht Schönborn in der Selbstbeschäftigung der Kirche: „Das ist sehr menschlich, aber es ist schade, weil es auf die Dauer langweilig wird.“ So fehle oft ein Welcome-Service in Pfarrgemeinden.  Die Lösung? „Du musst dich für die Menschen interessieren.“  Der Reformprozess der Erzdiözese ist nicht abgeschlossen – hier ist der Wiener Erzbischof pragmatisch: „Eine Reform ist nie abgeschlossen. Ich habe 2010 bei der dritten Diözesanversammlung  drei große Zielsetzungen vorgegeben: Erstens ‚Mission first‘, zweitens ‚Jüngerschaft‘. Und drittens ‚Strukturreform‘. Leider sind wir mehr bei der Strukturreform hängen geblieben.“ Ihm persönlich ist die Mission wichtiger: „Jesus hat gesagt: Geht in alle Welt und macht alle Völker zu meinen Jüngern. Was heißt das für uns als Christen? Wo stehen wir, wo steht die katholische Kirche in Österreich in der Frage der Mission als Grundauftrag Jesu? Da ist viel Luft nach oben.“
 

Wenn er auf die Gesellschaft blickt, bemerkt Kardinal Schönborn, dass Einsamkeit ein großes Thema ist. Sein Rat: „Interessiere dich für den Nächsten!“ Er empfiehlt das  Miteinander: „Was war das Rezept nach dem Zweiten Weltkrieg? Der Zusammenhalt. Auch die heutige Krise bewältigen wir nur gemeinsam. Das brauchen wir auch in der Politik und in allen Bereichen der Gesellschaft.“ Er will aber weiterhin hoffnungsvoll bleiben und ist sicher, dass das Christentum ein großes Angebot für Menschen hat, die auf der Sinnsuche sind: „Natürlich ist die Welt immer in einem schlechten Zustand. Aber Hoffnung habe ich immer. Weil es immer Menschen geben wird, die über diese Niederungen hinausgehen.“ Wäre er nochmals am Beginn seiner Amtszeit, würde er für sich selbst und für die Menschen mehr das geistliche Leben empfehlen, neben allen sozialen und gesellschaftlichen Fragen. Vorbilder sind dabei für den Wiener Erzbischof Menschen, die Orientierung geben, wie der 98-jährige Mystiker David Steindl-Rast, die Sozialarbeiterin Maria Loley oder der Jesuit Pater Georg Sporschill. 
 

Vertraue darauf, dass mein Nachfolger es gut machen wird

Mit einem abschließenden Blick zur Frage nach dem nächsten Wiener Erzbischof sagt der Kardinal: „Ich zeichne kein Profil meines Nachfolgers. Ich vertraue darauf, dass er es gut machen wird und in mancher Hinsicht sicher besser als ich.“ Und ganz pragmatisch sieht Schönborn die Frage, ob der nächste Erzbischof auch den Kardinalspurpur erhalten soll: „Vielleicht wird es ja in Österreich eine Gestalt geben, die den Papst bewegt, dass er sie zum Kardinal ernennt. Aber die traditionellen Kardinalssitze in Europa – das ist vorbei, weil sich das Schwergewicht der Weltkirche einfach verlagert hat.“

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