Kant und das Christentum
300. Geburtstag von Immanuel KantVor 300 Jahren, am 22. April 1724, wurde Immanuel Kant (1724–1804), der Begründer der modernen Philosophie, in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, geboren. Der Philosoph Simon Varga, Generalsekretär der Katholischen Medien Akademie, spricht über die bleibende Bedeutung des Königsberger Philosophen, der bis heute das philosophische Denken beeinflusst. Denn zweifellos hat kein anderer Denker die abendländische Philosophie und Geistesgeschichte so maßgebend geprägt wie Immanuel Kant. Und noch heute berufen sich alle auf ihn, sowohl „linke“ als auch „rechte“ Philosophen.
Wie lässt sich die Beziehung des Königsberger Philosophen zum Christentum in wenigen Sätzen beschreiben?
SIMON VARGA: Herausfordernd. Als Philosoph der Aufklärung, als Religionskritiker und als Meister im Umgang mit der menschlichen Vernunft ist Kant dennoch gegenüber Hoffnung, Glauben und Religion grundsätzlich offen. Allerdings nur dann, wenn Glaube und Religion stets kritisch überprüfbar bleiben. Religiös zu sein bedeutet daher für Kant mehr bewusste Entscheidung auf der Basis von Vernunft- argumenten als unreflektierte und daher eigentlich unhinterfragte Frömmelei.
„Bei Kant müssen Glaube und Religion stets kritisch überprüfbar bleiben.“
Simon Varga
Welche Bedeutung hat der von Kant formulierte sogenannte „Kategorische Imperativ“ bis heute?
Eine der Ausformulierungen lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Dabei sind neben anderen Implikationen zwei Bedeutungen nach wie vor aktuell. Die Frage nach der Moralität von Handlungen des Einzelnen wie auch auch deren Bedeutungen für das gesellschaftliche beziehungsweise politische Gefüge. Denn eine wichtige Erinnerung für uns alle lautet, dass konkrete Handlungen zumeist konkrete Auswirkungen nach sich ziehen. Dessen gilt es sich stets bewusst zu sein. Familiär, beruflich, in der Freizeit oder in der digitalen Welt.
Welches ist Kants wichtigstes Werk? Mit welchem Werk soll man beginnen?
Die Gewichtung seiner Schriften ist schwierig, zumal jeder und jede auch eine andere Herangehensweise an die Philosophie hat. Die „Kritik der reinen Vernunft“ hat die Erkenntnistheorie revolutioniert, die „Kritik der praktischen Vernunft“ unsere Ethik. In Zeiten wie diesen, die durch menschenunwürdige Kriege und blutigste Konflikte geprägt sind, empfehle ich uns allen eine andere Schrift, nämlich „Zum ewigen Frieden“. Kant sagt hier, dass Frieden immer gestiftet werden muss, da er aufgrund des menschlichen Naturells keine Selbstverständlichkeit ist. Eine ganz konkrete Geschenkidee zum 300. Geburtstag von Professor Kant wäre doch die Verwirklichung des ewigen Friedens auf gültiger globaler Rechtsbasis.
„Ich empfehle Kants Schrift ,Zum ewigen Frieden‘
als Einstiegslektüre.“
Simon Varga
„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“ – warum sind diese Kant-Fragen wesentliche Fragen des Lebens?
Weil kein Mensch über kurz oder lang um eine Auseinandersetzung mit diesen lebensphilosophischen Fragen herumkommt. Sie berühren die großen Themen unserer Existenz. Was kann ich tatsächlich – durchaus auch im wissenschaftlichen Verständnis – konkret wissen? Wozu bin ich aufgrund meiner Natur des Menschseins moralisch tatsächlich verpflichtet, eben weil ich Mensch bin? Was darf ich in Bezug auf meinen Lebenslauf von der Zukunft erwarten und was nach meinem Tod erhoffen? Alle diese Fragen bündeln sich nach Kant in dieser einzigen zusammen: Was ist der Mensch? Eine Frage, deren Beantwortung durch die Menschheitsgeschichte hindurch vielleicht immer schwieriger statt einfacher geworden ist.